Masern: Die Mär von der harmlosen Kinderkrankheit

Masern – von vielen werden sie immer noch als harmlose Kinderkrankheit unterschätzt. Dabei betrifft die Hälfte aller Masernfälle in Deutschland heute Jugendliche über zehn Jahre und junge Erwachsene. Masern-Ausbrüche – wie jüngst in Bayern und Berlin – mit Hunderten von Infizierten in kürzester Zeit zeigen: Nur Impfen schützt vor der schnellen Ausbreitung der Krankheit. Doch an ausreichendem Impfschutz mangelt es in vielen Gebieten Deutschlands.

Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) waren 85 Prozent der Infizierten der aktuellen Masernwelle ungeimpft, der Großteil der übrigen Infizierten war nicht ausreichend geimpft. Die Ständige Impfkommission (STIKO) am RKI empfiehlt für jeden Menschen bis zum zweiten Geburtstag zwei Impfungen gegen Masern, Mumps und Röteln (MMR-Impfung als Kombiimpfung). Nur wer beide Impfungen hat, ist ausreichend gegen Masernviren geschützt. Gerade die zweite Impfung fehlt häufig.

Seit 2010 wird auch über 18-Jährigen, die nach 1970 geboren sind, ein Impfschutz gegen Masern empfohlen, um die Impflücken zu schließen. „Masern sind extrem ansteckend und finden jede Impflücke“, sagt Thomas Ebel, Arzt im AOK-Bundesverband.

Ansteckung durch Tröpfcheninfektion

„Durch Tröpfcheninfektion, also durch Sprechen, Husten oder Niesen, werden die Viren leicht von Mensch zu Mensch übertragen.“ Das kann schon Tage vor dem Auftreten des typischen Hautausschlags passieren – bevor der Überträger also weiß, dass er Masern hat. Eine Masernerkrankung verläuft typischerweise in folgenden Stadien:

Vorläuferstadium: Etwa zehn bis zwölf Tage nach der Ansteckung beginnt die Erkrankung mit grippeähnlichen Symptomen wie Fieber, Husten, Schnupfen, Bindehautentzündung, Lichtempfindlichkeit. An der Wangenschleimhaut entstehen kleine weiße Flecken (Koplik-Flecken), die aussehen wie Sandkörnchen oder Kalkspritzer. Nach zwei bis drei Tagen bilden sich die Flecken zurück. Dieses Stadium zieht sich bis zu fünf Tage hin.

Stadium des Hautausschlags: Dieses Stadium dauert etwa vier bis sieben Tage. Der typisch rote und fleckige Hautausschlag beginnt meist hinter den Ohren und seitlich am Hals. Bald verschmelzen die Flecken miteinander und erscheinen am ganzen Körper. Im Gesicht werden sie blasser. Das Fieber kann auf bis zu 40 Grad Celsius ansteigen.

Erholungsstadium: Masern schwächen vorübergehend das Immunsystem. Erst allmählich erholt sich der Patient. Ist der Hautausschlag abgeklungen, entstehen manchmal feine Schuppen auf der Haut.

Gefährliche Masernpartys

Wer einmal Masern durchgestanden hat, ist lebenslang immun. „Doch Masern sind keine harmlose Kinderkrankheit, durch die jeder durch muss“, warnt Ebel. „Eine beabsichtigte Ansteckung herbeizuführen, etwa durch sogenannte Masernpartys, bei denen sich kranke und gesunde Kinder treffen, ist fahrlässig.“ Gefährlich sind nämlich vor allem die Komplikationen einer Masernerkrankung. Diese Komplikationen fallen bei Erwachsenen schwerer aus, sind jedoch auch für Kinder nicht ungefährlich.

In Folge einer Masernerkrankung kann es zu einer schweren Mittelohrentzündung oder einer Gehirnentzündung kommen, die zu bleibenden Behinderungen führen oder sogar tödlich enden kann. In ein bis sechs Prozent der Masernfälle tritt eine Lungenentzündung auf. Diese ist für die Mehrzahl der masernbedingten Todesfälle verantwortlich.

Spätfolgen möglich

Selten, aber möglich (ein bis zehn von 100.000 Masernfällen) ist als Spätfolge die sogenannte subakute sklerosierende Panenzephalitis (SSPE), eine entzündliche Erkrankung des Gehirns. Mitte Juni 2013 verstarb ein 14-jähriger Junge aus Nordrhein-Westfalen an SSPE. Er hatte sich im Alter von fünf Monaten mit Masern angesteckt und die Erkrankung scheinbar folgenlos überstanden. Bei der Erstinfektion als Säugling gelangten die gefährlichen Viren ins Gehirn und führten nach und nach zur Zerstörung der Nervenzellen und schließlich zum Tod.

Nur Impfung schützt

Schon das zeigt, dass Impflücken bei Jugendlichen und Erwachsenen auch Säuglinge gefährden; denn geimpft werden kann – wegen des noch unreifen Immunsystems – erst etwa ab dem elften Lebensmonat. Säuglinge geimpfter Mütter sind zudem besser gegen die Erkrankung geschützt. „Masern kann man nicht behandeln. Lediglich Begleiterscheinungen wie Fieber lassen sich lindern“, sagt Ebel und bekräftigt: „Auch das spricht für eine Impfung.“ Diese ist in der Regel gut verträglich.

Impfschäden sind äußerst selten. Die Impfung regt die körpereigene Abwehr an. Dadurch kann die Einstichstelle schmerzen, anschwellen oder sich röten. In den ersten drei Tagen nach der Impfung sind auch mäßige Temperaturerhöhung, Frösteln, Kopfschmerzen, Mattigkeit oder Magen-Darm-Beschwerden möglich. Solche Impfreaktionen klingen in der Regel nach ein bis drei Tagen wieder ab.

Impfpass überprüfen lassen

Ohne Impfschutz reicht schon der kleinste Kontakt zu einem Infizierten für eine Ansteckung. Wenn es im Umfeld zu einem Masernausbruch gekommen ist, können sich Ungeimpfte in der Regel noch bis zu fünf Tage nachträglich impfen lassen. „Besprechen Sie das unbedingt umgehend mit Ihrem Arzt“, rät Ebel. Das gilt besonders für abwehrgeschwächte Menschen. Auch ohne Kontakt mit Masern sollte jeder regelmäßig beim Hausauarztbesuch seinen Impfpass überprüfen lassen.

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