Ein anspruchsvolles Wettbewerbsprojekt unter zwei bestimmenden Fragen: Wie werden alternde Menschen mit seelischen Erkrankungen fertig? Und wie kann ein um Jahrzehnte jüngerer Beobachter das fotografisch am eindrucksvollsten festhalten?
Wen der Fotowettbewerb meint, wie er geht, wo er stattfindet, was er bezweckt, wann Einsendeschluss ist und warum sein Schwerpunkt im Revier liegt – das erzählt Friederike Tornau (30) vom Uniklinikum Bochum des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL). Mit dem Projekt namens AlMaR – Alternde Menschen an der Ruhr – hat die Diplom-Psychologin und Nachwuchsforscherin schon in der Konzeptphase eine Auszeichnung durch „Wissenschaft-im-Dialog“-Juroren eingeheimst.
Warum wollen Sie seelisch leidenden Senioren junge Fotografen auf den Hals schicken?
Tornau: Spitze Frage. Aber es geht überhaupt nicht um Voyeurismus oder aufdringliche Effekthascherei. Vielmehr wollen wir etwas gemeinhin Verborgenes, Verdrängtes, Unsichtbares sichtbar machen. Denn auch unter den demografischen Vorzeichen der ‚alternden Gesellschaft‘ sind alte Menschen eher noch ein ungelittenes Thema, psychisch kranke alte Menschen erst recht. Und es soll gerade nicht deren bloßes Leid dargestellt werden, sondern ihr persönlicher Umgang damit, ihre Auswege, ihre Hoffnungen, ihre Gesundung vielleicht sogar – also etwas Konstruktives, vorwärts Weisendes, vielleicht auch Beispielgebendes für ähnlich Betroffene. „Was geht noch?“ statt „was geht nicht mehr?“: Mit der Betonung der, wie die Fachleute sagen, Ressourcen dieser Menschen versteht sich AlMaR durchaus als Projekt zu deren Integrations- bzw. Inklusionsförderung.
Sichtbarmachung des Unsichtbaren – wie geht das?
Tornau: So zum Beispiel: Auch psychisch beeinträchtigte alte Menschen, etwa Demenzkranke, haben Alltagsmomente, Lieblingsorte, nahestehende Menschen oder ein Hobby, eine Lieblingsbeschäftigung, bei denen sie sich entspannen, zu sich selbst finden, Lebensfreude und -kraft schöpfen. Für den Beobachter, den Fotografen gilt es nun, solchen individuellen Szenarien, solchen vertrauten Momenten im persönlichen Kontakt nachzuspüren und sie so authentisch wie seriös im Bild festzuhalten. Dabei muss die betreffende Person nicht unbedingt erkennbar sein, ausdrucksstark können zum Beispiel auch Hände, Gesten, Körperhaltungen oder andere Eindrücke sein.
Wer kann mitmachen?
Tornau: Als Fotografen angesprochen sind junge Menschen zwischen 16 und 35 Jahren.
Warum die Beschränkung auf diese Altersgruppe?
Tornau: Letztendlich wird diese Altersgruppe – der ich selbst ja angehöre – den demografischen Wandel und seine Folgen handfest erleben, wenn etwa die nette alte Nachbarin oder die eigenen Eltern plötzlich Unterstützung brauchen, wenn eine steigende Zahl betagter Menschen medizinisch, auch gerontopsychiatrisch, zu versorgen ist – mit entsprechend steigendem Aufwand für die Sozialsysteme. Nicht zuletzt: Auch mit Blick auf das eigene Altern ist eine frühzeitige und aktiv-kreative Auseinandersetzung junger Menschen mit eventuellen späteren Einschränkungen, nicht selten auch Ausgrenzungen, sinnvoll. Da haben wir jetzt im Wettbewerb schon etliche positive Rückmeldungen sowohl von den alten Menschen bzw. ihren Angehörigen als auch von jungen Fotografen bekommen.
Warum konzentriert sich der Wettbewerb auf das Ruhrgebiet?
Tornau: Im Revier haben wir bereits eine im Vergleich mit anderen Regionen ‚alte‘ Bevölkerung mit entsprechend häufiger vorkommenden psychischen Alterserkrankungen. Auch leben hier vergleichsweise viele Menschen mit Migrationshintergrund. Vielleicht ist es aufschlussreich, deren mitunter andersartigen Umgang mit solchen Erkrankungen fotografisch abzubilden.
Wie geht’s weiter?
Tornau: Einsendeschluss ist Montag, der 14. Oktober. Alle Fotografien werden dann am 9. November im LWL-Universitätsklinikum Bochum bei einer öffentlichen Ausstellung mit begleitender Tagung gezeigt. Die Ausstellungsbesucher wählen die besten Bilder aus. Sie werden prämiiert mit Preisen von insgesamt 1000 Euro. Und sie bilden die optischen Aufhänger für vielfältige Informationen und einen öffentlichen Dialog beispielweise um die Themen ‚gerontopsychiatrische Erkrankungen‘ und ‚demografische Entwicklung im Revier‘.
Mehr Infos zum Projektverlauf gibt es im Web unter http://www.lwl-uk-bochum.de/almar
LWL-Einrichtung:
LWL-Universitätsklinikum Bochum
Alexandrinenstr. 1
44791 Bochum
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