Anfälligkeit für wiederholte Depression lässt sich berechnen

Ob man an immer wieder auftretenden Depressionen erkrankt, hängt nicht vom Zufall ab. Neurowissenschaftler der Mercator Forschergruppe „Strukturen des Gedächtnisses“ verfolgen mit ihrer Forschung einen ganz neuen Ansatz und nutzen computerbasierte Rechenmodelle zur Untersuchung der Krankheit. Diese zeigen: Die ungünstige Kombination bestimmter innerer und äußerer Einflüsse führt zu chronischer Depression. Das Journal PLoS ONE veröffentlichte die Ergebnisse dieser Arbeit.

Jeder Fünfte erleidet eine Depression

Selver Demic und seine Kollegen von der Mercator Forschergruppe wollen mehr über die Ursachen von Depression herausfinden. „Ungefähr 20 Prozent der Bevölkerung erleiden irgendwann im Leben eine depressive Episode“, so Demic. „Innerhalb dieser 20 Prozent gibt es Menschen, die nach einer einmaligen Depression nie wieder Probleme haben. Der andere Teil jedoch leidet trotz Medikamenteneinnahme wiederholt oder chronisch unter der Krankheit. Wir wollten mit unserem Modell die beobachteten Vorfalls- und Rückfallhäufigkeiten erklären.“

Unglückliche Kombination von Faktoren

Demic nutzte Parameter wie Vergesslichkeit, innere Einstellung und die Aktivität des körper-eigenen Stimmungsaufhellers Serotonin, die als Ursachen für Depression bekannt sind. Auch äußere Einflüsse wie Familie und Beruf gehörten dazu. Im Unterschied zu bisherigen Forschungen integrierte er diese Faktoren in ein einziges Modell. Danach war klar: Eine Er-klärung für die beobachteten Häufigkeiten fand sich nur bei der Annahme von zwei unter-schiedlichen Gruppen von Patienten. Eine Hochrisikogruppe, deren Parameter so unglück-lich liegen, dass sie wiederholt unter Depressionen leiden werden. Und eine andere Gruppe, die nur im Ausnahmefall erkrankt.

Verschiedene Stadien der Krankheit

Ein weiteres Anliegen der Wissenschaftler war es, eine systematische und auf objektiven Tat-sachen basierte Definition der verschiedenen Krankheitsstadien einer Depression zu erstellen. Bereits in der Vergangenheit einigten sich Psychologen und Ärzte auf verschiedene Pha-sen: Die depressive Episode, die festgestellt wird, nachdem die charakteristischen Symptome wie Antriebslosigkeit und Traurigkeit mindestens 14 Tage angehalten haben. Die Erholungsphase, von der man spricht, wenn der Patient mindestens ein halbes Jahr lang keine Symp-tome zeigt. Und die Remissions- beziehungsweise Rückfallphase, wenn zwischen zwei depressiven Episoden weniger als ein halbes Jahr liegt.

Objektive Tatsachen statt Intuition

„Bei der Entscheidung, in welcher Phase ein Patient gerade ist, fließen jedoch auch immer Intuition und Erfahrungswerte des Psychologen oder Arztes mit ein. So ist es zum Beispiel oft unklar, ob ein Patient in der Remission oder in der Erholung ist, wenn er in sechs Monaten einige wenige Tage lang depressive Symptome zeigt“, weiß Demic. Der Neurowissen-schaftler entwickelte daher ein mathematisches Modell, einen sogenannten endlichen Zustandsautomaten. Dieses Werkzeug wird jeden Tag mit Daten über den Zustand eines Patienten gespeist. Daraus berechnet der Zustandsautomat als Ergebnis des Zeitverlaufs, in welchem Krankheitsstadium sich der Patient befindet.

Diskussion erwünscht

„Unser Ansatz, Depression zu verstehen, ist ein ganz neuer“, so Demic. „Wir erwarten also eine rege Diskussion mit Ärzten, Psychologen und anderen Wissenschaftlern. Wichtig ist jedoch, dass wir das Potenzial von computerbasierten Modellen für die Erforschung von Depression aufgezeigt haben.“

Titelaufnahme

Demic S and Cheng S (2014), Modeling the dynamics of disease states in depression, PLoS ONE, DOI: 10.1371/journal.pone.0110358

Über die Mercator Forschergruppe „Strukturen des Gedächtnisses“

In einem gemeinsamen Projekt mit der Stiftung Mercator hat die Ruhr-Universität Bochum die Mercator Forschergruppe „Strukturen des Gedächtnisses“ eingerichtet. Das Team aus experimentellen und theoretischen Neurowissenschaftlern sowie Philosophen untersucht seit 2010 episodische und semantische Gedächtnisprozesse und ihre Beziehungen zu anderen kognitiven Funktionen. Die Professoren bilden ein unabhängiges Forschungsteam und sind dafür mit exzellenter Infrastruktur und zusätzlichem Personal ausgestattet.

