Schlagwort-Archiv: Gesundheit

Patienten sollten kritisch nachfragen

Ärzte schlüpfen in Deutschland immer häufiger in die Rolle von Verkäufern: Fast jedem dritten gesetzlich versicherten Patienten (29,9 Prozent) haben niedergelassene Ärzte in den letzten zwölf Monaten eine sogenannte Individuelle Gesundheitsleistung (IGeL) angeboten oder in Rechnung gestellt. Im Jahr 2001 waren es noch 8,9 Prozent. Das zeigt eine repräsentative Versichertenbefragung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO), der sogenannte WIdOmonitor. „Versicherte sollten kritisch nachfragen, bevor sie eine privat zu zahlende Zusatzleistung in Anspruch nehmen“, rät Klaus Zok, Autor des WIdOmonitors.

Insgesamt haben 2012 etwa 18,1 Millionen gesetzlich Versicherte Erfahrungen mit privaten Zusatzleistungen gemacht. Die Mehrheit (68,3 Prozent) der Befragten gab an, nicht selbst nach einer Zusatzleistung gefragt zu haben; meist ging die Initiative vom Arzt aus. „Die Mediziner sprechen vor allem Besserverdiener an“, sagt Zok. „Das vertieft den Eindruck, dass bei den IGeL nicht die medizinische Notwendigkeit ausschlaggebend ist, sondern wirtschaftliche Interessen einzelner Ärzte im Vordergrund stehen.“ Für den WIdOmonitor wurden im November und Dezember 2012 bundesweit mehr als 2.000 gesetzlich Versicherte befragt.

Was sind IGeL?

IGeL sind ärztliche Untersuchungs- oder Behandlungsmethoden und Serviceleistungen, die medizinisch nicht notwendig sind und deshalb nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen gehören. Die Versicherten müssen sie daher privat bezahlen. Die Angebote reichen von zusätzlichen Vorsorgeuntersuchungen über Reisemedizin und Naturheilverfahren bis hin zu Anti-Aging-Angeboten. „Die AOK übernimmt grundsätzlich die Kosten für alle Behandlungsmethoden, die medizinisch notwendig sind“, sagt WIdO-Referent Zok.

Vor allem Augenärzte, Gynäkologen und Hautärzte weisen ihre Patienten auf IGeL hin. Am häufigsten bieten Mediziner zusätzliche Ultraschalluntersuchungen (20,6 Prozent) an, gefolgt von Glaukomvorsorgeuntersuchungen, bei denen der Augeninnendruck gemessen und der Sehnerv überprüft werden (16 Prozent), sowie von zusätzlichen Blut- und Laboruntersuchungen (12,3 Prozent).

Die Versichertenbefragung zeigt auch, dass rechtliche Vorgaben noch weniger eingehalten werden als vor zwei Jahren. So müssen Versicherte vor dem Beginn der Behandlung schriftlich bestätigen, dass sie auf ausdrücklichen Wunsch auf eigene Kosten behandelt werden. Außerdem sind Ärzte verpflichtet, ihnen eine Rechnung auszuhändigen, in der detailliert alle Einzelleistungen und der Preis aufgeführt sind. Im aktuellen WIdOmonitor gaben nur 34,1 Prozent der Befragten an, vor der Behandlung eine schriftliche Vereinbarung mit dem Arzt getroffen zu haben. Im Jahr 2010 waren es 45,6 Prozent. Erhielten 2010 lediglich 14,5 Prozent der Patienten keine Rechnung, erhöhte sich ihre Zahl 2012 auf 22,1 Prozent. Ärzte müssen ihre Patienten über Nutzen, Risiken und die Zuverlässigkeit der zusätzlichen Leistung aufklären. „Das geschieht häufig nicht ausreichend“, kritisiert WIdO-Referent Zok. Der Umfrage zufolge sind nur 53,4 Prozent der Befragten der Ansicht, dass ihnen der Arzt den Nutzen der Leistung „gut“ oder „sehr gut“ erklärt hat. 20 Prozent fühlen sich „schlecht“ oder „sehr schlecht“ beraten. Bei der Glaukomvorsorge meinen nur knapp 40 Prozent der Befragten, dass sie gut beraten wurden. Wie zuverlässig die Untersuchungsmethode ist, erfuhren lediglich 46,2 Prozent der Befragten. Nur ein Fünftel (20,3 Prozent) bejahte die Frage, ob mögliche Risiken ein Thema im Gespräch mit dem Arzt waren.

