Schlagwort-Archiv: Archäologie

Forscher rekonstruieren Dinosaurierfährten

Größenvergleich eines Menschen mit dem durch die Fußspuren belegten räuberischen Theropoden sowie dem pflanzenfressenden Zwerg-Dinosaurier Europasaurus. (c) Zeichnung: Joschua Knüppe/2015
Größenvergleich eines Menschen mit dem durch die Fußspuren belegten räuberischen Theropoden sowie dem pflanzenfressenden Zwerg-Dinosaurier Europasaurus. (c) Zeichnung: Joschua Knüppe/2015

Die Dinosaurier-Spuren bei Goslar

Vor zwölf Jahren wurden in einem Steinbruch bei Goslar Fußspuren von Raubsauriern entdeckt und geborgen. Paläontologen der Universität Bonn erstellten nun mit dem Dinosaurier-Freilichtmuseum Münchehagen und dem Landesmuseum Hannover anhand von Fotografien der Grabung ein dreidimensionales, digitales Modell. Die Rekonstruktion der Fundstelle legt nahe, dass vor rund 154 Millionen Jahren Raubsaurier auf pflanzenfressende Dinosaurier Jagd machten, die Inseln bewohnten. Über eine Landbrücke im sinkenden Meeresspiegel könnten die Räuber eingewandert sein. Das Fachjournal „Palaeontologia Electronica” stellt die Ergebnisse nun vor.

Dreidimensionales Modell einer der größten gefundenen Fußspur-Plomben. Links: Farbiges Höhenmodell. Rote Farben stellen die höchsten und blaue Farben die tiefsten Punkte der Fußspur dar. Rechts: Dreidimensionales Modell mit fotorealistischer Textur. (c) Abbildung: Jens Lallensack/2015
Dreidimensionales Modell einer der größten gefundenen Fußspur-Plomben. Links: Farbiges Höhenmodell. Rote Farben stellen die höchsten und blaue Farben die tiefsten Punkte der Fußspur dar. Rechts: Dreidimensionales Modell mit fotorealistischer Textur. (c) Abbildung: Jens Lallensack/2015

In einem Kalksteinbruch bei Goslar in Niedersachsen machte im Jahr 2003 ein privater Fossiliensammler eine ungewöhnliche Entdeckung: Auf einer Steinplatte zeichneten sich insgesamt 20 Fußabdrücke von Dinosauriern ab. Nils Knötschke vom Dinosaurier-Freilichtmuseum Münchehagen barg damals fünf dieser Fährten, um sie vor einer Zerstörung durch Steinbrucharbeiten zu bewahren. Jetzt, rund ein Dutzend Jahre später, haben Paläontologen der Universität Bonn um Prof. Dr. Martin Sander mit Nils Knötschke und Dr. Oliver Wings vom Landesmuseum Hannover die Fährten mit digitalen Methoden in einem dreidimensionalen Modell rekonstruiert. Grundlage waren Fotos der Fußspuren, die damals bei der Grabung gemacht wurden.

Panorama der späten Jurazeit der heutigen Harzregion: Große, etwa acht Meter lange räuberische Theropoden stellen einer Herde der pflanzenfressenden Zwerg-Dinosaurier Europasaurus nach. (c) Zeichnung: Joschua Knüppe/2015
Panorama der späten Jurazeit der heutigen Harzregion: Große, etwa acht Meter lange räuberische Theropoden stellen einer Herde der pflanzenfressenden Zwerg-Dinosaurier Europasaurus nach. (c) Zeichnung: Joschua Knüppe/2015

„Noch vor fünf Jahren wäre eine solche Rekonstruktion technisch nicht machbar gewesen“, sagt Erstautor Jens N. Lallensack vom Steinmann-Institut für Geologie, Mineralogie und Paläontologie der Universität Bonn. Anhand des 3D-Modells konnten die Wissenschaftler interessante Informationen zu den Dinosauriern, die die Fußspuren hinterlassen haben, und zum damaligen Lebensraum gewinnen. Die zwischen 36 und 47 Zentimeter langen Fährten stammen vermutlich von zwei verschiedenen Arten räuberischer Dinosaurier aus der Gruppe der Theropoden.

