Das größte Gurkenanbaugebiet Deutschlands liegt in Niederbayern, das bekannteste im Spreewald. Die Ernte von Gurken ist aufwändig und arbeitsintensiv. Erleichtert wurde sie, seit so genannte Gurkenflieger eingesetzt werden. Normalerweise rollen diese im „Schlendergang“ über die Gurkenreihen und Saisonarbeiter ernten bäuchlings auf den Ausliegern liegend die Gurken. Bis zu 30 Mal „fliegen“ die Arbeiter auf den 30 Meter langen Auslegern über die Felder. Am Ende ernten sie etwa 75 Tonnen Einlegegurken je Hektar.
Um den heimischen Gurkenanbau zu sichern, tüfteln Techniker an einem Gurkenvollernter. Einen ersten Piloten hat das Leibniz-Institut für Agrartechnik in Potsdam-Bornim (ATB) in der Saison 2013 auf dem Betrieb von Karl-Heinz Frehn im westlichen Spreewald in den Einsatz geschickt. Der Gurkenhof baut Einlegegurken auf 120 Hektar an.
Der Vollernter arbeitet vollkommen anders als der Gurkenflieger: Zwei Paar Walzen liegen im Herzstück der Maschine gegenüber und ziehen gegenläufig rotierend das Laub nach hinten. Die Doppelwalzen sind so eingestellt, dass die Gurken von den Rankpflanzen abscheren und am Ende über einen Ausleger in einen nebenher fahrenden Anhänger fallen. Wie bei der Maisernte.
Was sich einfach anhört, ist aber sehr kompliziert. Der Anpressdruck der Walzen muss stimmen, sonst werden die Gurken zerquetscht, erklärt Dr. Martin Geyer vom ATB. Ziehen die Walzen zu viel Laub ein, schlüpfen die Gurken zwischen den Blättern ebenfalls nach hinten durch und landen wieder auf dem Feld. Mit Verlusten von 20 bis 30 Prozent erinnert der Gurkenvollernter an die ersten Selbstfahrermähdrescher, ergänzt Geyer. Die haben sich am Ende aber auch durchgesetzt. Und das ist wichtig, erläutert Karl-Heinz Frehn.
Discounter kaufen ihre Ware für 0,59 Euro pro Glas ein. Wenn 8,50 Euro Mindestlohn gezahlt werden müssen, dann braucht Frehn 40 Cent mehr für ein Glas Gurken. Das ist fast nur in der Direktvermarktung möglich. Discounter können zudem vielfach auf indische Ware zurückgreifen. Dort liegt der Lohn bei einem Euro am Tag. Der Transport zwischen Bombay und Hamburg belastet ein Glas indischer Gurken lediglich mit einem Cent. Auf die Dauer wird die arbeitsintensive Gurkenernte in Deutschland keine Zukunft haben, prognostiziert Frehn. Pro Hektar beschäftigt er sechs Arbeitskräfte. Der Vollernter ist also für den traditionellen Gurkenanbau im Spreewald offenbar nötig, um mit einer geschützten Marke am Markt bleiben zu können.
Es bleibt aber noch viel zu tun. Während der Gurkenflieger gleichzeitig über 20 Reihen rollt, zerstört der Gurkenvollernter die Pflanze. Wie bei einem Mähwerk schneiden Kreisel die Pflanze über dem Boden ab und führen Laub und Gurke ins Innere der Maschine. 30 Tonnen muss die Maschine schaffen. „Sonst schreibt sie keine schwarzen Zahlen“, sagt Frehn. Derzeit setzt er den Vollernter in Kombination mit dem Gurkenflieger ein. Der letzte Schnitt ist neben der Ernte auch der wissenschaftlichen Analyse und technischen Verbesserungen gewidmet.
Roland Krieg, www.aid.de