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Chronisch entzündliche Darmerkrankungen

Chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED) wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa verursachen chronischen Durchfall und krampfartige Bauchschmerzen, die die Lebensqualität der Betroffenen stark einschränken. In Deutschland geht man davon aus, dass mittlerweile mehr als 500.000 Patienten an CED leiden.

Trotz großer Forschungsanstrengungen sind CED derzeit nicht heilbar, insbesondere auch aufgrund unzureichender Kenntnis der Krankheitsursachen. Eine seit langem bestehende Hypothese besagt, dass der bei CED-Patienten häufig auftretende Energiemangel in Epithelzellen der Darmschleimhaut maßgeblich für das Versagen der Barrierefunktion des Darms ist. Auf diese Weise wird das Eindringen von Bakterien in die Darmwand begünstigt, welches zu einer chronischen Entzündungsreaktion führt.

Als eine Ursache für den intestinalen Energiemangel wird seit langem eine Funktionseinschränkung in den Kraftwerken der Zelle, den Mitochondrien, diskutiert. Allerdings konnte dieses bisher experimentell noch nicht bewiesen werden.

Eine aktuelle Studie, die von einem Lübecker Forscherteam initiiert und in diesen Wochen in der renommierten Fachzeitschrift „Gastroenterology“ veröffentlicht wird, konnte nun erstmals an Mäusen zeigen, dass Genvariationen in Mitochondrien den Energiestoffwechsel in Epithelzellen des Darms beeinflussen.*) Damit verbunden war die Ausprägung einer experimentell erzeugten Darmentzündung in denjenigen Mäusen, die besonders hohe Level des Energieträgers ATP aufwiesen, gegenüber Kontrollmäusen deutlich abgeschwächt.

Als mögliche Folge eines erhöhten ATP Levels im Darm konnten die Wissenschaftler zudem das Vorliegen einer verbesserten Regenerationsfähigkeit von Darmepithelzellen identifizieren. „Diese ist wiederum entscheidend dafür, wie gut ein Organismus sich von dem Einfluss schädlicher Nahrungsbestandteile oder Krankheitserreger erholt“, so der Erstautor der Studie Dr. Florian Bär aus der Medizinischen Klinik I.

Interessanterweise tritt eine reduzierte Regenerationsfähigkeit von Darmepithelzellen auch häufig bei CED-Patienten auf, was die Frage aufwirft, ob Genvariationen im mitochondrialen Genom ursächlich sind. Diese Fragestellung wird aktuell anhand einer Folgestudie bearbeitet, die derzeit an der Medizinischen Klinik I läuft. Hierzu werden in enger Zusammenarbeit mit dem Institut für Medizinische Statistik sowie der Klinik für Dermatologie u.a. genetische Daten von über 3000 Patienten mit CED ausgewertet.

Mitarbeiter dieser Institutionen sind zudem Partner im intrauniversitären Forschungsverbund „Mitochondriale Dysfunktion bei komplexen Erkrankungen“, welcher 2012 mit dem Ziel gegründet wurde, den Einfluss mitochondrialer Funktionsstörungen nicht nur im Rahmen von CED, sondern auch von Koronarer Herzerkrankung, blasenbildenden Hauterkrankungen oder von chronischen Chlamydieninfektion zu untersuchen. Laut verantwortlichem Studienleiter Priv.-Doz. Dr. med. Christian Sina hätte es die die aktuelle Veröffentlichung nicht ohne dieses sogenannte Juniorcluster gegeben, da der Arbeitsaufwand und das breite Methodenspektrum für eine einzelne Arbeitsgruppe kaum zu bewältigen wäre.

Neben den Mitgliedern des Juniorclusters waren noch Lübecker Wissenschaftler aus dem Institut für Anatomie und dem Institut für Systemische Entzündungsforschung beteiligt.
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*  Mitochondrial Gene Polymorphisms That Protect Mice from Colitis.
Bär F, Bochmann W, Widok A, von Medem K, Pagel R, Hirose M, Yu X, Kalies K, König P, Böhm R, Herdegen T, Reinicke AT, Büning J, Lehnert H, Fellermann K, Ibrahim S, Sina C.
Gastroenterology. 2013 Jul 18. doi:pii: S0016-5085(13)01043-3. 10.1053/j.gastro.2013.07.015. [Epub ahead of print] PMID:23872498

Wirtsgenom steuert Hautflora und Entzündung

Zahlreiche neuere Studien haben einen Zusammenhang zwischen der Darmflora und verschiedenen Erkrankungen wie zum Beispiel Adipositas bei Diabetes gezeigt. Doch über die Regulierung der Zusammensetzung von Haut- und Darmflora ist bisher wenig bekannt. Professor John Baines, Saleh Ibrahim und ihre Kolleginnen und Kollegen des Exzellenzclusters Entzündungsforschung („Inflammation at Interfaces“) haben nun herausgefunden, dass die Zusammensetzung der Hautflora vom Wirtsgenom gesteuert wird und dass Hautbakterien einen größeren Einfluss auf entzündliche Erkrankungen haben als bisher angenommen wurde.

