Kategorie-Archiv: Wissen

Dem Medikament auf der Spur

Einem Team von Forschern der Ruhr-Universität um den Biophysiker Prof. Klaus Gerwert ist es gelungen, den Weg eines Arzneimittels bis in eine Zelle hinein genauestens zu verfolgen. Die Wissenschaftler konnten in Zusammenarbeit mit der Onkologin Prof. Anke Reinacher-Schick (St. Josef Hospital Bochum) die verschiedenen Prozesse von Erlotinib (Handelsname Tarceva) in Krebszellen und auf dem Weg dorthin mithilfe der Ramanmikroskopie beobachten. Die Ergebnisse sind in der neuesten Ausgabe des Journals Analyst publiziert.

Per „Carrier“ zum Zielort

Um zu verstehen, wie ein Medikament wirkt, muss nicht nur der Wirkmechanismus verstanden werden, sondern auch die sogenannte Pharmakokinetik, also die Gesamtheit aller Prozesse, denen ein Arzneistoff im Körper unterliegt. Hierzu gehören der Transport zum Wirkort und sein eventueller biochemischer Umbau, der durch den Stoffwechsel bedingt wird. Das Medikament Erlotinib kann oral verabreicht werden und wird bei Lungenkrebs und Bauchspeicheldrüsenkrebs bereits erfolgreich eingesetzt. Damit Erlotinib an seinen Zielort gelangen kann, wird es in einen „Carrier“ gepackt, der es zu seinem Wirkort im Inneren der Krebszelle bringt. Dort kann das Erlotinib ganz gezielt ein bestimmtes Protein binden, das für das Zellwachstum zuständig ist. Diese Bindung kann das aus den Fugen geratene Wachstumssignal innerhalb der Krebszelle gezielt stoppen. Molekulare Therapien, bei denen passgenaue Moleküle gezielt Wachstumssignale der Krebszellen ausschalten, sind für den Patienten meist erheblich nebenwirkungsärmer als die klassische Chemotherapie, da die Wirkung genau an der Stelle der Fehlfunktion eintritt.

Mit der markerfreien Ramanmikroskopie konnte die räumliche Verteilung des Krebsmedikaments Erlotinib innerhalb der Zellen gezeigt werden. Die Raman Bilder zeigen deutlich, dass der Wirkstoff an den membranständigen epidermal growth factor receptor (EGFR-) Proteinen clustert und die Internalisierung des Rezeptors induziert. Die Veränderungen innerhalb der Ramanspektren des freien Erlotinibs und Erlotinibs in der Zelle zeigen, dass eine kleine Untereinheit des Wirkstoffes in der Zelle durch andere Proteine der Krebszelle abgespalten worden ist. © LS Biophysik
Mit der markerfreien Ramanmikroskopie konnte die räumliche Verteilung des Krebsmedikaments Erlotinib innerhalb der Zellen gezeigt werden. Die Raman Bilder zeigen deutlich, dass der Wirkstoff an den membranständigen epidermal growth factor receptor (EGFR-) Proteinen clustert und die Internalisierung des Rezeptors induziert. Die Veränderungen innerhalb der Ramanspektren des freien Erlotinibs und Erlotinibs in der Zelle zeigen, dass eine kleine Untereinheit des Wirkstoffes in der Zelle durch andere Proteine der Krebszelle abgespalten worden ist.
© LS Biophysik

 

Auflösung im Nanometerbereich

Es gibt verschiedene etablierte Methoden, um die Verteilung eines Medikamentes zu untersuchen. Allerdings haben diese Methoden meist eine sehr geringe Ortsauflösung. Es kann nicht erkannt werden, wo genau innerhalb einer Zelle das Molekül angreift. Ferner sind oft komplizierte und störende Markierungen des Moleküls nötig.

