Im Jahr 2011 wurden in den nordrhein-westfälischen Krankenhäusern 11 469 Patientinnen und Patienten wegen einer Demenz stationär behandelt. Wie Information und Technik Nordrhein-Westfalen als statistisches Landesamt anlässlich des Welt-Alzheimer-Tages (21. September 2013) mitteilt, waren das 5,8 Prozent weniger als 2010 (damals: 12 129 Patienten).
Die Zahl der mit der Hauptdiagnose Demenz behandelten Frauen (7 115) war fast doppelt so hoch wie diejenige der Männer (4 354). Hauptursache dafür ist, dass der Frauenanteil an der Bevölkerung mit steigendem Alter zunimmt. 46,0 Prozent der 50- bis 59-jährigen und 78,5 Prozent der über 90-jährigen Demenz-Patienten waren Frauen. In Hinblick auf das Alter der Erkrankten zeigt sich, dass nahezu alle (99,8 Prozent) Demenz-Erkrankten 50 Jahre oder älter waren; 98,1 Prozent waren mindestens 60 Jahre und 91,2 Prozent mindestens 70 Jahre alt.
Zu den Demenz-Patienten zählen in der Diagnosestatistik neben Alzheimerpatienten auch Erkrankte, die an vaskulärer Demenz oder an nicht näher bezeichneten Demenz-formen leiden. Die Alzheimer-Krankheit ist eine degenerative Hirnerkrankung und ist die am häufigsten auftretende Form von Demenz.
In der Krankenhausdiagnosestatistik wird die Hauptdiagnose aller vollstationär behandelten Kranken einschließlich. der sogenannten Stundenfälle ausgewiesen. Als Stundenfälle bezeichnen die Statistiker Patientinnen und Patienten, die bereits am Aufnahmetag entweder wieder aus dem Krankenhaus entlassen oder in ein anderes Krankenhaus verlegt wurden bzw. am Aufnahmetag verstarben.
Die Hauptdiagnose ist die Erkrankung mit dem größten Anteil an der Behandlungsdauer oder an der medizinischen Leistung. Daher sind sowohl die Demenzbefunde in Verbindung mit anderen Hauptdiagnosen als auch die Gesamtzahl der an Demenz Erkrankten hieraus nicht ermittelbar. Mehrfach in einem Jahr vollstationär behandelte Patienten werden in der Statistik auch mehrfach gezählt. (IT.NRW)
Wissenschaftler des Bonner Universitätsklinikums haben einen neuen Ansatz zur Behandlung chronischer Nierenerkrankungen gefunden: Die Immunzellen, die eine Nierenentzündung aufrechterhalten, benötigen das Molekül Fraktalkinrezeptor. Dieses Molekül stellt einen möglichen Therapieangriffspunkt da, durch den das Voranschreiten von Nierenerkrankungen aufgehalten werden kann. Die Ergebnisse werden nun im „Journal of Clinical Investigation” online vorab vorgestellt. Die Druckausgabe erscheint im Oktober.
Chronische Nierenerkrankungen betreffen in Deutschland bis zu vier Millionen Menschen – die Tendenz steigt. Die Folgen solcher Krankheiten können bis zu einem endgültigen Verlust der Nierenfunktion reichen, die mit regelmäßiger Blutwäsche behandelt werden muss. Die Dialyse ist nicht nur extrem teuer, sondern vor allem auch mit hohen Einschränkungen der Lebensqualität und Lebenserwartung verbunden. Einziger Ausweg ist eine Nierentransplantation.
Ein Nierenkörperchen in Glomerulonephritis mit darum herum angeordneten dendritischen Zellen (grün). (c) Foto: Katharina Hochheiser/UKB
Die Ursachen chronischer Nierenerkrankungen sind häufig fehlgeleitete Immunantworten gegen die Nierenkörperchen sowie Diabetes mellitus und Bluthochdruck. „Aber auch bei diesen nicht primär durch immunologische Vorgänge verursachten Krankheiten spielt das Immunsystem eine wichtige Rolle, indem es chronische Entzündung und die Zerstörung von Nierengewebe und dessen Ersatz durch Narbengewebe fördert“, sagt Prof. Dr. Christian Kurts von den Instituten für Molekulare Medizin und Experimentelle Immunologie (IMMEI) des Bonner Universitätsklinikums.