Prof. Dr. Saleh Ibrahim © Universität Lübeck
Prof. Dr. Saleh Ibrahim
© Universität Lübeck

Ihre bahnbrechenden Forschungsergebnisse ebnen den Weg zur Identifizierung von Genvarianten, die die Hautflora beeinflussen, sowie zur Präzisierung ihrer Verbindung zu verschiedenen Erkrankungen wie zum Beispiel entzündlichen Hautkrankheiten. Die Studie wurde am 17. September 2013 in der Online-Fachzeitschrift „Nature Communications“ veröffentlicht.

Der menschliche Körper weist mehr Bakterien als menschliche Zellen auf. Die meisten dieser Bakterien umfassen sowohl die normale Darm- als auch die Hautflora. Die Anfälligkeit für chronisch-entzündliche Erkrankungen wird von immungenetischen und umweltbedingten Risikofaktoren bestimmt, die mikrobielle Besiedlungen einschließen. Ob diese Unterschiede von primär ursächlicher Bedeutung oder der veränderten Entzündungsumgebung untergeordnet sind, bleibt weitgehend unbekannt.

© Universität Lübeck
© Universität Lübeck

Die Entzündungscluster-Forschungsgruppen unter der Leitung von Saleh Ibrahim, Universität zu Lübeck, und John Baines, Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie und Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, setzten die Genomvariationen hunderter Mäuse, die zum Teil entzündliche Hauterkrankungen ausbilden, mit der Hautflora in Beziehung. Sie konnten im Mäusemodell bei einer durch Autoantikörper verursachten entzündlichen Hauterkrankung nachweisen, dass Wechselwirkungen zwischen Wirtsgenomen und Mikrobiota das Erkrankungsrisiko erhöhen. Darüber hinaus konnten sie genetische Loci identifizieren, die zu Variabilität der Hautflora, zur Anfälligkeit für Hautentzündungen und ihrer Überlappung beitragen. Die Mehrzahl der identifizierten mikrobiellen Besiedlungen zeichnet sich durch abnehmende Häufigkeit bei einem erhöhten Erkrankungsrisiko aus, ein Nachweis für deren vorrangige Rolle bei der Krankheitsvorbeugung.

Diese Erkenntnisse bieten ein vielversprechendes Potenzial zur Verwendung dieser probiotischen Spezies für die Entwicklung vorbeugender und therapeutischer Behandlungen. John Baines hierzu: „Es scheint, dass die Hautflora ein Phänotyp ist, der teilweise von Variationen des Wirtsgenoms gesteuert wird. Dies wiederum begünstigt die Entwicklung der Erkrankung. Je mehr wir über diese Wechselwirkungen in Erfahrung bringen, desto mehr Möglichkeiten haben wir für bessere und individualisierte Behandlung und Vorbeugung entzündlicher Hauterkrankungen.“

Die Ergebnisse der Studie sind zurzeit verfügbar auf dem Webauftritt der renommierten Fachzeitschrift Nature Communications:
Genome-wide mapping of gene-microbiota interactions in susceptibility to autoimmune skin blistering. DOI: 10.1038/ncomms3462

Der Exzellenzcluster „Inflammation at Interfaces“

Der Exzellenzcluster Entzündungsforschung („Inflammation at Interfaces“) verfolgt einen einzigartigen interdisziplinären Forschungsansatz, um die Ursachen chronischer Entzündungen zu entschlüsseln und Therapien dagegen zu entwickeln. Die Forschungsgemeinschaft bringt die Kompetenzen von etwa 300 Forschenden aus Genetik, Biologie, Ernährungswissenschaften und Medizin der Universitäten Kiel und Lübeck, des Forschungszentrums Borstel und des Max-Planck-Instituts für Evolutionsbiologie in Plön zusammen.

Allein in Deutschland leiden Millionen Menschen an chronischen Entzündungen der Lunge (Asthma), der Haut (Psoriasis) und des Darms (Morbus Crohn). Auslöser ist eine Störung des Immunsystems: Es aktiviert unaufhörlich Entzündungsmediatoren und Abwehrzellen, wodurch gesundes Gewebe zerstört wird. Die Zahl der Leidenden steigt Tag für Tag. Dieses Phänomen der modernen Zivilisation ist zur Herausforderung für die Medizin im 21. Jahrhundert geworden. Dementsprechend haben die Bundesregierung und die Deutsche Forschungsgemeinschaft im Jahre 2007 die Entschlüsselung des komplexen Entzündungsmechanismus zum nationalen wissenschaftlichen Schwerpunkt erklärt.