Quelle/Text/Redaktion: Raffalea Römer, www.ruhr-uni-bochum.de

Unsere Art zu Gehen beeinflusst, was wir uns merken

Prof. Dr. Johannes Michalak (Foto:Appelhans)
Prof. Dr. Johannes Michalak (Foto:Appelhans)

Wer mit hängenden Schultern dahinschlurft, wird sich eher an negative Dinge erinnern, wer fröhlich läuft, kann sich eher positive Dinge merken – so kann man die Studie von Prof. Dr. Johannes Michalak von der Universität Witten/Herdecke zusammenfassen. Er hat sie mit Kollegen von der Kanadischen Queen’s University nun veröffentlicht. (Abstract unter http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0005791614000809)

„Viele Studien belegen, dass Bewegung bei Depressionen hilfreich ist, gehen, laufen, wandern. Wir wollten wissen, ob auch die Art des Ganges Einfluss auf depressionsrelevante Prozesse hat“, beschreibt Prof. Dr. Johannes Michalak, Psychologe an der Universität Witten/Herdecke, den Ansatz. Aus früheren Untersuchungen wissen die Forscher, wie Depressive und nicht Depressive gehen (http://biomotionlab.ca/Demos/BMLdepression.html). In der aktuellen Untersuchung haben sie das Gangmuster der Probanden (39 Studierende) so verändert, dass sie entweder fröhlicher oder depressiver gelaufen sind als normal.

Dann haben sie ihnen positive (z.B. mutig, attraktiv) oder negative Wörter (z.B. langweilig, dumm) dargeboten und sie sollten entscheiden, ob sie diese Wörter beschreiben. Nach acht Minuten wurde dann ein nicht angekündigter Gedächtnistest durchgeführt. Probanden, die depressiv gelaufen sind, haben mehr negative Wörter behalten (ein Muster, das auch immer wieder bei Depressiven gefunden wird), während Probanden, die fröhlich gelaufen sind, sich mehr positive Wörter gemerkt haben.

„Das zeigt uns, dass unsere Art sich zu bewegen Auswirkung darauf hat, ob wir eher positive oder negative Informationen verarbeiten. Es gibt also einen Zusammenhang zwischen Körper, hier der Gangart, und der Psyche, hier der Art, welche Informationen wir uns merken. Solche Ergebnisse könnten in Zukunft dazu verwendet werden, Behandlungsmöglichkeiten für Depressionen zu entwickeln, die über eine Veränderungen von körperlichen Prozessen wirken“, erklärt Michalak.

Weitere Informationen bei Prof. Dr. Johannes Michalak, 02302- 926 787, johannes.michalak@uni-wh.de

Quelle/Text/Redaktion: www.uni-wh.de

Autokindersitze: Sechs von zehn sind mangelhaft

Foto: test.de
Foto: test.de

Günstige Autokindersitze schonen zwar das Portemonnaie der Eltern, aber die meisten preiswerten Modelle im Test bieten den Kindern keinen ausreichenden Schutz. Zu diesem Ergebnis kommt die Stiftung Warentest in der November-Ausgabe der Zeitschrift test. Dafür hat sie zehn Kindersitze zwischen 30 und 70 Euro untersucht. Sechs schneiden „mangelhaft“ ab.

Fünf der getesteten Sitze versagten in der Unfallsicherheit – neben dem Nania Safety Paris SP gleich drei Modelle von United-Kids und eines von Tiggo. Überdies enthält einer der United-Kids-Sitze in seinem Bezugsstoff auch zu viel polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK).

Ursache für das „mangelhafte“ Abschneiden der meisten Modelle sind ihre abnehmbaren Rückenlehnen. Folgt man den Herstellerangaben und nimmt diese schon ab einem Kinder-Gewicht von 15 bzw. 22 Kilo ab, haben die Kleinen keine Kopfstütze, die sie bei einem Seitenaufprall schützt. Bei den billigen Autokindersitzen im Test erreicht nur die für Gurtmontage vorgesehene Babyschale Nania Beone SP für 59 Euro ein „Gut“.

Weitere gute Modelle lassen sich unter www.test.de/kindersitze finden. Die Online-Datenbank enthält 280 getestete Kindersitze. Die November-Ausgabe 2014  der Zeitschrift test ist am Kiosk erhältlich.

Übergewicht lässt die Leber schneller altern

Foto: www.uniklinikum-dresden.de
Foto: www.uniklinikum-dresden.de

Erstmals ist es Ärzten und Wissenschaftlern des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden sowie der in Los Angeles beheimateten University of California gelungen, das biologische Alter verschiedener Gewebe innerhalb des menschlichen Organismus zu vergleichen. Die Ergebnisse wurden am Montagabend (13. Oktober) in der aktuellen online-Ausgabe der „Proceedings of the National Academy of Sciences of the USA“ veröffentlicht.