 Nils Knötschke vom Dinopark Münchehagen bei der Bergung der Fußspuren im Jahr 2003. Um ein Zerbrechen der Fußspuren beim Herausklopfen aus dem Gestein zu verhindern, wurden sie vor der Bergung mit einem Gipsmantel umgeben. (c) Foto: Holger Lüdtke/2003
Nils Knötschke vom Dinopark Münchehagen bei der Bergung der Fußspuren im Jahr 2003. Um ein Zerbrechen der Fußspuren beim Herausklopfen aus dem Gestein zu verhindern, wurden sie vor der Bergung mit einem Gipsmantel umgeben. (c) Foto: Holger Lüdtke/2003

Einblicke in die Lebewelt vor 154 Millionen Jahren

Anhand des digitalen Modells lässt sich nun ablesen, wie die einzelnen Fußspuren zueinander angeordnet waren. „Dadurch konnten wir rekonstruieren, in welche Richtung die Tiere gewandert sind und wie schnell sie unterwegs waren. Anhand der Länge der Fußabdrücke lässt sich abschätzen, dass die größten Tiere über eine Körperlänge von etwa acht Metern verfügten. An einigen Stellen haben die Raubsaurier zudem deutlich tiefere Fährten im Sediment hinterlassen als anderswo. „Wo es nass war, sanken die Saurier deutlich tiefer ein als im Trockenen“, berichtet Lallensack.

Denn vor rund 154 Millionen Jahren in der späten Jurazeit erstreckte sich in der Region ein Flachmeer, aus dem kleinere Inseln herausragten. Wie Knochenfunde aus dem Langenberg-Steinbruch bestätigen, waren die Eilande von einer kleinwüchsigen Dinosaurierart, dem Europasaurus holgeri, besiedelt. Die Pflanzenfresser gehörten zu einer Gruppe gigantischer, langhalsiger Sauropoden. Europasaurus maß ausgewachsen jedoch nur sechs bis acht Meter – etwa lediglich ein Viertel der Länge seines nächsten Verwandten Camarasaurus. „Wahrscheinlich musste der Dinosaurier zum Zwerg schrumpfen, um mit dem begrenzten Nahrungsangebot auf den kleinen Inseln im mitteleuropäischen Flachmeer überleben zu können“, sagt Lallensack.

Theropoden wanderten vermutlich über eine Landbrücke ein

Die Theropoden, von denen die rekonstruierten Dinosaurierfährten stammen, betraten rund 35.000 Jahre später die Bühne. „Möglicherweise gab es innerhalb dieser aus geologischer Sicht recht kurzen Zeitspanne eine Absenkung des Meeresspiegels, und die festländischen Raubsaurier sind neu eingewandert“, vermutet Dr. Wings, der am Landesmuseum Hannover ein von der VolkswagenStiftung gefördertes Forschungsprojekt zur gesamten Urzeitlebewelt der Region leitet. Die Theropodenspuren stammen von einem trockengefallenen Meeresboden in unmittelbarer Nähe zu einer der Inseln.

Die Forscher vermuten deshalb, dass die räuberischen Theropoden vom Festland aus Jagd auf die pflanzenfressenden Europasaurier machten. Alle Kalksteine des Steinbruchs bildeten sich innerhalb eines flachen Meeresbeckens, wie sich an der Vielzahl der marinen Fossilien wie Schnecken, Muscheln oder Seeigeln erkennen lässt. Die Fußspuren sind der bislang einzige Hinweis auf ein zeitweises Trockenfallen des Gebiets und die Existenz großer festländischen Raubsaurier auf der ehemaligen Europasaurus-Insel. „Wir vermuten, dass damit auch das Ende der spezialisierten Inselzwerge besiegelt war“, sagt Lallensack.

Publikation: Lallensack, Jens N., Sander, P. Martin, Knötschke, Nils, Wings, Oliver: Dinosaur tracks from the Langenberg Quarry (Late Jurassic, Germany) reconstructed with historical photogrammetry: Evidence for large theropods soon after insular dwarfism. Palaeontologia Electronica 18.2.31A: 1–34, Internet: http://palaeo-electronica.org/content/2015/1166-langenberg-tracks

Wie die Neandertaler sich dem Klima anpassten

Warum hat sich der Homo sapiens in der Evolution durchgesetzt und nicht der Neandertaler? Das ist eine Frage, die Dr. Andrea Picin antreibt. „Nur wenn wir das soziale Verhalten und die technologischen Fertigkeiten unserer Vorfahren kennen, können wir verstehen, warum es uns heute gibt und nicht sie“, sagt Picin.