Prostatakrebs – Großstudie vergleicht Behandlungsmöglichkeiten

Ein Großteil der Patienten mit Prostatakrebs hat einen lokal begrenzten Tumor – und damit die Qual der Wahl zwischen mehreren Behandlungsmethoden, die sowohl Vor- als auch Nachteile haben. „Wie wirksam die gängigen Behandlungsformen beim lokal begrenzten Prostatakrebs im direkten Vergleich sind, wird nun erstmals in der Studie PREFERE untersucht“, sagt Dr. Gerhard Schillinger, Leiter des Stabs Medizin im AOK-Bundesverband. Die PREFERE-Studie, die bis 2030 läuft, ist ein Großprojekt: 7.600 Patienten sollen in die Studie eingeschlossen werden. Zahlreiche niedergelassene Urologen und Strahlentherapeuten und Krankenhäuser beteiligen sich bundesweit.

Die Studienleitung haben Professor Dr. Michael Stöckle von der Universität Homburg/Saar (Urologie) und Professor Dr. Thomas Wiegel von der Universität Ulm (Strahlentherapie). Finanziert wird das Projekt von der Deutschen Krebshilfe sowie den gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen. Zu den Initiatoren gehören außerdem die Deutsche Gesellschaft für Urologie, die Deutsche Gesellschaft für Radioonkologie, der Berufsverband Deutscher Urologen, die Deutsche Krebsgesellschaft und der Bundesverband Prostatakrebs Selbsthilfe.

Therapie auf höchstem medizinischen Niveau

„Die Patienten werden nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen behandelt und erhalten eine Therapie auf höchstem medizinischen Niveau“, betont AOK-Arzt Schillinger. Ihre Betreuung übernehmen erfahrene Spezialisten in ausgewiesenen Studienzentren.
Ein wichtiger Bestandteil der Studie ist die sorgfältige Aufklärung der Patienten über die verschiedenen möglichen Behandlungsmethoden mit eigens dafür entwickelten Materialien. Nach dem Zufallsprinzip werden die Patienten einer der vier gängigen Behandlungsformen bei lokal begrenztem Prostatakrebs mit geringem und frühem mittleren Risiko zugeteilt.

„Da es bislang keine Studienergebnisse gibt, die eine Überlegenheit einer der Behandlungsoptionen gegenüber den anderen belegen, sollten möglichst viele der Patienten für alle Therapiemöglichkeiten offen sein“, sagt Schillinger. Möglich ist es allerdings, nach der Aufklärung durch den Arzt eine oder maximal zwei der vier Behandlungsalternativen von vornherein auszuschließen. Die vier Alternativen sind

  • die vollständige operative Entfernung der Prostata,
  • die Strahlentherapie von außen über die Haut,
  • die Bestrahlung durch dauerhaft in der Prostata platzierte Strahlen­quellen (Brachytherapie) sowie
  • die aktive Überwachung mit regelmäßigen Kontrollen, bei der eine weitere Therapie erst bei einem erkennbaren Fortschreiten der
  • Krankheit beginnt.

Operation hat Vor- und Nachteile

Wird ein auf die Prostata begrenzter Tumor festgestellt, erfolgt in den meisten Fällen eine vollständige operative Entfernung der Prostata und der Samenblasen. Die sogenannte Prostatektomie bietet wie auch die anderen untersuchten Therapieoptionen gute Heilungschancen. Die Nachteile einer Operation: Manche Patienten leiden nach dem Eingriff unter Problemen beim Wasserlassen und Impotenz, in zehn bis 40 Prozent der Fälle unter ungewolltem Urinabgang (Harninkontinenz).

Zwar kann die Potenz durch nervenschonende Verfahren erhalten werden, diese können jedoch nur bei ausgewählten Patienten angewendet werden, bei denen man sicher sein kann, dass nicht durch den Erhalt der Nerven auch Tumorgewebe zurückbleiben kann. Bei der nervenschonenden Operation kann bei etwa der Hälfte der so operierten Patienten die Potenz erhalten werden.

