Die Nationalakademie Leopoldina arbeitet in ihrem neuen Zukunftsreport Wissenschaft die Bedeutung der Omics-Technologien heraus. Mit diesen Techniken lassen sich die Biomoleküle einer Zelle rasant und fast vollständig erfassen: vom Erbgut über Proteine bis hin zu Stoffwechselprodukten. Die Nationalakademie warnt davor, dass deutsche Forschungseinrichtungen in diesem Bereich international den Anschluss verpassen.
Sie schlägt vor, Einrichtungen mit Omics-Geräten bundesweit als Netzwerk zusammenzuschließen, um den Zugang zu den neuen Verfahren zu erleichtern und fordert eine stra-tegische Finanzierung dieses Netzwerks durch den Bund. An der Universität Bielefeld treibt das Centrum für Biotechnologie (CeBiTec) die Omics-Technologien voran. „Wir arbeiten schon heute als Expertenzentrum für diese Technologien und sind bereit, bei einer Netzwerk-Gründung eine führende Rolle zu übernehmen“, sagt Professor Dr. Thomas Noll, Wissenschaftlicher Direktor des CeBiTec.
Mit dem Begriff Omics werden Forschungsfelder zusammengefasst, die Bausteine des Lebens und Lebensprozesse untersuchen: In der Genomik geht es etwa um die Gesamtheit der Gene von Lebewesen, während die Proteomik mit der Gesamtheit der Proteine erforscht und die Transkriptomik die aktiven Gene ermittelt. Möglich wird diese Forschung durch Hochdurchsatz-Analysen mit Geräten, die fast gänzlich automatisch die Biomoleküle aus Gewebeproben oder anderen biologischen Proben untersuchen. So können zum Beispiel gleichzeitig die Ge-ne, Proteine und die Stoffwechselprodukte einer Probe erfasst werden. Dabei entstehen riesige Datenmengen, die nur mit Großrechnern ausgewertet und bewältigt werden können. Nötig für die Auswertung sind Methoden aus der Bioinformatik.
Das CeBiTec hat seit mehr als zehn Jahren Omics-Analysen entwickelt und die „Technologieplattform Genomik“ aufgebaut. Parallel hat das CeBiTec die „Technologieplattform Bioinformatik“ etabliert, mit der die Daten aus den Omics-Messungen ausgewertet werden. Dafür wurden spezialisierte Software-Pakete entwickelt und ein Hochleistungsrechencluster installiert. „Die Kombination dieser Technologieplattformen ist bundesweit einzigartig“, sagt Pro-fessor Dr. Thomas Noll.
Damit auch andere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von dieser Ausstattung profitieren können, ermöglicht das CeBiTec ihnen die Nutzung der beiden Plattformen. Wissenschaftler können biologische Proben zur Omics-Untersuchung ans CeBiTec schicken und die Analyse-Daten später mit dem Rechnercluster des CeBiTec auswerten. Der Zugriff auf die Rechner erfolgt passwortgeschützt via Internet. „Dass wir unsere technische Infrastruktur mit anderen teilen, ist ganz im Sinn der Nationalakademie Leopoldina. In ihrem Zukunftsreport fordert sie eine angemessene Auslastung vorhandener Geräte“, sagt Noll.
Praktisch genutzt werden Omics-Technologien heutzutage zum Beispiel für die Entwicklung von Bakterien für die industrielle Biotechnologie. Für die Landwirtschaft dient die Technologie als Grundlage für die Züchtungen ergiebiger und widerstandsfähiger Pflanzen. Zudem werden Omics-Technologien in der personalisierten Medizin eingesetzt, wenn zum Beispiel das Ergbut eines Menschen untersucht wird, um sicherzustellen, dass sein Organismus auf eine bestimmte Therapie anspricht. „Sowohl in der Forschung als auch in der Lehre sind große Anstrengungen nötig, um Omics-Technologien bundesweit in ausreichendem Maß anzusiedeln“, sagt Professor Dr. Alfred Pühler. Er ist Mitgründer des CeBiTec und Mitautor des Zukunftsreports der Leopoldina.
Weitere Informationen im Internet:
http://www.leopoldina.org/de/publikationen/empfehlungen-stellungnahmen