Von gefühlter Irreführung zur Glaubwürdigkeit

„Glauben Sie an den Weihnachtsmann?“, fragte der Psychologe Jens Lönneker auf dem 26. Deutschen Lebensmittelrechtstag in Wiesbaden. Wenn Psychologen banale Fragen stellen, dann haben sie meist schon einen Hintergedanken. „Man könnte sich also die Frage stellen“, führte Lönneker weiter aus, „ob wir den Weihnachtsmann abschaffen wollen, denn der ist ja nicht glaubwürdig“.

Auch Hersteller von Schokoladen-Weihnachtsmännern wären demnach nicht glaubwürdig. Dennoch käme kein Mensch auf die Idee, aus diesem Grund Weihnachtsmänner abzuschaffen. „Wir wollen glauben, auch wenn wir wissen, dass etwas nicht wahr ist“. So ließe sich auch erklären, warum Verbraucher in der Werbung gerne Kühe auf der Alm sehen möchten und trotzdem die Schokolade für 89 Cent kaufen. „Wir wollen die Zusammenhänge nicht herstellen“, sagte der Geschäftsführer eines großen Marktforschungsunternehmens, „und leisten uns den Luxus alles zu wollen“.

Zurück zum Weihnachtsmann: Wenn es ihn also de fakto nicht gibt, er aber trotzdem glaubwürdig ist, dann stellt sich die Frage, wie Glaubwürdigkeit entsteht bzw. ab welchem Punkt etwas nicht mehr glaubwürdig ist und Verbraucher sich getäuscht fühlen. Wiederholt flammte auf dem deutschen Lebensmitteltag die Diskussion um die „gefühlte Verbrauchertäuschung“ auf. Statt über Verbrauchertäuschung zu sprechen würde zunehmend über Verbraucher-Enttäuschung diskutiert, stellte Professor Olaf Sosnitza, wissenschaftlicher Leiter der Veranstaltung fest. Statt der Irreführung, würde die gefühlte Irreführung immer mehr zum Maßstab.

Glaubwürdigkeit hängt nicht davon ab, ob etwas wirklich wahr ist, meint Lönneker. Sie entsteht vielmehr dadurch, dass Realität im gewünschten Sinne gestaltet und behandelt wird. Es gäbe auch keine Glaubwürdigkeit „an und für sich“, sie sei abhängig von den Erwartungen des „Zeitgeistes“ – und der habe sich in den letzten Jahren fundamental gewandelt. „Wir leben in einer Zeit des Paradigmenwechsels“, meint der Marktforscher. So wird alles glaubwürdig, was heute ein Stück mehr Gemeinschaft, Regulation, Egoüberwindung und Wärme verspricht.

Gesa Maschkowski, www.aid.de

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