Alle Lebewesen sind Konkurrenzdruck ausgesetzt. Individuen unterscheiden sich aber stark darin, wie sie mit dieser Herausforderung umgehen. Beim Menschen zum Beispiel setzen manche alles daran, erfolgreicher zu sein als andere, um besseren Zugang zu wichtigen Ressourcen zu erhalten. Andere dagegen lassen es ruhiger angehen und machen das Beste aus dem Wenigen, das sie bekommen. Forscher der Universitäten Bonn, Bielefeld und Groningen zeigen, warum die Evolution von Wettbewerbsfähigkeit eine derartige Vielfalt erzeugt und wie eine einseitige Favorisierung von besonders kompetitiven Individuen eine Population in den Ruin treiben kann. Die Studie ist nun im Fachjournal „Nature Communications“ erschienen.
Das Wissenschaftler-Team der Universitäten Bonn, Bielefeld und Groningen entwickelte theoretische Modelle, um die Evolution von Wettbewerbsfähigkeit in Organismen zu analysieren. „Für unsere Untersuchungen haben wir uns am Beispiel des Paarungsmarktes orientiert“, sagt Erstautor Dr. Sebastian Baldauf vom Institut für Evolutionsbiologie und Ökologie der Universität Bonn. Bei vielen Arten entwickeln Individuen Merkmale, wie zum Beispiel Waffen, die bei der Konkurrenz um Ressourcen mit anderen Artgenossen einen Vorteil bieten. Gleichzeitig sind aber derartige Merkmale auch mit Kosten verbunden: Die Verteidigung eines großen Territoriums erfordert derart viel Zeit und Energie, dass zum Beispiel die Brutpflege zu kurz kommt.
Im Modell wird darum angenommen, dass eine Erhöhung der Konkurrenzfähigkeit den Zugang zu besseren Ressourcen ermöglicht, aber gleichzeitig verhindert, diese Güter in vollem Umfang für die eigene Reproduktion ausnutzen zu können. Das Modell sagt unter diesen Bedingungen voraus, dass im Laufe der Evolution ein großes Maß an Vielfalt entsteht: Ein Teil der Population ist dann äußerst kompetitiv und bekommt den Löwenanteil der höherwertigen Ressourcen, während der Rest sich dem Konkurrenzkampf erst gar nicht aussetzt und sich mit weniger zufrieden gibt.
Sind die Unterschiede in den Ressourcen dagegen groß, kommt es zu Zyklen in der Konkurrenzfähigkeit. In diesem Fall entsteht zunächst eine Art Waffenwettlauf. Irgendwann ist dann aber eine Grenze erreicht, bei der die Investitionskosten in die eigene Wettbewerbsfähigkeit den Nutzen überschreiten. Die Konkurrenzfähigkeit bricht ein, bis dann nach einiger Zeit der Waffenwettlauf aufs Neue beginnt. Dr. Baldauf: „Unser Modell kann somit unter sehr plausiblen Annahmen sowohl die Koexistenz von alternativen Wettbewerbsstrategien als auch die wahrgenommenen großen Schwankungen in der Konkurrenzfähigkeit von Organismen erklären.“
Märkte heizen Konkurrenz an
Bei vielen Organismen konkurrieren in der Regel die Männchen um Ressourcen, während die Weibchen das wählerische Geschlecht bei der Partnerwahl sind. Die Forscher untersuchten daher auch die Möglichkeit, dass Weibchen Vorlieben für verschiedene Konkurrenzstrategien bei Männchen entwickeln konnten. „Auf dem Paarungsmarkt entsteht eine starke Präferenz der Weibchen für sehr wettbewerbsfähige Männchen, welche hoch qualitative Ressourcen besitzen“, sagt Dr. Leif Engqvist von der Abteilung Evolutionsbiologie der Universität Bielefeld. Dies mache biologisch Sinn, da solche Männchen augenscheinlich mehr Ressourcen für die Reproduktion der Weibchen bieten. Jedoch werden dadurch die Männchen angeheizt, mehr als notwendig in ihre Konkurrenzfähigkeit zu investieren – selbst wenn es nur wenig zu gewinnen gibt. Unter ökologisch schlechten Bedingungen kann dies dazu führen, dass die Anforderungen an die Männchen den Wert der Ressource überschreiten, was letztendlich zum Aussterben der Population führen kann.
Unter bestimmten Bedingungen können jedoch auch Paarungsmärkte entstehen, bei denen sich die Weibchen in ihren Vorlieben für verschiedene Männchen unterscheiden. Wenn Männchen die Kosten des Wettbewerbs vermeiden, können sie durch den umsichtigen Umgang mit etwas geringeren Ressourcen einen ähnlichen Erfolg erzielen wie die wettbewerbsorientierten Artgenossen.
„Es ist immer Vorsicht geboten, wenn man derartige Befunde von evolutionären Modellen auf den Menschen übertragen möchte“, sagt Prof. Dr. Franjo Weissing vom Zentrum für ökologische Evolutionsstudien der Universität Groningen (Niederlande). Aber es erscheine durchaus plausibel, dass ganz ähnlich gelagerte Prozesse beim Menschen dazu führen, dass sich Gesellschaften stark in ihrem Nachdruck auf Konkurrenzfähigkeit unterscheiden und dass innerhalb einer Gesellschaft sehr starke Unterschiede in den Wettbewerbsstrategien bestehen. Eine einseitige Favorisierung von vermeintlich erfolgreichen, wettbewerbsorientierten Individuen könne in großem Maßstab zur Verschwendung von Ressourcen führen.
Publikation: Baldauf, S. A., Engqvist, L. & Weissing, F. J.: Diversifying evolution of competitiveness. Nature Communications, DOI: 10.1038/ncomms6233