„Jugendsexualität und Behinderung“

Seit 1980 untersucht die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) regelmäßig Einstellungen und Verhaltensweisen Jugendlicher zu Aufklärung, Sexualität und Verhütung. In Anlehnung an diese Wiederholungsbefragungen wurde in Sachsen eine Pilotstudie zu Jugendlichen mit Behinderung durchgeführt. 169 Schülerinnen und Schüler der Klassen 6-10 mit Körper-, Hör- und Sehbehinderung an neun Förderschulen und zwei Berufsbildungswerken wurden durch Wissenschaftlerinnen der Universität Leipzig befragt.

Die Studienergebnisse zeigen, dass zwei Drittel der befragten Jugendlichen mit Behinderung sich aufgeklärt fühlen. Unabhängig von Geschlecht und Art der Behinderung ist die Schule die wichtigste Vermittlungsinstanz für sexualpädagogische Inhalte. Jugendzeitschriften und Internet sind weitere wichtige Informationsquellen für Jugendliche mit Beeinträchtigungen.

Ebenso spielt das Elternhaus bei der Sexualaufklärung eine wichtige Rolle. Die Mutter ist für die Jugendlichen nach dem besten Freund oder der besten Freundin die zweitwichtigste Vertrauensperson. Dort finden für die meisten Jugendlichen mit Behinderung die ersten Gespräche über Verhütung statt. Mehr als die Hälfte der Jungen und Mädchen hatten ein Verhütungsgespräch mit ihren Eltern. Vor allem die Jugendlichen mit einer Hörbeeinträchtigung wurden von den Eltern über Verhütung aufgeklärt. Es unterscheidet sich ihre Situation signifikant von der anderen Jugendlichen. Zwei Drittel der Mädchen mit  Sehbeeinträchtigung wurden im Vergleich zu jedem zweiten körperbehinderten Mädchen im Elternhaus beraten, bei den Jungen sind die Ergebnisse ähnlich.

Etwa ein Drittel der 15- bis 18-jährigen befragten Jugendlichen mit Behinderung hatte bereits Geschlechtsverkehr. Über vier Fünftel der Jugendlichen mit Behinderung haben beim ersten Mal verhütet, am häufigsten mit dem Kondom. Die wenigen Befragten, die beim ersten Geschlechtsverkehr nicht verhütet hatten, gaben als Gründe die Spontaneität der Situation an sowie Ängste, Kondome zu kaufen und das Thema Verhütung insgesamt anzusprechen.

Die Befragungsergebnisse zum Sexualwissen und Verhütungsverhalten zeigen viele Gemeinsamkeiten zwischen Jugendlichen mit und ohne Behinderung. Hierzu erklärt Prof. Dr. Elisabeth Pott, Direktorin der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: „Jugendliche mit Behinderung haben ebenso einen Partner oder eine Partnerin und eine beste Freundin als Vertrauensperson. Sie verhüten beim ersten Mal ähnlich gut wie gleichaltrige nicht behinderte Jugendliche – und auch mehrheitlich mit Kondomen. Aber es werden auch Unterschiede deutlich.

Bei der Frage nach dem generellen Verhütungs-verhalten sind in der aktuellen Analyse Jugendliche ohne Behinderung achtsamer. So praktizieren zwei Drittel der Jugendlichen ein sehr konsequentes Verhütungsverhalten, bei Jugendlichen mit Behinderung ist es nur die Hälfte. Hier besteht Handlungsbedarf, um junge Menschen mit Behinderung stärker in ihrer Verhütungs- und Handlungskompetenz zu unterstützen.“

Nach ihren Zukunftsperspektiven gefragt, stehen die berufliche Orientierung, eine eigene Wohnung und ein Partner oder eine Partnerin ganz obenan. Bei der Frage nach einem späteren Kinderwunsch unterscheiden sich nichtbehinderte von behinderten Jugendlichen mit Beeinträchtigung. Mädchen ohne Behinderung haben einen sehr viel klareren zukünftigen Kinderwunsch als Mädchen mit Beeinträchtigung.

Ein sehr bedrückendes Bild ergibt sich bei dem Thema sexualisierte Gewalt: Jugendliche mit Behinderung sind hier deutlich häufiger Opfer sexueller Übergriffe. 14,2 Prozent der Befragten berichteten von einem versuchten Übergriff, doppelt so viele Mädchen wie Jungen. Jedes vierte Mädchen bestätigt Erfahrungen mit sexualisierter Gewalt, dabei insbesondere Mädchen mit einer Hörbeeinträchtigung.

Die Daten und Ergebnisse der Studie „Jugendsexualität und Behinderung“ sowie umfassende Studienergebnisse rund um das Thema Jugendsexualität stehen im Internet unter www.forschung.sexualaufklaerung.de.

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