Die Niere produziert sehr viel Fraktalkin
Dendritische Zellen sind die Wächter und Hauptregulatoren der Immunantwort. Vor wenigen Jahren entdeckte Prof. Kurts mit seiner Mitarbeiterin Katharina Hochheiser, dass dendritische Zellen eine wichtige Rolle beim Fortschreiten von Nierenerkrankungen spielen. Nun gelang beiden eine fundamentale Entdeckung: Dendritische Zellen benötigen das Molekül Fraktalkinrezeptor (CX3CR1), um die Niere zu besiedeln. In anderen Organen spielt dieser Rezeptor dagegen keine führende Rolle. „Wenn dieses Molekül in Versuchsmäusen fehlt, befinden sich 75 Prozent weniger dendritische Zellen in deren Nieren, während andere Organe größtenteils unbeeinflusst bleiben“, berichtet Katharina Hochheiser.
Dieser klare Zusammenhang in der Niere war zunächst erstaunlich, weil dendritische Zellen auch in anderen Organen den Fraktalkinrezeptor besitzen. Die Niere produziert jedoch sehr viel des Moleküls Fraktalkin, das an den Rezeptor bindet. „Dieses Zusammenspiel fördert die Besiedlung der Nieren durch dendritische Zellen und könnte die erstaunlich hohe Zahl dieser Zellen in diesem Organ erklären“, sagt Prof. Kurts.
Versuchsmäuse, denen der Fraktalkinrezeptor fehlt, sind weitgehend vor einer fehlgeleiteten Immunantwort gegen die Nierenkörperchen geschützt, wie die Bonner Forscher in Kooperation mit einer französischen Arbeitsgruppe am Institut national de la santé et de la recherche médicale (Inserm) in Paris und am Universitätsklinikum Eppendorf in Hamburg zeigen konnten. „Somit bieten sich Hemmstoffe dieses Rezeptors zur Therapie an, da auf diese Weise die Zahl der dendritischen Zellen in der Niere verringert werden könnte“, sagt Doktorandin Hochheiser. Dies könnte nicht nur nützlich sein, wenn das fehlgeleitete Immunsystem die Nierenkörperchen angreift, sondern auch bei anderen Erkrankungen der Niere. „Auffallend ist, wie spezifisch dieser Effekt ist: Dendritische Zellen in anderen Organen benötigen den Fraktalkinrezeptor nicht, so dass durch einen Hemmstoff deren Funktionen nicht eingeschränkt werden sollten“, sagt Prof. Kurts.
Interessante Ansätze für Therapien
Immunsuppressive Therapien erhöhen meist das Risiko für Infektionen. Die häufigste Infektion der Niere ist die Nierenbeckenentzündung, die durch Bakterien ausgelöst wird. Früh genug erkannt kann diese Erkrankung mit Antibiotika gut behandelt werden. Dennoch kommt es zu Narben in der Niere und zu häufigen Rückfällen. Dendritische Zellen spielen eine wichtige Wächterfunktion bei dieser Infektion, wie André Tittel, ein weiterer Mitarbeiter aus dem Institut für Experimentelle Immunologie, vor zwei Jahren zeigen konnte. Auf der Basis dieser Beobachtung stellte sich nun die Frage, ob eine Hemmung des Fraktalkinrezeptors das Risiko für Niereninfekte erhöht. Die Wissenschaftler beobachteten aber, dass solche Niereninfekte auch bei fehlendem Fraktalkinrezeptor fast unverändert schnell vom Immunsystem bekämpft werden.