Dr. Andrea Picin forscht als Humboldt-Stipendiat an der Uni Jena über die Levallois-Technik, einer T ... Foto: Anne Günther/FSU
Dr. Andrea Picin forscht als Humboldt-Stipendiat an der Uni Jena über die Levallois-Technik, einer T …
Foto: Anne Günther/FSU

Der italienische Wissenschaftler forscht derzeit als Stipendiat der Alexander von Humboldt-Stiftung an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Insgesamt zwei Jahre ist er in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Clemens Pasda vom Bereich für Ur- und Frühgeschichte zu Gast; drei Monate davon wird er im Neanderthal Museum im nordrhein-westfälischen Mettmann verbringen.

Während seines Forschungsaufenthaltes in Jena wird sich der 39-Jährige vor allem mit der Levallois-Technik befassen – einer Technik zur Bearbeitung von Feuerstein, welche die Neandertaler vor etwa 200.000 Jahren entwickelt haben. „Dabei wurde der Stein aufwendig vorbearbeitet und dann mit einem gezielten Schlag ein Stück aus dem Kernstein abgetrennt, der gewissermaßen als Negativ übrig blieb“, erklärt Picin. Damit konnten die Menschen nicht nur feinere und präzisere Werkzeuge herstellen, die Technik war auch eine Weiterentwicklung der kognitiven Fähigkeiten, da die Menschen den Stein zunächst in ihrer Vorstellung umformen mussten, sagt Picin.

Der Wissenschaftler will nun herausfinden, wie sich die Levallois-Technik in Mitteleuropa entwickelt hat und welchen Einfluss die jeweiligen Umweltbedingungen dabei hatten. „In der Altsteinzeit wechselten sich Eis- und Warmzeiten ab und damit veränderten sich auch Flora und Fauna. Die Menschen mussten neue Jagdstrategien entwickeln und damit auch neue Waffen und Werkzeuge, was wiederum neue Techniken zur Bearbeitung von Steinen nach sich zog“, erläutert Picin seinen Forschungsansatz.

In den kommenden Monaten wird er tausende altsteinzeitliche Steinartefakte akribisch untersuchen und vermessen, um zu rekonstruieren, wie die Menschen sie einst bearbeitet haben und ob sich die Arbeitsweise im Laufe der Zeit verändert hat. Anschließend wird er die Ergebnisse mit Klima- und Umweltdaten vergleichen – um schließlich zu entschlüsseln, wie die Menschen ihr Verhalten und ihre Arbeitsweise den jeweiligen Lebensbedingungen anpassten. Picins Hauptaugenmerk liegt dabei auf den mitteldeutschen Ausgrabungsorten Markkleeberg, Neumark und Königsaue.

„Die drei Fundstellen spiegeln Epochen mit unterschiedlichen klimatischen Verhältnissen wider, so dass sich hier der Zusammenhang zwischen Klima und technologischem Wandel besonders gut erforschen lässt“, sagt Picin. Die Markkleeberger Fundstücke sind mit 300.000 Jahren am ältesten und stammen aus einer Eiszeit, ebenso die 50.000 Jahre alten Artefakte aus Könisgaue. „Die Funde aus Neumark liegen zeitlich genau dazwischen und sind hingegen einer Warmzeit zuzuordnen, als es wieder mehr Wälder gab und die Levallois-Technik weniger verbreitet war“, erklärt Picin.

Dass Andrea Picin sich heute mit den Neandertalern befasst, war vor einigen Jahren noch nicht absehbar: Denn Picin lernte ursprünglich den Beruf des Rettungsschwimmers, den er auch mehrere Jahre lang ausübte. Doch bei einem Besuch einer römischen Ausgrabungsstätte packte ihn der Forschergeist: Im Alter von 30 wagte er den beruflichen Neuanfang und studierte prähistorische Archäologie in Padua (Italien) und Tarragona (Spanien). Anschließend folgte die Promotion in Tarragona und am Neanderthal Museum, die er im März 2014 abschloss. Seit Oktober forscht er nun als Humboldt-Stipendiat an der Universität Jena.

