Die Weltbevölkerung wächst, bis 2050 müssen die landwirtschaftlichen Erträge deshalb um 70 Prozent gesteigert werden. Eine wichtige Rolle spielt Hybridmais, weil er vor Reis und Weizen das Getreide mit den höchsten Kornerträgen ist. Er wird aus der Kreuzung verschiedener Maislinien gewonnen und übertrifft die Produktion von reinerbigen Sorten bei weitem. Dies wird als „Heterosis“ bezeichnet, die molekularen Grundlagen des Effekts sind weitgehend unverstanden. Ein internationales Forscherteam unter Federführung der Universität Bonn leistet einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der molekularen Vorgänge. Die Ergebnisse sind vorab online im Fachjournal „The Plant Cell“ publiziert.
Im Vergleich zu reinerbigen Linien weist Hybridmais häufig deutlich höhere Erträge auf. Dieses Phänomen wird als „Heterosis“ bezeichnet. Aufgrund der hohen Erträge sind die meisten kommerziell angebauten Getreidesorten inzwischen Hybride. Hybridmais wird durch die Kreuzung verschiedener Maislinien hergestellt. Seine Einführung in den 1930er Jahren hat die Erträge im Vergleich zu den bis dahin verwendeten reinerbigen Sorten um mehr als 200 Prozent erhöht. Der Züchtungsfortschritt durch die Herstellung und Auswahl geeigneter Kreuzungspartner hat die Erträge seither kontinuierlich weiter gesteigert. Dies ist auch dringend erforderlich: Bis 2050 müssen die landwirtschaftlichen Erträge um 70 Prozent gesteigert werden, um die wachsende Weltbevölkerung zu ernähren. Trotz der enormen Bedeutung der Hybridzüchtung sind die genetischen und molekularen Grundlagen dieses Phänomens noch weitgehend unverstanden.
Prof. Dr. Frank Hochholdinger vom Institut für Nutzpflanzenwissenschaften und Ressourcenschutz (INRES) der Universität Bonn untersucht mit seinem Team die Grundlagen der Heterosis beim Mais. „Das pflanzliche Wurzelsystem wurde bisher nicht in Züchtungsansätze einbezogen, weil Wurzeln im Boden schwer zugänglich und komplex aufgebaut sind“, berichtet er. Dennoch seien gerade die Wurzeln von zentraler Bedeutung. Sie erscheinen während der Keimung zuerst und nehmen fast alle für den Menschen wichtigen Mineralnährstoffe aus dem Boden auf. Die zentrale Frage lautet: Warum liefern mischerbige Pflanzen höhere Erträge als reinerbige? Die 1917 formulierte Komplementationshypothese besagt, dass sich die vorteilhaften Komponenten des Erbguts der Eltern in Mischlingen gegenseitig ergänzen. Diese Hypothese wurde im Jahr 2012 von einem Forscherteam unter Federführung von Prof. Hochholdinger auf Ebene der Genaktivität am Beispiel von Maiswurzeln bestätigt.
Die Forscher untersuchten verschiedene Wurzelgewebe
In der aktuellen Untersuchung konzentrierten sich die Wissenschaftler der Universität Bonn mit ihren Kollegen aus den USA, dem Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie Tübingen und der Universität Hohenheim auf vier verschiedene Wurzelgewebe des Maises: In einem findet die Zellteilung für das Wachstum statt, im zweiten vergrößern sich diese Zellen auf ihre endgültige Größe, im dritten befinden sich die Leitbahnen für den Wasser- und Nährstofftransport und beim vierten handelt es sich um das Grund- und Abschlussgewebe, welches für die Aufnahme von Wasser und Nährstoffen wichtig ist.
Mit Hilfe moderner Hochleistungssequenzierer untersuchten die Forscher die Aktivität aller Gene der verschiedenen Gewebe sowohl in zwei Inzuchtlinien als auch den daraus erzeugten Hybriden. Es waren jeweils etwa 25.000 der rund 40.000 bekannten Maisgene aktiv. In allen vier funktionell unterschiedlichen Geweben beobachteten die Wissenschaftler das Phänomen der gegenseitigen Ergänzung von Genen in Hybriden. „Besonders bemerkenswert war, dass diese Gene nicht in allen Geweben gleiche Aktivitätsmuster zeigen, sondern dass sie sehr variabel und gewebespezifisch waren“, sagt Erstautorin Dr. Anja Paschold aus Prof. Hochholdingers Team. „Dass diese Muster in allen Geweben in großer Zahl beobachtet wurden, spricht für ihre biologische Relevanz.“
„Junge“ Gene führen zur Überlegenheit der Hybride
Die Wissenschaftler fragten sich, ob es einen Zusammenhang zwischen dem evolutionären Alter der Gene und ihrer Aktivität gibt. „Die Gesamtheit der Maisgene – das sogenannte Genom – wurde zum letzten Mal vor etwa fünf bis zwölf Millionen Jahren verdoppelt“, sagt Prof. Hochholdinger. Mit Sequenzvergleichen kann man zwischen Genen, die vor mehr als fünf Millionen Jahren entstanden sind und jüngeren unterscheiden.
„Interessanterweise sind die sich in Hybriden gegenseitig ergänzenden Gene meistens »junge« Gene“, stellt Prof. Hochholdinger fest. Eine Erklärung dafür könnte sein, dass die „alten“ Gene für wichtige Funktionen verantwortlich sind, ohne die die Pflanzen nicht überleben können. Deshalb konnten sie sich so lange erhalten. Bei den „jungen“ Genen ist es aber offenbar so, dass sie nur kleinere Vorteile bringen, die nicht überlebenswichtig sind. „Wenn sich viele dieser kleinen Vorteile in Hybridpflanzen vereinigen, könnte dies aber zur beobachteten Überlegenheit der Hybride führen“, sagt Prof. Hochholdinger.
Publikation: Nonsyntenic Genes Drive Highly Dynamic Complementation of Gene Expression in Maize Hybrids, The Plant Cell, Internet: http://www.plantcell.org/content/early/2014/10/14/tpc.114.130948.abstract