Kann der Verlauf von Multipler Sklerose beeinflusst werden?

Saleh Ibrahim und Susanne Lemcke diskutieren ihre neuen Forschungsergebnisse (Foto: Franziska Sophie Schulze, Universität Lübeck)
Saleh Ibrahim und Susanne Lemcke diskutieren ihre neuen Forschungsergebnisse (Foto: Franziska Sophie Schulze, Universität Lübeck)

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Exzellenzclusters „Entzündungsforschung“ und der Universität zu Lübeck haben ein Gen identifiziert, welches die Übertragungsgeschwindigkeit von Nervenfasern beeinflusst. Bei der Erkrankung Multiple Sklerose (MS) ist diese Nervenleitungsgeschwindigkeit verändert. Die neuen Erkenntnisse könnten zukünftige Therapien dieser Erkrankung beeinflussen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft finanzierte die Studie, die am 13. August 2014 in der internationalen Fachzeitschrift American Journal of Pathology veröffentlicht wurde.

Das Forschungsteam des Lübecker Instituts für Experimentelle Dermatologie und des Instituts für Medizinische Biometrie und Statistik untersuchte gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus München, Magdeburg, Spanien, Österreich und Schweden die genetischen Ursachen für veränderte Nervenleitungsgeschwindigkeiten. Die genetischen Informationen für den Aufbau sämtlicher Körperstrukturen sind in Chromosomen gespeichert. Bisher war bekannt, in welchem Abschnitt des Chromosoms die Informationen für Nervenleitungsgeschwindigkeiten liegen. Diesen Chromosomenbereich identifizierte Doktor Susanne Lemcke, Erstautorin der aktuellen Studie und Mitglied im Exzellenzcluster „Inflammation at Interfaces“, im Rahmen ihrer Promotionsarbeit. „In einer langwierigen Feinkartierung haben wir aus mehreren Hundert Genen die in Frage kommenden herausgesiebt“, berichtet Lemcke. Ein Chromosomenbereich enthalte zu viele Gene, als das man sie alle detailliert untersuchen könne.

Etwa zehn Gene, die für eine Steuerung der Nervenleitungsgeschwindigkeit in Frage kamen, wurden von den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern genauer untersucht. Das sogenannte Kandidatengen, welches veränderte Leitungsgeschwindigkeiten in den Nerven verursacht, wiesen die Forscherinnen und Forscher schließlich im Mausmodell nach. „Wir konnten zeigen, dass kleine Varianten im Genom, sogenannte SNPs, die Ausbreitung der Signale entlang der Nervenfaser beeinflussen. Es ist faszinierend, dass solche genetischen Mutationen, die jeweils nur einen einzelnen ‚Genbuchstaben‘ an einer bestimmten Stelle des Erbguts verändern, Einfluss auf die Nervenleitungsgeschwindigkeit haben“, fasst Lemcke die neuen Erkenntnisse zusammen.

Bei einer zusätzlichen Studie, die gesunde und an MS erkrankte Personen verglich, konnte ein Zusammenhang zwischen dem Vorkommen der neu entdeckten Genvariante und dem Auftreten von MS nachgewiesen werden. „Unsere Ergebnisse könnten zu neuen Ansatzmöglichkeiten für die Prävention und Behandlung von MS führen“, erklärt Studienleiter und Clustermitglied Professor Saleh Ibrahim. „In unserem nächsten Schritt wollen wir erforschen, wie stark Veränderungen im Genom mit dem Schweregrad der MS Erkrankung assoziiert sind.“

Originalpublikation:
Lemcke, S., Müller, S., Möller, S., Schillert, A., Ziegler, A., Cepok-Kauffeld, S., Comabella, M., Montalban, X., Rülicke, T., Kutty, S. N., Hemmer, B., Holmdahl, R., Pahnke, J., and Ibrahim, S.M. (2014): Nerve Conduction Velocity Is Regulated by the Inositol-Polyphosphate-4-Phosphatase II Gene, American Journal of Pathology, 185 (3), dx.doi.org/10.1016/j.ajpath.2014.05.021

Weitere Informationen:
Englische Meldung zur Publikation
www.ajp.amjpathol.org/pb/assets/raw/Health%20Advance/journals/ajpa/AJPSep14PRLemcke-Lassmann.pdf
Kommentar zur Publikation Lemcke et al.
www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0002944014003149

Der Exzellenzcluster „Inflammation at Interfaces/Entzündungsforschung“ wird seit 2007 durch die Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder mit einem Gesamtbudget von 68 Millionen Euro gefördert; derzeit befindet er sich in der zweiten Förderphase. Die rund 300 Clustermitglieder an den insgesamt vier Standorten: Kiel (Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein), Lübeck (Universität zu Lübeck, UKSH), Plön (Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie) und Borstel (Forschungszentrum Borstel – Leibniz-Zentrum für Medizin und Biowissenschaften) forschen in einem innovativen, systemischen Ansatz an dem Phänomen Entzündung, das alle Barriereorgane wie Darm, Lunge und Haut befallen kann.

(Pressetext: http://inflammation-at-interfaces.de/de/newsroom/aktuelles/gen-multiple-sklerose) Stand:8/2014

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