Tipps für Patienten

Mängel gab es auch bei der Umsetzung der Auflage, dass die Patienten nicht zu einer Entscheidung gedrängt werden sollten. 26,9 Prozent der befragten Versicherten kritisierten, dass ihnen der Mediziner vor der Untersuchung keine ausreichende Bedenkzeit eingeräumt habe. „Zusätzliche Leistungen sind niemals dringend“, sagt Zok und empfiehlt Patienten, denen eine Zusatzleistung angeboten wird, Folgendes zu beachten:

  • Klären Sie, warum Sie die Behandlung oder Untersuchung selbst bezahlen sollen. Gesetzlich Versicherte können sich auch an ihre Krankenkasse wenden und nachfragen, ob die Leistung nicht doch von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen wird.
  • Lassen Sie sich von Ihrem Arzt ausführlich über Nutzen und Risiken aufklären.
  • Bestehen Sie auf eine ausreichende Bedenkzeit. Das Beratungsgespräch und die Behandlung sollten an verschiedenen Terminen stattfinden.
  • Vor der Untersuchung muss ein schriftlicher Behandlungsvertrag geschlossen werden. Darin sollten jede einzelne Leistung und die voraussichtliche Honorarhöhe genannt werden. Außerdem müssen Sie zustimmen, dass die Behandlung ausdrücklich auf ihren eigenen Wunsch erfolgt.
  • Nach der Behandlung sollten Sie eine Rechnung erhalten, in der die einzelnen Leistungen aufgelistet sind. Pauschale Honorare sind genauso unzulässig wie Barzahlungen ohne Beleg.

Wenn Heißhunger und die Angst vorm Zunehmen krank machen

Essstörung Bulimie

„Ich bin zu dick“, „Ich darf auf keinen Fall zunehmen“, „Ich bin nur etwas wert, wenn ich schlank bin“ – solche Gedanken sind typisch für Menschen, die unter der Essstörung Bulimie leiden. Sie sind unzufrieden mit ihrem Körper und Gewicht, obwohl sie meist normalgewichtig sind. „Im Frühstadium wird die Erkrankung daher nur selten erkannt“, warnt Dr. Christiane Roick, stellvertretende Leiterin des Stabs Medizin im AOK-Bundesverband.

Ein bis eineinhalb Prozent der Frauen in Deutschland entwickeln im Laufe ihres Lebens eine Bulimie, schätzt die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS). Männer sind deutlich seltener betroffen. „Es handelt sich dabei um eine schwere psychische Krankheit“, sagt AOK-Ärztin Roick. Die Erkrankung beginnt meist in der Jugend oder im jungen Erwachsenenalter.

Betroffene führen ein Doppelleben

Die Betroffenen beginnen ein Doppelleben: In der Öffentlichkeit essen sie kontrolliert, sind gepflegt und angepasst. Im Verborgenen haben sie Essattacken und verlieren die Kontrolle über das Essen: Sie schlingen große Mengen Nahrung in kurzer Zeit kaum zerkaut herunter, meist ohne besonders auf den Geschmack zu achten, und schämen sich dafür später.

Da sie gleichzeitig eine krankhafte Furcht davor haben, dick zu werden, tun sie nach den Attacken alles, um eine Gewichtszunahme zu verhindern: Sie erbrechen, schlucken Abführmittel oder andere Arzneimittel wie Schilddrüsenpräparate, nehmen Appetitzügler ein, fasten oder treiben exzessiv Sport. Je länger die Krankheit fortschreitet, desto mehr vernachlässigen sie Kontakte und ziehen sich zurück, um den Heißhungerattacken nachgehen zu können.

Durch Schlankheitsideal unter Druck gesetzt

Der DHS zufolge müssen verschiedene Risikofaktoren zusammentreffen, damit eine Bulimie auftritt. Einfluss auf die Entstehung der Krankheit haben sowohl die genetische Veranlagung als auch wenig förderliche Bedingungen in der Umwelt und Familie sowie bestimmte individuelle Merkmale. Eine wichtige Rolle spielt das gesellschaftliche Schlankheitsideal, von dem sich junge Mädchen stärker unter Druck gesetzt fühlen als Jungen. Persönlich neigen junge Mädchen und Frauen, die eine Bulimie entwickeln, häufig zu einem geringen Selbstwertgefühl, einem Hang zum Perfektionismus und Unzufriedenheit mit den eigenen Leistungen. Manche Betroffene tun sich schwer, mit Gefühlszuständen umzugehen und neigen zu Selbstverletzungen und Substanzmissbrauch.