Ziel des Forschungsprojekts war es, genauere Erkenntnisse über den Zusammenhang von Übergewicht und gesundheitlichen Risiken bestimmter Organe zu erhalten. Dafür nutzten die Forscher den Ansatz der sogenannten epigenetischen Uhr. Für das Forscherteam überraschend war es auch, dass nur bei den Leberzellen ein Zusammenhang zwischen Übergewicht und einem schnelleren Altern des Organs besteht. Dieser Befund könnte helfen, das erhöhte Risiko von Fettleibigen zu erklären, an Leberkrebs zu erkranken.

Die wichtigsten Risikofaktoren für viele Zivilisationserkrankungen sind Übergewicht und Alter. Damit liegt es für die Wissenschaftler nahe, diese beiden Faktoren gezielt zu untersuchen und insbesondere zu schauen, ob bestimmte Gewebe oder der Körper insgesamt bei übergewichtigen Menschen schneller altern. Bisher war es den Wissenschaftler lediglich möglich, das Altern eines einzelnen Gewebes gut zu untersuchen. Aber insbesondere der Vergleich des Gewebealters zwischen verschiedenen Organen war bisher eine Herausforderung.

Hier kam den Forschern die „epigenetische Uhr“ zu Hilfe, die der Biostatistiker Steve Horvath von der Unversity of California jüngst entwickelte: Durch die Analyse von Veränderungen an der Erbsubstanz lässt sich zumindest das Altern der genetischen Informationsverpackung in der Zelle sehr gut messen. So war es Forschern aus Kiel und Dresden gemeinsam mit Ihrem Kollegen aus den USA möglich, erstmals eine ganze Reihe von Geweben wie Blut, Muskel, Fettgewebe und auch Leber auf ihr Alter sowohl bei Normalgewichtigen als auch überwichtigen und fettleibigen Patienten zu prüfen.

„Überraschenderweise sahen wir ein vorzeitiges Altern nur in der Leber übergewichtiger Patienten“, sagt Prof. Jochen Hampe, Leiter des Bereiches Gastroenterologie und Hepatologie an der Medizinischen Klinik I des Uniklinikums Dresden. Dieses vorzeitige Altern konnte auch nach Gewichtsabnahme nicht wieder zurückgenommen werden – die Leber „merkt“ sich also ihr Alter – zumindest in den von den Forschern bisher untersuchten Zeiträumen. In Zahlen gemessen, wäre beispielsweise die Leber bei einer 100 Kilo schweren Frau mit einer Größe von 1,65 Metern etwa drei Jahre älter als bei einem Körpergewicht von 70 Kilo. „Diese Befunde werfen natürlich eine Reihe von Fragen auf.

Zum einen könnte dieses schnellere Altern der Leber erklären, warum bestimmte Erkrankungen wie beispielsweise Leberkrebs bei Überwichtigen deutlich häufiger vorkommen als bei schlanken Personen“, sagt Prof. Clemens Schafmayer, der Klinik für Allgemeine, Viszeral-, Thorax-, Transplantations- und Kinderchirurgie des Universitätsklinikums Schleswig Holstein, Campus Kiel. „Andererseits stehen wir beim tieferen Verständnis der Alterungsprozesse erst ganz am Anfang“, ergänzt Prof. Jochen Hampe: „Wir gehen jetzt natürlich den Mechanismen dieser Alterungsprozesse auf den Grund, um dort irgendwann auch therapeutisch eingreifen zu können. Bis dahin sind die Befunde zunächst nur ein Argument mehr, sich um ein normales Körpergewicht zu bemühen.“

„Wir freuen uns, dass unsere interdisziplinäre Forschung im Bereich der metabolischen Lebererkrankungen nun erste internationale Früchte trägt. Das ist für uns eine große Motivation, gemeinsam mit unseren Partnern aus der Inneren Medizin, der Humangenetik und Pathologie erfolgreich weiter zu arbeiten“, sagt Prof. Thomas Becker, Direktor der Klinik für Allgemeine, Viszeral-, Thorax-, Transplantations- und Kinderchirurgie des Universitätsklinikums Schleswig Holstein, Campus Kiel.

Die Ergebnisse des Forschungsprojekts sind unter dem Titel „Obesity accelerates epigenetic aging of human liver“ am Montagabend (13. Oktober) im renommierten Fachjournal “Proceedings of the National Academy of Sciences of the USA” (www.pnas.org/cgi/doi/10.1073/pnas.1412759111) erschienen. Das über mehr als fünf Jahre angelegte Forschungsprojekt wurde das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der Systembiologieinitiative „Die virtuelle Leber“ gefördert. In den USA haben die „National Institutes of Health“ öffentliche Mittel für diese Forschungen bereitgestellt.

Weitere Informationen
www.virtual-liver.de

Quelle/Text/Redaktion: www.uniklinikum-dresden.de

 

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