Dies liegt an einem anatomischen Detail: Die dendritischen Zellen benötigen den Fraktalkinrezeptor vorwiegend in der Nierenrinde, wo sich die Entzündung der Nierenkörperchen abspielt, und nicht im Nierenbecken, wo die Infektion stattfindet. „Die geringe Infektneigung ist ein weiterer Grund, aus dem der Fraktalkinrezeptor interessant für die Therapie erscheint“, sagt Prof. Kurts. Es gebe aus epidemiologischen Studien Hinweise, dass diese im Tiermodell beobachteten Mechanismen im Menschen ähnlich ablaufen. Es sind nun klinische Studien erforderlich um zu belegen, dass diese experimentellen Befunde auch für den Menschen gültig sind.
Publikationen:
Exclusive CX3CR1 dependence of kidney DCs impacts glomerulonephritis progression, Journal of Clinical Investigation, DOI: 10.1172/JCI70143
Eine aktuelle Übersicht aus dieser Arbeitsgruppe über immunvermittelte Nierenerkrankungen in: The immune system and kidney disease: basic concepts and clinical implications, Nature Reviews Immunology, DOI: 10.1038/nri3523.
Mit dem Arzneiverordnungs-Report 2013 (AVR) liegen erstmals Daten zur finanziellen Wirkung der frühen Nutzenbewertung neuer Medikamente nach dem Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG) vor. „Das AMNOG wirkt“, betonen die AVR-Herausgeber. Aber die Anlaufphase dauert länger als ursprünglich geplant. Der AOK-Bundesverband schlägt deshalb vor, den gesetzlichen Flankenschutz um zwei Jahre zu verlängern, bis das Instrument der Nutzenbewertung seine volle Wirkung entfaltet hat. Dabei geht es um ein Preismoratorium und den erhöhten Herstellerabschlag. Beide Regelungen laufen laut Gesetz zum 31. Dezember 2013 aus.
Nach einem Rückgang der Arzneimittelausgaben 2011 haben die Krankenkassen 2012 wieder mehr Geld für Medikamente auf den Tisch legen müssen. Nach den vom Wissenschaftlichen Institut der AOK (WIdO) für den AVR erhobenen und analysierten Daten sind die Ausgaben um 2,6 Prozent auf 30,6 Milliarden Euro gestiegen. „Das liegt daran, dass die Menge der verordneten Medikamente steigt und dass Ärzte vermehrt teure Mittel verschrieben haben“, erläutert WIdO-Arzneimittelexperte Helmut Schröder. Einen ähnlich moderaten Anstieg aufgrund dieser sogenannten Struktureffekte erwartet er auch für das laufende Jahr. Doch für 2014 prognostizieren die WIdO-Analysten einen Ausgabenschub um 8,9 Prozent. Mehr als zwei Drittel dieses Schubs weisen sie dem vorgesehenen Auslaufen des Preismoratoriums (drei Prozent) sowie der anstehenden Absenkung des Herstellerabschlags von 16 auf sechs Prozent zu (3,8 Prozent).
Gegen einseitige Lastenverteilung bei AMNOG-Umsetzung
„Das AMNOG ist kein Gesetz wie viele andere, sondern quasi der Einbau des neuen Prinzips der Nutzenbewertung in die deutsche Arzneimittelversorgung bei laufendem Betrieb. Die Etablierung dieses wichtigen Prinzips erfordert eine ausreichend lange Übergangszeit, bis sich das AMNOG auch ökonomisch selbst trägt. Faktisch würden ansonsten in den nächsten Jahren allein die Versicherten in die Etablierung der Nutzenbewertung ’nvestieren'“, sagt Uwe Deh, Geschäftsführender Vorstand des AOK-Bundesverbandes. „Die Einführung des Prinzips der Nutzenbewertung würde mit sehr hohen Ausgabensteigerungen im Arzneimittelbereich zusammenfallen. Um eine solche einseitige Lastenverteilung zu verhindern, sollten auch die Hersteller weiterhin einen relevanten Beitrag leisten. Pragmatisch und für alle Beteiligten planungssicher wäre es, dies durch eine zweijährige Verlängerung des Herstellerrabatts von 16 Prozent und des derzeitigen Preismoratoriums umzusetzen. Das wäre der beste Rückenwind für die Nutzenbewertung.“
Eine Verlängerung entspräche der ursprünglichen Intention des Gesetzgebers. Denn der damalige Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler hatte die Preise für Medikamente, für welche die gesetzlichen Krankenkassen keinen Festbetrag bezahlen, zum 1. August 2010 auf dem Stand von 2009 eingefroren. Zudem wurde der Herstellerabschlag von sechs auf 16 Prozent angehoben. Beide Maßnahmen sollten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) finanziell Luft verschaffen, bis das mit dem AMNOG eingeführte Instrument der Nutzenbewertung für patentgeschützte Arzneimittel Wirkung zeigt.