„Der Bereich für Ur- und Frühgeschichte in Jena hat eine lange Geschichte und Prof. Pasda ist in Europa einer der bekanntesten Experten für Steinbearbeitungstechniken der Steinzeit“, betont Picin. Neben seiner Forschungsarbeit will der Italiener auch Erfahrungen in der Lehre sammeln – und natürlich Jena und die Region erkunden: „Ich habe kürzlich mehrere Leute gesehen, die auf der Saale Kanu gefahren sind. Das möchte ich auch unbedingt machen!“ sagt Picin. Die besten Voraussetzungen hat er ja, schließlich ist mit ihm immer ein Rettungsschwimmer an Bord.

Weitere Informationen:
http://www.uni-jena.de

Auf den Spuren der Kelten

Das Grabungsteam um den Prähistoriker und Archäologen Prof. Dr. Ralf Gleser (3. v. r.) Foto: WWU - Terrex gGmbh
Das Grabungsteam um den Prähistoriker und Archäologen Prof. Dr. Ralf Gleser (3. v. r.)
Foto: WWU – Terrex gGmbh

Ein Team auf den Spuren der Kelten: Wissenschaftler um den Prähistoriker und Archäologen von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU), Prof. Dr. Ralf Gleser, haben im nördlichen Saarland nahe der Gemeinde Sitzerath einen Friedhof mit Brandgräbern von Kelten entdeckt. Besonders spektakulär war dabei der Fund des Grabes eines keltischen Kriegers, der vermutlich zwischen 50 und 20 vor Christus starb und demzufolge noch den Gallischen Krieg (58 bis 51/50 v. Chr.) erlebte. „Ein schöner Erfolg unserer Arbeit“, sagt Ralf Gleser. Die Grabungen waren möglich geworden durch eine Drittmittelförderung seitens der Gerda-Henkel-Stiftung.

Die mit Spaten, Schippe und Pinsel ausgerüsteten Spurensucher aus der Wissenschaft, darunter vier WWU-Studierende, fanden in den sogenannten Brandgräbern verrostete Überreste von Waffen, etwa von Schwertern und Lanzen. Brandgrab wird ein Grab aus dieser Zeit genannt, in dem sich neben Überresten der eingeäscherten Leiche auch Beigaben finden, die auf das Leben des Toten hinweisen können. Der keltische Krieger speziell wurde mit seiner vollen Bewaffnung begraben, vermutlich in einer Holzkiste. Im Grab fanden sich zudem Teile eines Metallschmelze-Ofens, Scherben einer römischen Amphore und einheimische Keramikgefäße.

Ralf Gleser, Leiter der Abteilung für Ur- und Frühgeschichtliche Archäologie im Historischen Seminar der WWU, untersuchte mit den Studierenden sowie weiteren Experten und Helfern der regionalen Grabungsgesellschaft „Terrex“ das keltische Gräberfeld. Die Kontakte und das Engagement des WWU-Experten im Saarland gehen auf seine Zeit an der Universität Saarbrücken zurück, wo Ralf Gleser vor seinem Ruf nach Münster tätig war. Insgesamt entdeckte das Team bislang mehr als zwei Dutzend Gräber. Die Überreste stammen von Toten, die in der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts vor Christus, also in spätkeltischer und frührömischer Zeit, gestorben sind.

Involviert in das Projekt waren auch Geophysiker der WWU, die die Grabungen mit geomagnetischen Messungen unterstützten. So konnte das Expertenteam unter der Leitung von Dr. Volkmar Schmidt vom Institut für Geophysik etwa sagen, wo es sich im Gelände am ehesten lohnt, überhaupt zu graben.

Quelle/Text/Redaktion: www.uni-muenster.de

Link:

Prof. Dr. Ralf Gleser an der WWU
Institut für Geophysik der WWU
Gerda-Henkel-Stiftung
Terrex gGmbh „Kelten und Römer im Wendeler Land“

Related Posts Plugin for WordPress, Blogger...