Konfokales Ramanmikroskop am Lehrstuhl für Biophysik © LS Biophysik
Konfokales Ramanmikroskop am Lehrstuhl für Biophysik
© LS Biophysik

Diese können die Wirkung beeinflussen oder sogar komplett ausschalten. Im Gegensatz zu den etablierten Methoden kann die konfokale Ramanmikroskopie mit hoher räumlicher Auflösung Moleküle direkt ohne jede Markierung ausfindig machen. Die Auflösung des Ramanmikroskopes liegt bei etwa 500 Nanometern. Das ist 100-mal dünner als ein menschliches Haar. So können nicht nur einzelne Krebszellen, sondern auch Komponenten im Inneren der Zelle unterschieden und somit der Wirkort genau bestimmt werden.

Präzise und nebenwirkungsarm

Das Besondere an der aktuellen Untersuchung ist, dass das Medikament nicht nur erfolgreich in der Zelle lokalisiert werden konnte. Das Raman-Spektrum zeigte auch, dass das Medikament von der Zelle verändert wurde. So ist der Wirkstoff nicht nur von seinem „Carrier“ getrennt worden. Darüber hinaus ist auch noch eine kleine Untereinheit des Wirkstoffes in der Zelle durch andere Proteine der Krebszelle abgespalten worden. „Diese Arbeit zeigt das große Potenzial der Ramanmikroskopie für die Untersuchung von Wirkmechanismen“, so Prof. Klaus Gerwert. Damit können Wirkstoffe noch präziser an die Aufgaben in der Zelle angepasst werden und sind damit mit weniger Nebenwirkungen belastet.

Projektförderung

Fördermittel für das Projekt stammen vom Land NRW im Rahmen des Europäischen Proteinforschungsinstituts PURE, dessen Sprecher Prof. Gerwert ist.

Titelaufnahme

S.F. El-Mashtoly, D. Petersen, H.K. Yosef, A. Mosig, A. Reinacher-Schick, C. Kötting and K. Gerwert (2014): Label-free imaging of drug distribution and metabolism in colon cancer cells by Raman microscopy, Analyst, DOI: 10.1039/C3AN01993D

Link: PURE

Chemiker entwickeln neuartige Funktionsmaterialien für die Wärmespeicherung

Chemiker der Ruhr-Universität Bochum und der Universität Cambridge haben neuartige Metall-Organische Netzwerke entwickelt. Ähnlich einer Flüssigkeit weisen sie eine sehr große thermische Expansion auf, sie sind dennoch Feststoffe. Der thermische Expansionskoeffizient gibt an, wie stark sich ein Material bei Temperaturänderungen ausdehnt oder zusammenzieht. Das verblüffende Phänomen beruht auf dem Wechselspiel der starken und schwachen Kräfte zwischen den geordneten und den ungeordneten molekularen Bausteinen des neuen Materials. Die Forscher berichten darüber in der Zeitschrift „Advanced Functional Materials“.

Ausgangsfrage

Flüssigkeiten reagieren sensibel auf Wärme oder Kälte. Je nach Art der Temperaturänderung steigt oder fällt der gefärbte Alkoholfaden im Thermometer. Hundertmal weniger empfindlich sind dagegen feste Stoffe, Beton oder Stahl zum Beispiel. Dennoch kommt kein Bauwerk ohne Dehnungsfugen aus. Besonders ungewöhnlich verhält sich Wasser, denn es dehnt sich beim Gefrieren aus. Eis schwimmt, Seen frieren von der Oberfläche her zu, und bei 4 °C hat Wasser seine größte Dichte. Kann es feste Stoffe geben, die sich wie Flüssiges verhalten, wenn ihnen heiß oder kalt wird? Und wenn das möglich wäre, was könnte man damit anfangen?

