Der so genannte „Dallasaurus“ war möglicherweise dreimal so groß wie bisher gedacht. Darauf deuten zumindest Knochenuntersuchungen hin, die Forscher der Universität Bonn zusammen mit Kollegen aus Schweden, Frankreich und den USA durchgeführt haben. Demnach stammen die heute bekannten Fossilfunde eventuell sämtlich von ein- bis zweijährigen Jungtieren. Bislang galt Dallasaurus mit 1,5 Metern Länge als einer der kleinsten Wassersaurier. Ausgewachsen könnte er aber tatsächlich eine Länge von vier bis sechs Metern erreicht haben. Auch in anderer Hinsicht stellen die Knochenfunde aus dem US-amerikanischen Dallas die Wissenschaftler vor Rätsel.
Dallasaurus gehört zur Gruppe der Mosasaurier, die vor 98 bis 66 Millionen Jahren lebten. Die größten Mosasaurier erreichten eine Länge von 15 Metern. Viele von ihnen waren gefährliche Räuber. Mosasaurier waren Wasserbewohner; sie stammen aber von landlebenden Vorfahren ab. Von Dallasaurus existieren bislang nur drei nicht vollständig erhaltene fossile Skelette. Sie alle wurden im texanischen Dallas County gefunden. Viele Mosasaurier waren gute Schwimmer. Dallasaurus dagegen war weniger gut an ein Leben im Wasser angepasst: Seine Gliedmaßen ähnelten denen einer landlebenden Echse wie etwa des heutigen Comodo-Warans. Anders als Landtiere hatte Dallasaurus aber kein Becken, an dem die Hinterextremitäten hingen. Daher gilt er als fehlendes Bindeglied („Missing Link“) der Evolution.
Dafür sprach auch seine geringe Größe: Großwüchsige Tiere haben meist eine hohe Stoffwechselrate und müssen entsprechend viel Nahrung zu sich nehmen. Ein vergleichsweise ineffizienter Schwimmer wie Dallasaurus war dagegen vermutlich kein besonders guter Jäger und konnte nur selten auf einen reich gedeckten Tisch hoffen – zumindest im Vergleich zu den besser an die aquatische Lebensweise angepassten Mosasauriern.
Die neuen Untersuchungsergebnisse zeichnen nun aber ein differenzierteres Bild des Wassersauriers aus Dallas. „Die Mikrostruktur ihrer Knochen spricht dafür, dass die bislang gefundenen Dallasaurier Jungtiere waren“, erklärt Dr. Alexandra Houssaye von der Universität Bonn. „Die fossilen Knochen befinden sich wahrscheinlich in ihrem zweiten Wachstumszyklus. Wenn diese Interpretation stimmt, waren die Tiere bei ihrem Tod also erst zwei Jahre alt.“ Die Echsen könnten dann ausgewachsen eine Länge von vier bis sechs Metern erreicht haben. Bislang war man von maximal 1,5 Metern ausgegangen.
Merkwürdiger Knochenmix
Dallasaurus verfügte zudem über einen äußerst ungewöhnlichen Knochenmix: Seine Rippen und Oberschenkelknochen waren im Zentrum hohl und damit ähnlich gebaut wie die heutiger Landlebewesen. Seine Wirbel waren dagegen wie ein Schwamm von vielen kleinen Höhlungen durchsetzt – diese spongöse Knochenform ist für Wasserbewohner typisch. Seine Oberarmknochen schließlich wiesen kaum Höhlungen auf, sie waren kompakt.
„Diese Mischung verschiedener Bauweisen ist einzigartig“, betont Houssaye. „Bislang dachten wir, dass in jedem Tier entweder nur kompakte oder nur spongöse Knochen vorkommen.“ Interessant sind vor allem die spongösen Wirbel: Sie sprechen dafür, dass Dallasaurus schon gut an ein Leben im Wasser angepasst war. Die kompakten Oberarmknochen sind dagegen eher ein Merkmal ineffizienter Schwimmer. Die hohe Dichte kompakter Knochen stabilisiert nämlich die Körperausrichtung im Wasser, ohne dass dazu Schwimmbewegungen nötig wären. „Insgesamt schließen wir jedoch aus unseren Knochenanalysen, dass Dallasaurus ein dynamischerer Schwimmer war als bislang gedacht“, sagt Houssaye. Der Titel „Missing Link“ ist dem Wassersaurier also noch keineswegs sicher. Houssaye hofft nun auf weitere Mosasaurier-Funde, die bessere Einblicke in die Evolution dieser Tiergruppe erlauben.
Publikation: Microanatomical and Histological Features in the Long Bones of Mosasaurine Mosasaurs (Reptilia, Squamata) – Implications for Aquatic Adaptation and Growth Rates; PLOS ONE, http://dx.plos.org/10.1371/journal.pone.0076741