Bio, Regional, Tierwohl?

Welches Fleisch bevorzugen die Verbraucher?

Regional und Bio sind positiv besetzte Begriffe, die im aktuellen Lebensmittelmarketing eine große Rolle spielen. Regional wird häufig als „das neue Bio“ bezeichnet. Der Grund dafür wurde bereits wissenschaftlich untersucht und liegt nahe: Regionale Produkte werden von Verbrauchern oftmals nicht nur mit Attributen wie Nähe, Vertrauenswürdigkeit und Transparenz, sondern auch mit gutem Geschmack, Gesundheit, u. ä. verbunden. Alles, wofür auch Bio steht. Dabei sind regionale Produkte preislich aber in der Regel günstiger als Bio-Produkte.

Neben den beiden schon länger am Markt genutzten Verkaufsargumenten „Bio“ und „Regional“ spielt im Fleischmarketing auch Tierwohl eine zunehmende Rolle. Traditionell wird der Kauf von Bio-Fleisch auch mit artgerechter Haltung und mehr Achtung für das Tier begründet. Man kann also davon ausgehen, dass diejenigen, die Bio kaufen, auch grundsätzlich Wert auf Tierwohl legen. Auch eine Regional-Präferenz von Bio-Käufern ist belegt. Aber gibt es darüber hinaus weitere Zielgruppen, die rein regional- oder tierwohl-orientiert kaufen?

Das sind wichtige Fragen im Fleischmarketing, denen Juniorprofessorin Dr. Birgit Schulze-Ehlers von der Universität Kiel in einer aktuellen Untersuchung nachgeht. Erste Ergebnisse stellte sie in ihrem Vortrag „Bio – Regional – Tierwohl: Konkurrenz oder unterschiedliche Zielgruppen?“ auf der 54. Jahrestagung der Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften im September in Göttingen vor. Grundlage ist eine Online-Befragung aus dem Jahr 2012.

936 der 1.000 Teilnehmer essen Schweinefleisch. Die Hälfte der Befragten war weiblich, der Altersdurchschnitt von 41,9 Jahren liegt unter dem Durchschnitt der Bundesbürger über 18 Jahren. Gefragt wurde nach dem Einkaufsverhalten, welche Fleischarten gekauft werden, wie häufig dabei die Bio-Variante, allgemein zur Einstellung zu Fleischkonsum, Tierwohl, oder Bio-Erzeugnissen.

Die klassische Online-Befragung wurde zudem mit einem Wahlexperiment kombiniert: Die Konsumenten hatten die Wahl zwischen unterschiedlich gekennzeichnetem „Schweineschnitzel“ – von Bio, über aus artgerechter Haltung, aus der Region für die Region, mit Import-Soja oder auch überhaupt keiner Angabe und entsprechenden Preisangaben.

Ergebnis: Bio-Käufer, denen eine Tierwohl-Alternative angeboten wurde, kauften diese eher als andere Konsumenten. Für Nicht-Bio-Käufer ist weder die Auszeichnung „Bio“ ein Kaufargument noch die Auszeichnung „Tierwohl“. Das heißt letztlich, dass Tierwohl und Bio durchaus in Konkurrenz zueinander stehen. Interessant: Frauen haben eine stärkere Bio-Affinität, sind aber nach ersten Ergebnissen nicht stärker regional- oder tierwohlorientiert als Männer. Bei Nicht-Bio-Käufern wirkt sich die regionale Herkunft positiv auf die Kaufentscheidung aus. Daraus schließt Schulze-Ehlers, dass sich die Zielgruppen „Bio“ und „Regional“ nur teilweise überschneiden.

„Über die Anteile von Bio, regionalen Angeboten und Tierwohlprodukten in den Regalen entscheidet am Ende der Handel – sofern es überhaupt entsprechende Angebote der Hersteller gibt“, so Schulze-Ehlers. Denn die Regalfläche ist begrenzt und ein Nebeneinander von drei bis vier Schweinefleisch-Varianten kaum realisierbar. Große Lebensmittelketten haben bereits ihre Regionalkonzepte. Und auch Gastronomen entscheiden sich oft eher für die regionale Herkunft als für Bio, weil sie damit eine insgesamt größere Zielgruppe ansprechen. Ob Tierwohl als zusätzliches Argument noch eine Zielgruppe jenseits der Bio-Käufer anspricht, ist nach den aktuellen Ergebnissen zumindest noch fraglich.

Wichtig: die beschriebenen Ergebnisse beziehen sich auf eine Befragung aus dem Jahr 2012, als es weder Regionalfenster noch das Tierschutzlabel vom Deutschen Tierschutzbund auf dem Markt gab. Daher wurden für die durchgeführten Experimente relativ einfache Kennzeichnungen des Fleisches angenommen. Im Vergleich zum sehr bekannten Bio-Siegel, stellt das möglicherweise eine Verzerrung dar. Dies könnte ein Grund sein, weswegen die bloße Auslobung „Aus artgerechter Haltung“ im Experiment weniger positive Wirkung erzielte, als Befragungen, die nur nach der Wichtigkeit von Tierschutz-Argumenten beim Fleischkauf fragen.

Quelle/Text/Redaktion: Renate Kessen, www.aid.de

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