Extreme thermische Expansion

Die Forscher aus Bochum und Cambridge haben einen Trick angewandt, um die thermische Expansionsfähigkeit von sogenannten Metal-Organischen Netzwerken gezielt zu erhöhen. An den geordneten, organischen Baueinheiten des festen Rahmenwerkes wurden zusätzliche Molekülgruppen angebracht. Diese füllen die nanometer-großen Porenräume des Netzwerks teilweise aus. Die Gruppen verhalten sie sich wie eine ungeordnete Flüssigkeit, aber sie können wegen der Bindung an die Porenwände den Raum nicht verlassen.

So überträgt sich ihre Wärmebewegung auf das Netzwerk. Beim Erwärmen bläht sich das feste Material schlagartig um ca. 20% auf. Jedoch bleibt seine kristalline Eigenschaft erhalten. Der Vorgang ist vollständig umkehrbar. Temperaturabhängige Röntgenbeugung und kalorimetrische Messungen ergaben extrem große thermische Expansionskoeffizienten, wie man sie bisher nur von Flüssigkeiten kannte, nicht aber von Feststoffen. Die Art der Seitengruppen hat großen Einfluss auf den Effekt. So spielen Länge und chemischer Charakter die entscheidende Rolle. Durch die gezielte Synthese von „Festen Lösungen“, die verschiedene Seitenketten in zufälliger Verteilung und beliebigen Verhältnissen im Netzwerk vereinen, können thermischen Eigenschaften der Materialien noch genauer kontrolliert werden. Die Erkenntnisse legen Grundlagen für Anwendungen in der Wärmespeicherung und -übertragung sowie der Sensorik.

Flexible Netzwerke

Metall-Organische Netzwerke (kurz MOFs, aus dem Englischen: Metal-Organic Frameworks) sind hochgeordnete (kristalline) Festkörper mit einer dreidimensionalen Netzwerkstruktur. Sie sind aufgebaut aus Metallionen (Knotenpunkte) und verknüpfenden organischen Molekülen (Verbinder; engl. Linker). Die Materialien zeichnen sich durch unvergleichlich hohe Porenvolumina und innere Oberflächen aus. Sie besitzen großes Potenzial für Anwendungen in der Brennstoffspeicherung, bei der Kohlenstoffdioxid-Abtrennung sowie bei der Katalyse. MOFs können flexibel sein und auf äußere Einflüsse mit strukturellen Änderungen reagieren. Bei Aufnahme von Gastmolekülen (z. B. Lösungsmittel oder Gase) „blähen“ die flexiblen MOFs ihre Struktur auf; das erhöht das Speichervermögen.

Projektförderung

Die Fördermittel für die Arbeiten stammen von der Deutsche Forschungsgemeinschaft (SPP 1362 „Metal-Organic Frameworks“, EXC 1069 Exzellenzcluster „Ruhr Explores Solvation“), dem European Research Council, der Ruhr-University Research School und der Fonds der Chemischen Industrie.

Titelaufnahme

S. Henke, A. Schneemann, R. A. Fischer (2013): Massive Anisotropic Thermal Expansion and Thermoreponsive Breathing in Metal-Organic Frameworks Modulated by Linker Functionalization, Advanced Functional Materials, 23, 5990-5996; DOI: 10.1002/adfm.201301256

Redaktion: Arne Dessaul

Wasserwirtschaft in Murcia und Peru

Mehr als 3.000 Sonnenstunden und weniger als 380 mm Niederschlag im Jahr, in den vergangenen Jahren sogar weniger als 300 mm, sprechen nicht für eine Anbauregion für Obst und Gemüse. Dennoch hat es die spanische Region Murcia im vergangenen Jahr geschafft, mehr als 1,5 Millionen Tonnen Obst und Gemüse zu exportieren und sich damit vor Valencia und Almeria als die bedeutendste Anbauregion in Spanien zu etablieren. Der Preis ist hoch: „Wir exportieren Wasser“, sagte Don Joaquin Grinan vom Landwirtschaftsamt Murcia auf der Internationalen Messe Fruit Logistica in Berlin.