Mit dem AVR 2013 liegen jetzt erstmals Daten für die finanzielle Wirkung des AMNOG vor. Sie belegen: Das AMNOG wirkt, wird aber noch Zeit brauchen, bis es seine volle Kraft entfaltet hat. Die Bewertung des zusätzlichen Nutzens eines neuen Medikamentes gegenüber der Standardtherapie und die sich anschließenden Preisverhandlungen zwischen Krankenkassen und Herstellern haben laut AVR im vergangenen Jahr zu Minderausgaben von 120 Millionen Euro geführt. Rund zwei Milliarden Euro hatte die Bundesregierung 2010 als jährliches AMNOG-Sparziel prognostiziert. Dass zwischen dieser Planzahl und der Praxis noch eine riesige Lücke klafft, liegt daran, dass die Umsetzung der im AMNOG vorgesehenen Maßnahmen in funktionierende und rechtssichere Verfahren länger gedauert hat als geplant. Die frühe Nutzenbewertung ist Mitte 2011 angelaufen – anderthalb Jahre nach Inkrafttreten des AMNOG. Mit dem Einbeziehen des Bestandsmarkts hat der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA), das oberste Beschlussgremium von Ärzten, Krankenhäusern und Krankenkassen, erst im April dieses Jahres beginnen können. Der Unparteiische Vorsitzende des GBA, Josef Hecken, geht sogar davon aus, dass die Nutzenbewertung erst „in drei bis fünf Jahren“ ihre volle Wirkung entfalten wird. Dann könne man mit Einsparungen von bis zu einer Milliarde Euro jährlich rechnen.
Die Spreu vom Weizen trennen
Für Hecken wie Deh steht in puncto AMNOG jedoch nicht das Sparen im Vordergrund. „Es geht in erster Linie darum, bei neuen Medikamenten die Spreu vom Weizen zu trennen“, betonten beide bei der Vorstellung des neuen Arzneiverordnungs-Reports. Dies gelinge mit der frühen Nutzenbewertung bisher erfreulich gut. Von 48 Wirkstoffen, die bisher das Verfahren der frühen Nutzenbewertung durchlaufen haben, erhielten nach Darstellung von GBA-Chef Hecken lediglich neun die Bestnote „beträchtlicher Zusatznutzen“, 17 Arzneimitteln wurde immerhin noch ein geringer Zusatznutzen attestiert. „Die Heilsversprechen bei der Markteinführung neuer Medikamente werden in den meisten Fällen nicht eingehalten“, sagte Hecken.
Nach wie vor liegt es aber auch in der Hand der Ärzte, therapeutisch wie ökonomisch sinnvoll zu verordnen. Die AVR-Herausgeber Prof. Ulrich Schwabe und Dr. Dieter Paffrath haben auch für die inzwischen 29. Ausgabe ihres Standardwerkes berechnet, wie viel Geld die Krankenkassen weniger für Medikamente ausgeben müssten, wenn alle Einsparmöglichkeiten genutzt würden. Den Löwenanteil machen dabei die sogenannten Analogpräparate aus, bei denen es sich um geringfügige Variationen vorhandener Medikamente handelt, die es Pharmaunternehmen erlauben, finanziell besonders lukrative Produkte länger vor Nachahmerprodukten (Generika) zu schützen. Allein der konsequente Verzicht auf das Verschreiben dieser teuren Analogpräparate würde laut Schwabe und Paffrath mit 2,5 Milliarden Euro zu Buche schlagen.
