Der mit 30.000,- € dotierte Wilhelm-Raabe-Literaturpreis, gestiftet von der Stadt Braunschweig und dem Deutschlandfunk, geht in diesem Jahr an Marion Poschmann für ihren Roman „Die Sonnenposition“ (erschienen 2013 im Suhrkamp Verlag). Der Oberbürgermeister der Stadt Braunschweig, Dr. Gert Hoffmann, und der Intendant von Deutschlandradio, Dr. Willi Steul, stimmten dem Vorschlag der Jury zu. Sie überreichen Marion Poschmann den Wilhelm-Raabe-Literaturpreis 2013 am 2. November im Rahmen eines Matinee-Festaktes im Kleinen Haus des Braunschweiger Staatstheaters.
Die Jury des Wilhelm-Raabe-Literaturpreises, die am 1. Oktober tagte, setzt sich in diesem Jahr zusammen aus Prof. Dr. Gerd Biegel (Präsident der internationalen Raabe-Gesellschaft), Thomas Geiger (Literarisches Colloqium Berlin), Ina Hartwig (Frankfurter Rundschau), Dr. Anja Hesse (Dezernentin für Kultur und Wissenschaft der Stadt Braunschweig), Richard Kämmerlings (DIE WELT), Kristina Maidt-Zinke (Süddeutsche Zeitung), Dr. Michael Schmitt (3sat), Prof. Dr. Renate Stauf (Institut für Germanistik, TU Braunschweig) und Dr. Hubert Winkels (Deutschlandfunk).
Die Begründung der Jury:
„Marion Poschmann ist eine Meisterin der Camouflage und der Mimikry, der Spiegelung und Täuschung, der Dialektik des Sich-Zeigens und des Verbergens.
In einem langsam verfallenden Schloss in Brandenburg, in das die Spuren des 20. Jahrhunderts überall eingeschrieben sind, lässt sie ihren rheinischen Helden und Erzähler, den Therapeuten Altfried Janisch seinen Patienten gegenüber ´Die Sonnenposition´ suchen; den Punkt, von dem die Orientierung ausgeht, das Sichtbare sich erzeugt. Doch schon der erste Satz des Romans klärt über die gemischten Verhältnisse zwischen Licht und Dunkelheit, Aufklärung und Romantik, Erkenntnis und Verdrängtem auf: ‚Die Sonne bröckelt‘ lautet er.
Tatsächlich ist ´Die Sonnenposition´ auch eine erzählerische Meditation über die Rück- und Abseiten der Dinge, über Schatten und Kontraste. Über die schwer greifbare Wahrheit, die fehlende Substanz der Welt. So wie Altfried und sein verstorbener Freund Odilo in ihrer Jugend Erlkönigen nachgejagt sind – das sind Prototypen der Autoindustrie, die lange vor der Marktreife in optisch kaschiertem und verzerrtem Zustand bei Nacht und Nebel auf deutschen Straßen getestet werden -, so stößt der Versuch, die menschlichen Dinge zu begreifen immer wieder auf schräge Signale, Verzerrungen, Lichtquellen zwischen Verlockung und Todesdrohung.
Mit großer Verve, mit Spielfreude, aber vor allem mit feinstmechanischer Sorgfalt, setzt Marion Poschmann die Motive, die Anspielungen, die Klänge in intime Beziehungen zueinander. Es entsteht dabei eine lyrische Prosa, die auch das epische Format tragen kann und beim lauten Lesen ihr sprachliches Aroma ganz besonders entfaltet. Es entsteht eine beschreibende Prosa, die ihresgleichen in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur sucht.“
Der Wilhelm-Raabe-Literaturpreis wird jährlich vergeben und würdigt einen aktuellen, zeitgenössischen Roman. Zu den bisherigen Preisträgern gehören Rainald Goetz, Jochen Missfeldt, Ralf Rothmann, Wolf Haas, Katja LangeMüller, Andreas Maier, Sibylle Lewitscharoff und Christian Kracht.