Wie eine Bulette vielleicht die Welt verändert

Vielleicht wird der 5. August 2013 bei unseren Enkeln in den Biologie-Büchern stehen. Der Tag als Beginn einer besseren Welt. Ein sommerlicher Montag, an dem der erste geklonte Burger auf den Tisch kam – ganz ohne Rind. Oder doch vielleicht ein bisschen.

Die Geschichte beginnt mit der Entnahme von Myosatellitenzellen mittels Spritze aus dem Nacken eines Rindes. Das sind Stammzellen, die sich sehr einfach und schnell zu Muskelzellen entwickeln. Die hat die Kuh nicht, damit Wissenschaftler Burger daraus machen können sondern, um Muskelverletzungen schnell zu heilen. Diese Stammzellen wurden von einer Gruppe von Forschern um Professor Marc Post von der Universität Maastricht mittels Nährlösungen und elektrischer Stimulation vermehrt. So wurden aus ein paar Zellen so um die 20.000 Muskelstränge generiert. Das reichte – angereichert durch eine Prise Salz, Safran, Eipulver, Brotstückchen und Rote-Beete-Saft – für einen Burger. Serviert auf einer Pressekonferenz mit viel Bohei in London, der ungekrönten europäischen Hauptstadt für Fast Food.

Von „schnellem Lebensmittel“ kann aber nicht wirklich die Rede sein. Fünf Jahre Forschung und neun Wochen Wachstum der Zellen sind dann selbst für das Beste Fast Food-Restaurant ein wenig zu lang. Und der Preis ist ebenso (noch) ein wenig gewöhnungsbedürftig. Die Süddeutsche Zeitung hat dazu geschrieben: „Ein Hamburger, ein Batzen Kunstfleisch, für eine viertel Millionen Euro. Dagegen ist Kobe-Rind ein Schnäppchen.“

Die Vorteile dieser Methode der Fleischgewinnung liegen auf der Hand und werden von Marc Post nimmermüde wiederholt. Tatsache ist, dass die Rinderzucht enorme Mengen Energie kostet, Umweltschäden verursacht und schlicht fragwürdig effizient ist. Zum Beispiel entstehen 14.000 Gramm CO2-Äquivalente pro Kilogramm Rindfleisch, was in etwa 1.500 km Autofahrt entspricht. Als Vergleich: beim Schwein sind es 3.000, bei Gemüse 150 Gramm CO2-Äquivalente pro Kilogramm. Der Wasser- und Landverbrauch ist ebenso enorm in der Rinderhaltung. Von daher also eine prima Idee, das Rindfleisch aus dem Labor. Eine Studie aus Cambridge bescheinigt dem In vitro-Burger eine Senkung sowohl des Wasserbedarfs als auch der Emissionen von bis zu 96 Prozent.

Und dennoch bleibt der Beigeschmack fahl. Und das nicht nur im wörtlichen Sinne. Denn eine der drei Testesserinnen, die Ernährungswissenschaftlerin Hanni Rützler bezeichnete die Bulette zwar als fleischähnlich aber sie vermisste Salz und Pfeffer. Was der von Kritikern bezeichnete „Frankensteinburger“ definitiv nicht hat, ist Fett. Es handelt sich nämlich ausschließlich um Muskelgewebe. Da Fett aber auch ein Geschmacksträger ist, bleibt noch viel Arbeit im Labor. Ohne Fett gibt es natürlich auch kein Stück Fleisch. Die Schwierigkeit eines zusammenhängenden Stückes liegt vor allem in der Versorgung mit Nährstoffen. Was in vivo die Blutbahnen, will in der Petrischale noch nicht recht gelingen. Aber auch daran arbeitet das Team in Maastricht.

Wird es also in 20 bis 30 Jahren so sein, dass Kühe nur noch für die Idylle in ländlichen Gebieten sorgen oder gar seltene Rinderrassen im Zoo neben dem Elefantengehege zu bestaunen sein werden? Wird es so sein, dass ganze Ställe Laboreinrichtungen weichen? Sind wir schon so nah am „Replikator“ von Raumschiff Enterprise? Hier muss man selbstverständlich auch an die Kommunikatoren von Spock und Kirk denken, die vor 20 Jahren noch als Ausbund drehbuchartiger Fantasie galten und im Jahre 2012 schon jeder Deutsche statistisch mehr als ein Handy besitzt.

Vielleicht waren die zwei Millionen Euro Forschungsgelder, die die Niederlande seit 2004 in das Projekt Klonfleisch investiert hat ja sehr gut angelegt. Die zusätzliche 250.000 Euro Privatspende des Google-Co-Begründers Sergey Brin machen daher schon wieder Sinn, da wir uns in einer Zwischenphase befinden zwischen virtuellem Fleisch und echtem.

Das Thema wird die gesamte Landwirtschafts- und Ernährungsbranche (inklusive Ethikdiskussion) noch sehr lange begleiten. Für Verbraucher wird es erst spannend, wenn wirklich etwas davon im Supermarktregal steht (oder gar beim Metzger?). Ein bezeichnender Kommentar auf der Internetseite des CNN: „Weckt mich, wenn sie ein 100 Gramm Stück eines Kaltwasserlachses bauen können, der unter 15 Dollar kostet“.

Harald Seitz, www.aid.de

 

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