Das Sozialverhalten von Bienen ist nicht von einem einzigen Gen abhängig, sondern von einem hochkomplexen Zusammenspiel mehrere Genverbunde. Das hat ein internationales Forscherteam unter Beteiligung von Wissenschaftlern der Universität Hohenheim herausgefunden. Die Forscher haben das Erbgut von zehn Bienen analysiert und miteinander verglichen, um herauszufinden, ob es gemeinsame genetische Grundlagen für das Sozialverhalten unterschiedlicher Bienenarten gibt. Die Ergebnisse ihrer Arbeit wurden gestern Abend im renommierten Wissenschaftsjournal „Science“ veröffentlicht: www.sciencemag.org/content/early/2015/05/13/science.aaa4788.abstract
Für ihre Studie haben die Wissenschaftler aus Europa, Asien und Amerika das Erbgut von zehn Bienenarten verglichen, die unterschiedliche Grade an Sozialverhalten aufzeigen.
„Die verschiedenen Bienenarten haben sehr unterschiedliche Lebensweisen“, erläutert Prof. Dr. Martin Hasselmann, Leiter des Fachgebiets Populationsgenomik bei landwirtschaftlichen Nutztieren an der Universität Hohenheim. „Manche Arten leben allein, andere wie die Honigbiene sind hoch sozial organisiert und durch strikte Arbeitsteilung gekennzeichnet.“
Die Studie, die am Donnerstagabend in „Science“ veröffentlicht wurde, entstand unter Federführung der University of Illinois at Urbana-Champaign und unter Beteiligung zahlreicher internationaler Forschungseinrichtungen, zu denen auch die Universität Hohenheim gehört.
Sozialverhalten nicht von einem Gen abhängig
Für ihre Arbeit haben die Wissenschaftler das Genom, also das Erbgut von fünf Bienenarten erstmals entschlüsselt und auch fünf bereits bekannte Bienen-Genome verwendet.
Zur Überraschung der Forscher stellte sich heraus, dass auch bei komplexen sozialen Organisationen nicht immer dieselben Gene aktiv sind. „Unsere Studie zeigt, dass die Entstehung von komplexem Sozialverhalten nicht von einem oder wenigen Genen abhängt “, erklärt Prof. Dr. Hasselmann.
Gen-Netzwerk reguliert Sozialverhalten
Stattdessen ließen sich Muster in den regulatorischen Netzwerken finden, die für die Aktivität vieler verschiedener Gene zuständig sind. Diese Netzwerke stellen eine Art Verbund mehrerer Gene dar, die zusammen an- oder abgeschaltet werden. Je komplexer die soziale Organisation der Bienen ist, desto größer das Netzwerk an gemeinsam regulierten Genen.
Weiterhin stellten die Forscher fest, dass mit einem zunehmenden Grad der sozialen Organisation die Zahl so genannter Transkriptionsfaktor-Bindestellen zunimmt. Diese Bindestellen sind für die Regulation, also das An- und Abschalten einzelner Gene, notwendig. Auch die Methylierung von Genen nimmt bei komplexen Sozialformen zu. Dabei handelt es sich um einen Mechanismus zur Regulation, der beeinflusst, ob ein Gen aktiviert wird oder nicht.
Universität Hohenheim untersucht Gene zur Geschlechtsbestimmung
Prof. Dr. Martin Hasselmann beschäftigte sich innerhalb des Projektes vor allem mit Genen, die Einfluss auf die Geschlechtsbestimmung der Bienen haben. „Wenn im Bienenvolk Inzucht herrscht, kann ein Teil der Nachkommen eine reduzierte Fitness haben oder sogar nicht überleben“, so Prof. Dr. Hasselmann.
Das Gen, das für die Geschlechtsbestimmung der Bienen verantwortlich ist, müsse hoch variabel sein um den Inzuchteffekt zu verringern: „Für die Honigbiene konnten wir dies in den letzten Jahren schon zeigen, jedoch kann durch die Zerstückelung der Lebensräume auch für Wildbienen Inzucht immer mehr zum Problem werden“, meint der Experte.
Die Frage, welche Bienenarten damit sensitiver auf Umweltfaktoren reagieren als andere, habe nicht nur für den Naturschutz Relevanz, erklärt Prof. Dr. Hasselmann. „Die wirtschaftliche Bedeutung von Wildbienen und Hummeln als wichtige Blütenbestäuber ist immens. Jedoch wissen wir noch zu wenig über die komplexen Interaktionen und deren genetische Vielfalt. Hier können die aktuellen Genomstudien helfen, diese in Zukunft genauer zu analysieren.“
Universität Halle-Wittenberg untersucht springende Gene
Kooperationspartner der Universität Hohenheim ist das Institut für Biologie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU). Prof. Dr. Robin Moritz und PD Dr. Michael Lattorff haben die verschiedenen Bienen-Genome auf so genannte springende Gene untersucht.
„Das sind DNA-Abschnitte, die ihre Position im Genom verändern, also in andere Gene hineinspringen und diese zum Beispiel deaktivieren können“, erklärt Dr. Lattorff.
In sozial komplexeren Bienenarten konnten die Forscher weniger dieser Elemente nachweisen. Ob dies die Ursache für eine komplexe soziale Organisation, oder eine Folge davon ist, ist dabei noch nicht abschließend geklärt.
Hummel-Genome geben Aufschluss
Die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Hasselmann war auch an einer weiteren Publikation beteiligt, die kürzlich im Fachjournal „Genome Biology“ erschienen ist. In dieser Studie haben sich die Forscher speziell mit dem Genom der dunklen Erdhummel und der in Nordamerika beheimateten östlichen Hummel befasst und deren Genome entschlüsselt.
In der Publikation haben die Forscher das Erbgut der beiden Hummeln mit dem der nah verwandten Honigbiene verglichen. „Obwohl die Hummeln eine primitive Sozialstruktur aufweisen, ist ihr Erbgut dem der Honigbiene überraschend ähnlich“, erklärt Prof. Dr. Hasselmann.
Dennoch gibt es geringe Unterschiede: So hat die Honigbiene beispielsweise mehr Gene, die für den Geruchssinn zuständig sind, während bei der Hummel eher der Fokus auf dem Geschmackssinn legt. „Diese minimalen Unterschiede könnten mit der Ausprägung der Arbeitsteilung zusammenhängen“, vermutet der Experte.
Publikationen:
Kapheim et al. 2015. Genomic Signatures of Evolutionary Transitions from Solitary to Group Living. Science, 14.05.2015; DOI: dx.doi.org/10.1126/science.aaa4788
Sadd et al. 2015. The genomes of two key bumblebee species with primitive eusocial organization, Genome Biology; DOI: dx.doi.org/10.1186/s13059-015-0623-3
Text: Elsner / Klebs