Ein Tag vergeht und noch einer, an dem der Bücherstapel einfach liegen bleibt. Die Zeit wird knapp, der Stresspegel steigt. Prüfungszeit ist für viele Menschen Stresszeit. „Lampenfieber zu haben, ist ganz normal vor Prüfungen. Angst und übermäßiger Stress müssen aber nicht sein“, sagt Nicole Lazar, Diplom-Psychologin bei der AOK. Beides lässt sich mit guter Einteilung des Lernstoffs und Zeitmanagement in den Griff bekommen. Ganz wichtig: Zeit für Entspannung gehört auch dazu.
Eigentlich wissen wir es alle: Rechtzeitig mit dem Lernen und Vorbereiten anzufangen, ist das A und O vor jeder Prüfung. Doch auch das kennen viele von uns: Wir tun es trotzdem nicht, was immer ein schlechtes Gewissen und oft Angst nach sich zieht. „Wer das von sich kennt, sollte dafür sorgen, dass er beim nächsten Mal keine Ausreden mehr findet“, sagt Lazar. Das kann dabei helfen:
- Legen Sie einen Termin fest, an dem Sie mit dem Lernen beginnen wollen. Damit die Vorbereitungszeit realistisch ist, muss man sich den Stoff bereits vorher genau anschauen.
- Bitten Sie Freunde oder Familie, Sie an diesen Termin zu erinnern. Wer stark verdrängt oder vor sich herschiebt, sucht sich am besten einen Lernpartner, der zum Termin tatsächlich vor der Tür steht.
- Ist der Anfang geschafft, ist jetzt gutes Zeitmanagement entscheidend. Das bezieht sich aber nicht nur auf das Einteilen der Arbeit, sondern auch darauf, Zeit für Pausen, Entspannung und Erholung einzuplanen.
Der schlimmste Fall: Blackout
Der Schauspieler vergisst seinen Text, der Prüfling die richtige Antwort. Was tun, wenn plötzlich alles Gelernte verschwunden zu sein scheint? Am besten tief durchatmen, sich einmal kurz aus dem Prüfungszimmer wegdenken und zurückkehren, den Prüfer bitten, die Frage noch einmal zu wiederholen – dann ist das Gelernte in der Regel auch wieder da.
„Für das Zeitmanagement muss man sich erst einmal den großen Berg anschauen, den man vor sich sieht. Die schier unüberwindlich erscheinende Menge ist es, die uns oft erst gar nicht anfangen lässt“, sagt Diplom-Psychologin Lazar. Deshalb sind folgende Schritte wichtig, um die Menge in Portionen einzuteilen, die sich bewältigen lassen:
- Stoff in Lerneinheiten einteilen, sei es in Fächer oder Themen. Den besten Überblick liefert eine Mind-Map: Ein großes Plakat mit den wichtigsten Themen und Schlüsselbegriffen auf einen Blick. Hier können Sie markieren, was schon gut sitzt.
- Prioritäten setzen: Womit muss ich anfangen, was kann ich möglicherweise weglassen? Oft ist Mut zur Lücke gefragt.
- Portionen einteilen: Wie viel Zeit habe ich? Wann lerne ich was?
- Was steht neben dem Lernen sonst noch an in dieser Zeit, etwa Arztbesuche oder sonstige Verpflichtungen?
- Pausen, Entspannungs- und Erholungszeiten einbauen: Nach zwei Stunden geht sowieso erst einmal nichts mehr in den Kopf. Machen Sie eine Pause, treffen Sie sich mit Freunden, machen Sie einen Spaziergang oder ein Nickerchen.
- Bauen Sie Zeitpuffer ein. Wenn etwas nicht so klappt wie geplant, entsteht sonst schnell Unruhe.
- Lernen Sie die letzten beiden Tage nichts Neues: Nutzen Sie die Zeit für Wiederholungen und lassen Sie den Stoff sacken, gewinnen Sie Abstand.