Bestrahlung von außen über die Haut

Mit einer in der Regel ambulanten Bestrahlung kann der lokal begrenzte Prostatakrebs mit niedrigem Risiko ebenfalls geheilt werden. Bei der Bestrahlung von außen über die Haut wird zunächst die Lage des Tumors ermittelt, bevor energiereiche, ionisierende Strahlung direkt auf die Prostata gerichtet wird. Ziel ist es, Tumorzellen zu zerstören und gesundes Gewebe möglichst vor Schäden zu schützen.
Patienten erhalten nie die gesamte Dosis auf einmal; sie wird meist in einem Zeitraum von etwa acht Wochen auf fünf Bestrahlungen pro Woche aufgeteilt. So kann man die Tumorzellen nach und nach in ihrer empfindlichen Phase der Zellteilung mit der Strahlentherapie zerstören.

Als Folgen dieser Behandlungsform können Strahlenschäden der Blase, der  Harnröhre und des Enddarms auftreten. Eine Impotenz tritt etwas seltener auf als bei der Operation; allerdings sind auch bei der Strahlentherapie hiervon etwa 60 Prozent der Männer betroffen, jüngere deutlich seltener als ältere.

Bestrahlung von innen

Eine weitere Alternative ist die Brachytherapie oder permanente Seed Implantation. Dabei werden unter einer leichten Narkose über Hohlnadeln kleine Mengen radioaktiven Materials, auch Seeds genannt, in das Prostatagewebe eingebracht und bestrahlen von innen den Tumor. Die Strahlen sollen so den Tumor direkt erreichen und möglichst wenig das umliegende gesunde Gewebe schädigen. Die Strahlungsintensität ist so gering, dass keine Gefahr für andere Menschen besteht. In den ersten Tagen nach dem Eingriff sollten die Patienten lediglich sehr engen Kontakt mit Schwangeren und Kindern vermeiden. Die Risiken dieser Methode – Schädigungen an Enddarm, Blase sowie Impotenz – scheinen denen der Strahlentherapie von außen vergleichbar zu sein.

Aktive Überwachung

Die durch die Früherkennung immer größere Zahl von Patienten mit niedrigem Tumorstadium führte zur Forderung nach weniger aggressiven Therapien. Bei der „aktiven Überwachung“ (active surveillance) kann die aggressive Therapie oft bis zu zehn Jahre aufgeschoben werden, bis ein Voranschreiten des Tumors nachgewiesen ist. Dabei erfolgt eine engmaschige Kontrolle von Laborparametern und von Probeentnahmen.
Viele Patienten mit Prostatakrebs können sich zunächst nicht vorstellen, nach der Diagnose erst mal nichts zu tun.

„Dabei ist die aktive Überwachung ebenfalls eine gängige Behandlungsmethode“, sagt AOK-Experte Schillinger. „Dadurch lässt sich eine Übertherapie bei langsam wachsenden Tumoren vermeiden und die mit den anderen Therapien verbundenen Risiken und Nebenwirkungen über Jahre hinauszögern“, nennt Schillinger die Vorteile. Schreitet die Erkrankung voran, setzt eine Behandlung ein, die auf Heilung abzielt. Die Daten der so behandelten Patienten geben einen guten Hinweis, dass die Gefahr, aggressive Tumore mit dieser Strategie zu spät zu therapieren, gering ist. Daher wurde diese aktive Therapie als vierte Behandlungsalternative in die PREFERE-Studie aufgenommen.

Arzneimittel im Alter: Medikamente können krank machen

Viele Medikamente schaden älteren Menschen mehr als sie nützen, stellen die Experten der Stiftung Warentest in der September-Ausgabe der Zeitschrift test fest. Nebenwirkungen und Überdosierung sind bei jedem Medikament möglich. Doch einige Mittel können im Alter besonders schaden.

Schätzungsweise 10 bis 15 Prozent der Klinikeinweisungen älterer Menschen sind durch Arzneimittel bedingt. Besonders heikle Arzneistoffe und mögliche Alternativen stehen auf der Priscus-Liste. Dort werden 83 im Alter problematische Arzneistoffe aufgeführt. Die Zeitschrift test stellt diese vor und nennt jene Alternativen, die laut der Bewertung der Stiftung Warentest „geeignet“ sind.

Ein weiteres Problem für ältere Menschen ist, dass krankheitsbedingt oft mehrere Medikamente erforderlich sind. Laut einer Umfrage auf test.de nimmt gut jeder Dritte über 65 mehr als fünf Medikamente täglich zu sich, jeder Zehnte sogar acht und mehr. Mit jedem Präparat steigt allerdings das Risiko für Wechselwirkungen. Diese bremsen erwünschte Effekte aus oder kurbeln unerwünschte an. Deshalb ist es wichtig, dass Hausärzte den Medikamenten-Mix regelmäßig überprüfen. Auch Apotheker könnten helfen, indem sie auf Wechselwirkungen achten.

Der ausführliche Artikel Arzneimittel im Alter ist unter www.test.de/arznei-im-alter abrufbar.

 

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