Die Arbeit ist mühsam: Halm für Halm, Bündel für Bündel bringen die Arbeiter das Reet in die Dachkonstruktion ein. Stückweise wächst das neue Dach der Scheune im Niederrheinischen Freilichtmuseum des Kreises Viersen. Das Gebäude der historischen Hofanlage aus Viersen-Hagen wird renoviert – „mit einem originalgetreuen Dach und nach historischem Handwerk“, sagt Peter Schmütz, Inhaber der Dachdeckerei Schmütz. Die Firma aus Oldenburg ist mit den Arbeiten betraut.
Die norddeutschen Handwerker nutzten das gute Wetter der vergangenen Tage, um das alte Reet von der Scheune zu nehmen und durch eine neue Abdeckung zu ersetzen. Die Handwerker aus dem Norden sind bekannt im Niederrheinischen Freilichtmuseum, Am Freilichtmuseum 1 in Grefrath: Vor vier Jahren statteten sie das Pannekookenhuus mit einem neuen Dach aus. „Wir freuen uns, dass die Experten nun wieder für die Arbeiten an den Niederrhein kommen“, sagt Herbert Verlinden, Architekt des Kreises Viersen. Da Reetdächer heutzutage selten sind, ist das Handwerk am Niederrhein nicht weit verbreitet.
Für die Hofanlage Hagen ist es die erste Dachsanierung. Sonne, Wind und Regen hatten der Wetterseite zugesetzt. Dort kommen nun 1600 Bündel Reet auf 160 Quadratmeter Dachfläche – jedes einzelne Bündel mit einem Gewicht von drei Kilogramm. Das Reet der anderen Dachseiten ist noch gut in Schuss und muss vorerst nicht ersetzt werden. Die Kosten betragen 28.000 Euro.
Reet ist eine der ältesten Baustoffe. Das Teichschilfrohr wächst an Ufern von Seen und Flüssen. Die nun verbauten Halme stammen vom Plattensee in Ungarn. Im Winter „ernteten“ und trockneten die niederrheinischen Bauern die verblühten Halme. Das Reetdach sieht aber nicht nur gut aus. „Es hat hervorragende Dämmeigenschaften“, sagt Waldemar Wesner, Vorarbeiter der Dachdecker. Im Sommer sorgt die Reetschicht im Haus für angenehme Kühle; im Winter hält es die die Wärme in der Wohnung. Die hohlen Halme ermöglichen eine ideale Luftzirkulation.
Wer den Handwerkern bei der Arbeit zusehen möchte, hat noch rund zwei Wochen Gelegenheit dazu. So lange dauern die Arbeiten an der Hofanlage Hagen noch an. Das Niederrheinische Freilichtmuseum ist geöffnet: täglich außer montags, 10 bis 18 Uhr (ab November 10 bis 16 Uhr). Der Eintritt kostet 4,50 Euro, ermäßigt 3,50 Euro. Kinder und Jugendliche zahlen 1,50 Euro und haben am Wochenende freien Eintritt.