Damit Tomaten, Erdbeeren, Paprika und Co. gedeihen, setzt Murcia auf eine breite Wasserversorgung. Der Fluss Segura und Grundwasser sind die natürlichen Wasserquellen. Seit 30 Jahren leitet die Traverse vom 280 Kilometer weiter nördlich fließenden Tejo mit Aquädukten und Tunnel zwischen 30 und 300 Millionen Kubikmeter im Jahr zusätzlich Wasser nach Murcia. Die Regierung entscheidet nach Wasserverfügbarkeit über die umzuleitende Menge. Daher sichert sich Murcia noch Wasser über Entsalzungsanlagen aus dem Mittelmeer und Kläranlagen. Mit 98 Kläranlagen, die nicht älter als zwölf Jahre alt sind, sind es hocheffiziente Rückgewinnungsanlagen, beschreibt Grinan. In den Gewächshäusern wird Wasser zweimal aufgefangen und so insgesamt drei Mal verwendet.

Fast 90 Prozent der Felder arbeiten mit hocheffizienten Tröpfchenbewässerungssystemen und sogar die Wege in den Gewächshäusern sind asphaltiert, um Wasser nicht unnötig versickern zu lassen. Die optimale Bewässerung ist Teil von Ausbildung und Beratung.

Diese Bewässerung hat ihren Preis: Die Gartenbauer müssen je nach Standort zwischen 0,25 und 0,80 Euro je Kubikmeter Wasser bezahlen.

Seit die Landwirte auch in Peru für ihr Wasser bezahlen müssen, sind Erfolge beim sparsamen Umgang sichtbar, ergänzte Francesa Carnesella von der Firma Camposol im Norden von Peru. Erst vor zwei Jahren wurde das erstmals 1960 geplante Staudammprojekt Chavimochic für die Bewässerung verschiedener Regionen beendet. Mehr als 6.000 ha Wüste sind heute eine der wichtigsten Obst- und Gemüseflächen in Peru. Hier wächst ein großer Teil der Avocados, von denen Peru weltweit die meisten exportiert. 80 Prozent des Wassers wird in Peru von der Landwirtschaft genutzt. In vielen Regionen aber nur mit einer Effizienz von 35 Prozent. Daher gilt Chavimochic als Vorzeigeprojekt, das Wasser ausschließlich über Tröpfchenbewässerung verteilt und künftig vom Schweizer Entwicklungshilfeprojekt SuizAgua auf seinen „Wasserfußabdruck“ hin zertifiziert wird.

Roland Krieg, www.aid.de

Aquakultur: Neues Wissensportal

Das Berliner Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) hat eine Informationsplattform zur Aquakultur entwickelt. Auf www.aquakulturinfo.de können sich interessierte Verbraucher, aber auch Züchter, Unternehmer aus Fischwirtschaft und Handel, Politiker und Umweltverbände über die Fischzucht informieren. Das neue Internetportal wurde im Rahmen der EU-Veranstaltung „Nachhaltiger Fischkonsum“ in Hamburg offiziell eröffnet.

Die in Aquakultur gezüchteten Fische, Krebse, Muscheln und Algen werden dargestellt. Zudem bietet das Portal Informationen zu Produktions- und Zuchtmethoden, Tiergesundheit, Futtermitteln und Qualitätssicherung. Auch Prozesstechnik wie zum Beispiel Filtersysteme und kontroverse Themen wie Medikamente in der Aquakultur und artgerechte Tierhaltung werden behandelt. Ein Glossar erläutert Fachbegriffe in diesem Themenbereich. Das Wissensportal wird von einem internationalen Forscherteam unter Leitung des IGB betreut. Die Inhalte basieren auf den Ergebnissen der Aquakulturforschung, werden noch erweitert und laufend aktualisiert.

Heike Kreutz, www.aid.de

Weitere Informationen:
www.aquakulturinfo.de

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