Wie schwer die Folgen der Bulimie sind, hängt laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) von der Anzahl der Essattacken und der Art und Weise ab, wie die Erkrankten versuchen, einer Gewichtszunahme entgegen zu wirken. Folgen können sein:

  • Schäden am Zahnschmelz und Schwellung der Speicheldrüsen durch den sauren Mageninhalt bei selbst ausgelöstem Erbrechen,
  • Störungen im Magen und Darm durch die großen Essmengen,
  • der Mineralstoffhaushalt gerät aus dem Gleichgewicht, was zu Nierenschäden und Herz-Rhythmus-Störungen führen kann,
  • die Regelblutung bleibt aus,
  • der Nährstoffmangel kann Haarausfall, Schwindel oder Müdigkeit hervorrufen,
  • als seelische Begleit- oder Folgeerkrankungen können unter anderem depressive Verstimmungen oder Substanzmissbrauch auftreten.

Frühzeitig Hilfe suchen

Da sich die Symptome nur selten ohne Behandlung zurückbilden und die Folgen der Erkrankung gravierend sein können, sollten Betroffene frühzeitig Hilfe suchen, sagt AOK-Ärztin Roick. Angehörige sollten sich keine Vorwürfe wegen der Entstehung der Erkrankung machen, sondern beim Verdacht auf eine Essstörung die Betroffenen ansprechen und motivieren, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Einem Ratgeber der Stiftung Warentest zufolge können folgende Warnzeichen auf eine Bulimie hinweisen:

  • Lebensmittel verschwinden aus dem Kühlschrank,
  • die oder der Betroffene hortet Nahrung und versteckt sie,
  • sie oder er wiegt sich ständig,
  • geht häufig nach dem Essen auf die Toilette,
  • treibt auffällig viel Sport,
  • gibt viel Geld für Nahrungsmittel aus.

Über Krankheit informieren

Charakteristisch für eine Bulimie ist, dass die Erkrankten zunächst versuchen, ihre Probleme zu vertuschen und zu leugnen. Dennoch sollten Eltern ihr Kind auf die Essstörung ansprechen. Statt Vorwürfe zu machen, sollten sie sagen, was ihnen aufgefallen ist und dass sie sich Sorgen machen. Sinnvoll ist es auch, sich über die Krankheit zu informieren und dieses Wissen an Betroffene weiterzugeben.

„Ermutigen Sie Ihr Kind, einen Arzt aufzusuchen“, sagt Roick. So können bei rechtzeitiger Behandlung körperliche Komplikationen vermieden oder eine Verschlimmerung verhindert werden. Eine erste Anlaufstelle kann auch eine Beratungsstelle sein. Hilfe bieten etwa spezielle Beratungszentren für Essstörungen, psychosoziale Beratungsstellen für Frauen, Kinder und Jugendliche oder Sucht- und Drogenberatungsstellen an. Weigern sich Heranwachsende mitzukommen, können sich Angehörige zunächst auch alleine beraten lassen. Nach einer gewissen Zeit kommen Betroffene dann meist doch mit.

Nicht auf Extrawünsche eingehen

Wichtig ist, dass Angehörige ein Verhalten vermeiden, das die Krankheit aufrechterhält. Sie sollten etwa wie gewohnt einkaufen und nicht auf Extrawünsche der Erkrankten eingehen. Sie sollten ihnen auch nicht erlauben, sich an den Essensvorräten der Familie zu bedienen.

Hat ein Arzt eine Bulimie festgestellt, ist eine kognitive Verhaltenstherapie (KVT) das Mittel der Wahl. „Damit die Erkrankung nicht chronisch wird, ist eine frühzeitige Behandlung wichtig“, sagt Roick. Eine Therapie sollte in der Regel ambulant erfolgen. Diese dauert meist mehrere Monate und hilft den meisten Betroffenen sehr gut.
Mehr Informationen zum Thema:

 

Was taugen Gesundheitsportale, Apps und Online-Apotheken?

Was taugen Gesundheitsportale, Apps und Online-Apotheken? Volle Wartezimmer und Ärzte, die kaum Zeit haben: So mancher Patient fühlt sich alleingelassen und konsultiert lieber das Internet. Der Dschungel an Webportalen, Gesundheits-Apps und Online-Apotheken wird dichter.

Gesundheitspolitik: Im Kampf gegen die Epilepsie

Gesundheitspolitik: Im Kampf gegen die Epilepsie – 500.000 Menschen in Deutschland leiden unter Epilepsie, behaupten Statistiken. Die Gesundheitspolitik macht es den Ärzten nicht einfach, Betroffene zu behandeln.

Related Posts Plugin for WordPress, Blogger...