Eigenes Verhalten realistisch einschätzen
Für effektives Lernen ist es wichtig, sich selbst und sein Lernverhalten realistisch einzuschätzen. „Morgenmuffel sollten erst gar nicht versuchen, sich um sechs Uhr in der Früh an den Schreibtisch zu setzen. Und wer weiß, dass er beim Alleinlernen immer wieder abdriftet, sollte sich von vornherein einer Lerngruppe anschließen“, rät AOK-Psychologin Lazar. Jeder hat zudem persönliche Ablenkungsfallen: Das Handy, bei dem man bei unliebsamem Lernstoff für jedes Klingeln dankbar ist, oder die Zeitung, die verlockend zur Lektüre auf dem Tisch liegt.
Jeder lernt anders
Wer weiß, welcher Lerntyp er ist, der lernt mit mehr Spaß und besserem Ergebnis. Testen Sie, ob Sie ein Seher, Hörer, Sprecher oder Macher sind:
- Der Seher markiert sich die wichtigsten Textstellen und lernt auch gerne über Bilder, Grafiken oder Mind-Maps.
- Der Hörer profitiert davon, sich die wichtigen Textstellen noch einmal selbst laut vorzulesen. Man kann sich selbst dabei auch aufnehmen und den Stoff immer wieder anhören. Manchen Leuten hilft es zum Beispiel, trockenen Stoff in selbst erdachte spannende Geschichten einzubetten.
- Der Sprecher ist in einer Lerngruppe gut aufgehoben. Die Teilnehmer hören sich gerne gegenseitig ab, üben in Rollenspielen ihre Präsentationen oder trainieren per Quiz.
- Der Macher lernt gerne über Experimente oder Modelle. Ist das nicht möglich, hilft es auch, sich beim Lernen zu bewegen: Gehen, Hüpfen, Radfahren – alles ist möglich.
Wer seinem Gehirn gerade Hochleistungen abverlangt, der sollte auch für gute Hirnnahrung sorgen. „Pizza, Konserven und Cola sind zwar schnell zur Hand, aber schlechte Lernhilfen“, weiß Lazar. Legen Sie sich lieber für die Lernzeit einen Vorrat guter Hirnnahrung an: viel frisches Obst und Gemüse sowie Müsli und Milchprodukte oder auch das klassische „Studentenfutter“. Kochen Sie ausgewogene Mahlzeiten vor und frieren Sie sie ein. So haben Sie während der Prüfungsphase damit keine Arbeit.
Wer jetzt nach viel Lernerei mit Lampenfieber in die Prüfung geht, ist gut gerüstet. Aufregung macht den Körper wachsam und leistungsbereit, das ist nicht schlimm. „Schwierig wird es erst, wenn aus Lampenfieber Prüfungsangst wird, die blockiert und im schlimmsten Fall das Erinnerungsvermögen beeinträchtigt“, sagt die Diplom-Psychologin. Dahinter kann stecken, dass man sich wirklich schlecht vorbereitet hat. Meist sind es jedoch sehr hohe Erwartungen an sich selbst oder die Erwartungen von anderen. Auch Zukunftssorgen können eine Ursache sein. „Wer merkt, dass er in dieses Fahrwasser gerät, oder das bereits von früheren Prüfungen kennt, sollte schnell handeln“, rät Lazar.
Entspannungsübungen können helfen
Regelmäßige Entspannungsübungen wie die Progressive Muskelentspannung oder Yoga helfen dabei. „Wichtig ist es auch, auf das zu blicken, was man schon alles geschafft hat“, sagt Lazar. Wie war es beim letzten Mal? Welche Prüfungen habe ich schon gut hinter mich gebracht? Das stärkt das Selbstvertrauen.
„Nehmen die schlechten Gefühle und Ängste jedoch überhand – und sind sie vor allem ständiger Begleiter jeder Prüfung – dann sollten Sie auf jeden Fall Rat bei Experten suchen“, sagt Lazar. Mit Hilfe kann man den Kreislauf der Angst wieder durchbrechen.