Casanova! Der Womanizer und seine Brüder

Es war einmal eine schöne Venezianerin, die hatte vier Söhne. Der erste, Giacomo, machte den Familiennamen weltberühmt: Casanova. Der zweite, Francesco, wurde ein gefeierter Maler, dessen Bilder noch heute im Louvre in Paris hängen. Der dritte, Giovanni, ebenso – er wurde Direktor der Kunstakademie in Dresden. Der vierte, Gaetano, war jedoch der geborene Verlierer. Bekannt ist: Giacomo Casanova gilt als größter Schürzenjäger aller Zeiten. Nicht bekannt ist die unglaubliche Brüdergeschichte, die alle verbindet – eine Geschichte wie ein Märchen voll glänzender Erfolge, riskanten Unternehmungen, künstlerischen Sensationen, Galanterien, aber auch Gaunereien und Eifersüchteleien. Der Kunsthistoriker Prof. Dr. Roland Kanz von der Universität Bonn hat erstmals Leben und Werk der Brüder untersucht: Seine Erkenntnisse sind jetzt als Buch erschienen.

 Prof. Dr. Roland Kanz vom Kunsthistorischen Institut der Universität Bonn mit seinem Buch. (c) Jean-Luc Ikelle-Matiba/Uni Bonn

Prof. Dr. Roland Kanz
vom Kunsthistorischen Institut der Universität Bonn mit seinem Buch.
(c) Jean-Luc Ikelle-Matiba/Uni Bonn

Er ist seit 216 Jahren tot und dennoch unsterblich. Sein Name ist kein Name mehr, sondern ein Synomym: „Casanova“ – das ist ein Lebemann, ein Frauenheld, ein Glücksritter. Das Werk dieser zwei fast vergessenen Maler des 18. Jahrhunderts wieder ans Licht zu bringen, ist ein unschätzbarer Gewinn für die Kunstgeschichte. Zusätzlich aber kann auch der berüchtigte Schürzenjäger Teil dieser Aufgabe werden, findet Prof. Kanz. Auch Giacomo Casanova war Meister einer Kunst – wenn auch einer, die heute als Lebenskunst verstanden wird. Die ausgefeilte Galanterie der Höfe des Rokoko – das war eine Mischung aus Umgangsformen und Konversation, Tänzen und Glücksspiel, sexueller Freizügigkeit und sorglosem Luxus. „Der galante höfische Umgang war in ganz Europa gleich“, erläutert Prof. Kanz. „Wer ihn beherrschte, dem öffneten sich alle Türen.“

Der Abenteurer mit und gegen seine Brüder

Der Bonner Experte geht in seiner Untersuchung mehreren neuen Ansätzen nach. „Zunächst ging es mir um das Familiäre – um die problematische Beziehung zwischen den drei Brüdern. Zweitens werden die Leistungen aller Brüder bilanziert: Die Lebensstationen der zwei Maler sind die Angelpunkte; die Erinnerungen Giacomos sind sozusagen die »Kittmasse«. Zudem erscheint auch Giacomo selbst in neuem Licht, wenn man die Perspektiven von Giovanni oder Francesco einnimmt.“ In Giacomos posthum erschienenen Memoiren kommen die Brüder nämlich schlecht weg, er nutzt jede Gelegenheit, die Brüder in ein schlechtes Licht zu setzen: Francescos mit seinen Pleiten bei Frauen, Giovanni als Spießer, Gaetano als Komplettversager.

Die Brüderbiografie des Bonner Kunsthistorikers richtet sich ausdrücklich nicht nur an die Fachwelt. Das Buch ist lebendig und spannend geschrieben, enthält zahlreiche Farbreproduktionen von Werken der malenden Casanovas und geht auch auf die fragwürdigen Charakterzüge der Porträtierten ein.

Giacomos Memoiren: Das teuerste literarische Manuskript aller Zeiten

Wer hoch steigt, fällt tief. Für zwei Brüder ging es bergauf, für die beiden anderen bergab. Francesco reüssierte europaweit mit Schlachtengemälden und Höchstpreisen, Giovanni wurde zum besten Zeichner Roms, später sogar Direktor der Dresdener Kunstakademie. Gaetano starb als Priester nach vielen Pleiten jung und arm. Unglücklich erging es auch Giacomo: „Als die beiden Maler in den 1770er Jahren auf dem Höhepunkt ihrer Karrieren waren, war er schon ziemlich abgehalftert“, sagt Prof. Kanz. Vergebens versuchte sich der Ex-Kavalier als Schriftsteller – „alle publizierten Bücher wurden Flops“. Er verarmte, als langjährige Gönner sich von ihm abwandten oder starben. Seine letzten Lebensjahre verbrachte er als Bibliothekar eines Grafen in Tschechien – für ihn, der Könige und Päpste gekannt hatte, eine Art Verurteilung zum Lebensabend in Langeweile.

Während Francesco und Giovanni Casanova vergessen sind, gelten Giacomos zwölfbändige „Memoiren“ als Weltliteratur ersten Ranges – nicht wegen der Schilderung diverser Liebesabenteuer, sondern als einmaliges Porträt der höfischen Gesellschaft des „Ancien Régime“ vor der französischen Revolution. Die Originalhandschrift ist das teuerste literarische Manuskript aller Zeiten: Die Republik Frankreich erwarb sie vor vier Jahren für mehr als sieben Millionen Euro.

Publikation: Kanz, Roland: Die Brüder Casanova – Künstler und Abenteurer. Deutscher Kunstverlag, 384 S., 24,90 Euro

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