Prof. Wolf-Dieter Ludwig, Vorsitzender der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, sieht hier die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) in den Ländern in der Bringschuld: „KBV und KVen informieren die Ärzte immer noch nicht ausreichend über die Marketingstrategien der pharmazeutischen Unternehmen.“ Ludwig ärgert sich darüber, dass es den Unternehmen gelinge, „durch Analogpräparate mit geringem therapeutischem Stellenwert Umsätze im dreistelligen Millionenbereich zu erzielen“. Dieses Geld stehe dann für echte Innovationen, die den Patienten tatsächlich besser helfen, nicht mehr zur Verfügung. Auch der Chefpharmakologe der deutschen Ärzteschaft spricht sich deshalb für eine konsequente Aufarbeitung des Bestandsmarktes für patentgeschützte Medikamente aus.
Viel Lob gab es von Schwabe und Paffrath für die Arzneimittelrabattverträge. 2012 haben die gesetzlichen Krankenkassen dank der Generika-Verträge 2,1 Milliarden Euro weniger für die Nachahmerprodukte ausgeben müssen. Die realisierten Einsparungen liegen damit deutlich über dem von den AVR-Experten in den Vorjahren berechneten Wirtschaftlichkeitspotenzial im Generikabereich. Rabattverträge decken inzwischen gut die Hälfte des Generikamarktes ab.
Die Hepatitis B zählt zu den verbreitetsten gefährlichen Viruserkrankungen weltweit. Wissenschaftler des Bonner Universitätsklinikums und der Universität Gießen haben in Proben einer Gelbohr-Fledermaus ein Virus entdeckt, das mit dem Hepatitis B-Erreger eng verwandt ist und das Potential besitzt, Leberzellen des Menschen zu infizieren. Die Forscher stellten fest, dass die herkömmliche Hepatitis B-Impfung gegen dieses Virus nicht wirkt. Die Ergebnisse werden in der aktuellen Ausgabe der Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) vorgestellt.
Hepatitis B ist eine Infektionskrankheit, die zu Leberentzündung und Krebs führen kann. Die Übertragung des Virus erfolgt vor allem sexuell, über Blut und von der infizierten Mutter auf ihr Neugeborenes während der Geburt. Mit rund 240 Millionen chronisch infizierten Menschen weltweit zählt die Hepatitis B zu den häufigsten Viruserkrankungen. „Rund 620.000 Tote jährlich werden mit Hepatitis-B-Infektionen in Zusammenhang gebracht“, sagt Dr. Jan Felix Drexler vom Institut für Virologie des Universitätsklinikums Bonn. Mysteriös war bislang, woher das Hepatitis B-Virus stammt.
Um der Herkunft des Virus auf die Spur zu kommen, nahmen die Virologen des Bonner Universitätsklinikums mit ihren Kollegen von der Universität Gießen und Forschern aus weiteren Ländern Blut- und Leberproben von Tausenden Fledermäusen aus Panama, Brasilien, Gabun, Ghana, Papua-Neuguinea, Australien und Deutschland. „Fledermäuse leben seit vielen Millionen Jahren auf engstem Raum in Kolonien zusammen. Das begünstigt die Übertragung von Krankheitserregern und macht sie zu idealen Modellen für die Untersuchung zur Herkunft von Viren“, sagt Prof. Dr. Christian Drosten, Direktor des Instituts für Virologie am Universitätsklinikum Bonn.
