Einem internationalen Forscherverbund ist es gelungen, die Überlebenschancen von Lungenkrebspatienten beträchtlich zu erhöhen – bei manchen Lungenkrebsarten sogar um das Dreifache. Möglich wurde dies durch moderne molekulargenetische Diagnoseverfahren, mit denen die Wissenschaftler Tumoren besser klassifizieren und die Therapie entsprechend anpassen konnten. Teil des Forscherteams aus 10 verschiedenen Ländern waren auch Wissenschaftler des Centrums für Integrierte Onkologie Köln/Bonn (CIO) – eines von der Deutschen Krebshilfe geförderten Onkologischen Spitzenzentrums.
Wie bei vielen anderen Krebsarten auch, werden Tumoren der Lunge in mehrere Untergruppen aufgeteilt. Bisher wurden histologische Verfahren eingesetzt, um Lungenkrebstumoren zu klassifizieren – anhand der Beschaffenheit des Tumorgewebes teilte der Arzt den Tumor in die entsprechende Untergruppe ein. Welche Tumorart der jeweilige Patient hat, entscheidet über die Möglichkeiten für seine Therapie.
Professor Dr. Reinhard Büttner, Uniklinik Köln und Vorstandsmitglied des CIO, Professor Dr. Jürgen Wolf, Ärztlicher Leiter des CIO und Professor Dr. Roman Thomas, Leiter der Abteilung Translationale Genomik an der Universität zu Köln, sowie ihre Teams haben nun die Tumoren von mehr als 6.000 Lungenkrebspatienten mit modernsten gentechnischen Methoden erneut untersucht. Das überraschende Ergebnis: In mehr als der Hälfte aller untersuchten Proben konnten sie die ursprüngliche Diagnose ergänzen oder den Tumor sogar in eine gänzlich andere Untergruppe einordnen.
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass es weitaus mehr Untergruppen von Lungentumoren gibt, als bisher angenommen“, erläutert Büttner. „Von dieser Erkenntnis profitieren die Betroffenen: Wir können nun eine viel genauere Diagnose stellen und so die Behandlung stärker auf den Patienten maßschneidern.“
Im CIO werden die neuen Diagnoseverfahren bereits erfolgreich eingesetzt. Die Überlebenschancen von Lungenkrebspatienten, deren Tumoren mittels Gentests klassifiziert wurden und die daraufhin eine viel stärker als bisher maßgeschneiderte Therapie erhalten haben, haben sich damit erheblich verbessert. Bei Patienten, deren Tumoren sich durch sogenannten EGFR-Mutationen oder ALK-Translokationen auszeichnen, verdreifachte sich die Überlebensrate sogar. „Die Deutsche Krebshilfe fördert das CIO als eines von zwölf Onkologischen Spitzenzentren in Deutschland. Nur diese Förderung und die dadurch aufgebauten Strukturen haben uns die Implementierung der Verfahren ermöglicht“, so Büttner. Im Rahmen des Netzwerks Genomische Medizin kooperierten die CIO-Forscher zudem mit zahlreichen Krankenhäusern und niedergelassenen Onkologen in Nordrhein-Westfalen.
Die Krebsforschung arbeitet daran, zielgerichtete Medikamente zu entwickeln, mit denen jeder Krebspatient eine Therapie erhält, die für ihn maßgeschneidert ist. Diesem Ziel sind die Wissenschaftler um Büttner mit ihrer Forschungsarbeit einen weiteren Schritt näher gekommen.
Büttner fordert nun ein Umdenken: „Wir konnten unterstreichen, wie wichtig die Krebsdiagnose mittels moderner gentechnischer Verfahren ist. Zukünftig sollte die Genom-basierte Diagnose als wichtige Ergänzung zum histologischen Verfahren Einzug in die klinische Praxis halten.“
Ihre Ergebnisse haben die Forscher kürzlich im renommierten Fachmagazin „Science Translational Medicine“ vorgestellt.
Publikation: Clinical Lung Cancer Genome Project and Network Genomic Medicine, „A Genomics-Based Classification of Human Lung Tumors“, Science Translational Medicine, DOI: 10.1126/scitranslmed.3006802, Korrespondierende Autoren für die CLCPG und NGM-Konsortien: Jürgen Wolf, Reinhard Büttner und Roman Thomas.
Projektleitung: Prof. Dr. Reinhard Büttner, Institut für Pathologie der Uniklinik Köln, Prof. Dr. Roman Thomas, Abteilung Translationale Genomik an der Universität zu Köln,Prof. Dr. Jürgen Wolf, Klinik I für Innere Medizin, Centrum für Integrierte Onkologie (CIO) an der Uniklinik Köln.
Hintergrundinformation: Onkologische Spitzenzentren
Ziel der von der Deutschen Krebshilfe geförderten Onkologischen Spitzenzentren ist es, die Krebsmedizin bundesweit zu verbessern und auf ein hohes Niveau zu bringen. Das Förderprogramm „Onkologische Spitzenzentren“ ist dabei Teil eines umfassenden, dreistufigen Programms, das die Organisation gemeinsam mit der Deutschen Krebsgesellschaft auf den Weg gebracht hat, um eine Neuorientierung in der Krebsmedizin einzuleiten. In den Onkologischen Spitzenzentren soll die Patientenversorgung inhaltlich und strukturell verbessert werden.
Die hier erarbeiteten Fortschritte und abgestimmten Standards in allen Aspekten der Prävention, Früherkennung, Versorgung und Forschung sollen allen onkologischen Versorgungseinrichtungen des Landes zugänglich gemacht werden. Auf der zweiten Ebene – den so genannten Klinischen Onkologischen Zentren – sollen die abgestimmten Standards zum Wohle der Patienten umgesetzt werden, wobei hier nicht – wie bei den universitären Spitzenzentren – die Forschung im Vordergrund steht. Die dritte Ebene – die Organkrebszentren – rundet das 3-Stufen Konzept ab. Letztlich sollen diese Strukturen dazu führen, dass Krebs-Patienten in Deutschland flächendeckend nach einheitlichen, hohen Qualitätsstandards behandelt und versorgt werden.
Ziel aller Beteiligten ist es, im Jahre 2020 alle Krebspatienten in Deutschland in Zentren zu behandeln, in enger Zusammenarbeit mit der niedergelassenen Ärzteschaft. Die Deutsche Krebshilfe fördert Onkologische Spitzenzentren an den Universitätsstandorten Berlin, Dresden, Düsseldorf, Erlangen, Essen, Frankfurt, Freiburg, Hamburg, Heidelberg, Köln/Bonn, Tübingen und Würzburg mit jeweils einer Million Euro pro Jahr.