Früher Arbeiterdichter kommt zu neuen Ehren

Er war einer der frühen Arbeiterdichter und hatte eine große Leserschaft. Von 1890 bis 1912 war Heinrich Kämpchen (1847-1912) in nahezu jeder Ausgabe der „Bergarbeiter-Zeitung“ mit einem Gedicht vertreten, was ihm eine hohe Bekanntheit eintrug. Auf Drängen seines Freundes Otto Hue stellte er seine Verse in Einzelausgaben zusammen („Aus Schacht und Hütte“,1899; „Neue Lieder“, 1904/05; „Wie die Ruhr mir sang“, 1909). Eine Einführung in das Werk Kämpchens legt nun der Bochumer Literaturwissenschaftler Joachim Wittkowski in Form eines „Kämpchen-Lesebuchs“ vor, ein Kooperationsprojekt der LWL-Literaturkommission mit der Nyland-Stiftung.

45400„Mit der Aufnahme in die inzwischen über 40 Bände zählende Lesebuchreihe wird Kämpchen eine verdiente Aufmerksamkeit zuteil“, erläutert der Geschäftsführer der LWL-Literaturkommission, Prof. Dr. Walter Gödden. Wittkowski freut sich, dass sich „Kämpchen in diese Ahnenreihe renommierter westfälischer Autoren einreiht und auf diese Weise ein breites Publikum erreicht“.

In Kämpchens Gedichten tritt das Elend des Bergmanns ungeschönt vor Augen, etwa in Bergmannslos: „Das ist des Bergmanns früher Tod: / Er muß im Schacht / Tagtäglich scharren um sein Brot / In Dunst und Nacht.“

Schon als Jugendlicher fuhr Kämpchen erstmals selbst „hinab in die Grube“ und arbeitete über 30 Jahre als Bergmann in Bochum. Die meisten seiner Texte thematisieren den Alltag der Bergleute: die Härte der Arbeit untertage, Unglücke und Berufskrankheiten, das ungerechte Verhalten von Vorgesetzten und den Arbeitskampf. Um seinen Forderungen Nachdruck zu verleihen, engagierte sich Kämpchen im Bergarbeiterverband, der sich das Ziel gesetzt hatte, den Bergmannsstand wieder zu Ehren kommen zu lassen. Beim großen Bergarbeiterstreik 1889 wurde er als Delegierter vorgeschlagen und einstimmig gewählt, was ihm allerdings eine Abmahnung seines Dienstherren einbrachte. Trotzdem war Kämpchen bis zuletzt im Bergarbeiterverband aktiv, für dessen Zeitung er von Anfang an bis zu seinem Tod schrieb.

Jeder sentimentalen Verklärung seines Berufs erteilte Kämpchen eine klare Absage. Im Gedicht „Bergmannsleben“ heißt es: „Und jedwedem möcht‘ ich raten, / Der dich rühmend will besingen: / In die Tiefe soll er steigen / Und die Keilhau‘ soll er schwingen“. Auch Kämpchens „Westfalenlied“ ist ohne Schwulst und sentimentale Verklärung: „Wohl will ich dich, Westfalen, preisen, / Doch ächten auch die harte Fron, / Womit man Kohle hier und Eisen / Gewinnt um einen Hungerlohn.“

Als Heinrich Kämpchen 1912 im Alter von 64 Jahren starb, war die Anteilnahme groß: Er wurde, wie es hieß, „unter einer hier noch nie dagewesenen großen Beteiligung zu Grabe getragen; der Leichenzug zählte wohl an die 4000 Teilnehmer.“ Das neue Lesebuch bietet nun einen Querschnitt durch das Werk mit zahlreichen erstmals edierten Texten des frühen Arbeiterdichters, der vor allem Heinrich Heine, aber auch die Droste zu seinen Vorbildern zählte.

Lesebuch Heinrich Kämpchen.
Zusammengestellt und mit einem Nachwort von Joachim Wittkowski.
Bielefeld: Aisthesis Verlag 2013. 166 Seiten.
8,50 Euro. ISBN 978-3-89528-911-8.

LWL-Einrichtung:
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