Drei Virenarten sind mit dem Hepatitis B-Erreger eng verwandt
Die Wissenschaftler testeten die Fledermausproben auf virales Erbgut des Hepatitis B-Erregers. Von den 3.080 beprobten Fledermäusen wurden die Forscher bei zehn Individuen fündig. „Wir haben drei verschiedene Virusarten gefunden, die dem Hepatitis B-Virus des Menschen sehr ähnlich sind“, sagt Dr. Drexler. Die Bonner und Gießener Forscher stellten eine künstliche Kopie des Erbguts der verschiedenen Virenarten her, um sie anschließend für weitere Tests zu vermehren. „Wir haben die Hepatitis B-Virus-Spezies quasi wiederauferstehen lassen“, sagt Privatdozent Dr. Dieter Glebe vom Institut für Medizinische Virologie der Justus-Liebig-Universität Gießen und Leiter des Nationalen Referenzzentrums für Hepatitis B- und Delta-Viren.
Nun war die Frage, ob die in den Fledermäusen entdeckten Viren tatsächlich auch das Potential haben, die menschliche Leber infizieren zu können. Da jedoch infektiöse Hepatitis-B-Viren im Labor nur sehr schwer zu erzeugen sind, mussten die Gießener Virologen einen speziellen Trick anwenden. Hierfür bedienten sie sich des Hepatitis Delta Virus, das die Hülle des Hepatitis-B-Virus benutzt, um natürlicherweise die menschliche Leber zu infizieren. Im Labor erzeugten die Virologen daher veränderte Hepatitis Delta Viren, die nun die Hüllen der neu entdeckten Fledermaus-Viren enthielten. Diese wurden daraufhin zu menschlichen Leberzellen gegeben, die die Forscher im Labor kultivierten. Nur die Viren aus einer Gelbohr-Fledermaus (Uroderma bilobatum) konnten tatsächlich auf diese Weise zu einer Infektion der menschlichen Leberzellen beitragen, während die beiden anderen Fledermaus-Viren zu keiner Infektion führten. „Damit ist der Beweis erbracht, dass dieses eine Virus tatsächlich von der Fledermaus auf den Menschen überspringen könnte“, sagt Dr. Drexler.
Hepatitis B-Standardimpfung wirkt nicht gegen das Fledermausvirus
Weitere Tests mit dem für Menschen potentiell infektiösen Virus ergaben, dass die weltweit verbreitete Standardimpfung gegen Hepatitis B nicht vor diesem Virus schützt. „Dieser Befund ist sehr beunruhigend, weil er die Frage aufwirft, ob es mit der herkömmlichen Impfung gelingen kann, Hepatitis B weltweit auszurotten“, sagt Prof. Drosten. Dass der jetzige, weltweit verwendete Impfstoff gegen Hepatitis B trotz guter Schutzwirkung bei Neugeborenen und Kindern ohnehin vermehrt Lücken in der Schutzwirkung zeigt, wie z.B. bei älteren Personen und Dialysepatienten, darauf weist PD Dr. Glebe vom Nationalen Referenzzentrum für Hepatitis-B- und D-Viren hin. „Die Entdeckung von neuen Hepatitis-B-Viren aus Fledermäusen sollte ein Ausgangspunkt für die Entwicklung wirksamerer Hepatitis-B-Impfstoffe sein“, sagt PD Dr. Glebe.
Die Auswertung der Laborergebnisse und weitere evolutionsbiologische Untersuchungen ergaben, dass das Gelbohr-Fledermaus-Virus mit dem menschlichen Hepatitis B-Virus sehr eng verwandt ist und seinen Ursprung wahrscheinlich in den Fledermäusen hat. Eine Ausrottung der Fledermäuse wäre jedoch weder sinnvoll noch möglich, sagt Prof. Drosten. „Diese Wildtiere sind von unschätzbarem Wert für unsere Ökosysteme.“
Publikation: Bats carry pathogenic hepadnaviruses antigenically related to hepatitis B virus and capable of infecting human hepatocytes, Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS), DOI: 10.1073/pnas.1308049110