Prof. Dr. UIrich Trenckmann ist Ärztlicher Direktor der LWL-Klinik Hemer, (Hans-Prinzhorn-Klinik), die eine hoch spezialisierte Depressionsstation hat, nach einer Auflistung des Nachrichtenmagazins „Focus“ eine der besten in Deutschland.
Herr Professor Trenckmann, in den Zeitungen liest man von Freunden und Bekannten, die oft völlig überrascht sind von einer Selbsttötung. Gibt es Vorboten?
Ja, bei den allermeisten suzidnalen Krisen haben die Betroffenen vorab nicht nur Befindensstörungen beklagt und Verhaltensauffälligkeiten gezeigt, sondern auch direkt von Suizidgedanken oder zumindest vom Verlust an Lebensmut gesprochen.
Die Umwelt reagiert darauf sehr unterschiedlich. Manchmal erscheint dem Zuhörer das Thema zu heikel, als dass er nachfragt. Ein anderes Mal wird das von der Umwelt abgewehrt oder sogar als Erpressung fehlgedeutet. Eine solche Zurückweisung erhöht natürlich die Gefahr eines tatsächlichen Suizides: Die Erkrankten fühlen sich unverstanden und abgelehnt.
Was soll man als Laie tun?
Für Laien, d.h. meistens Personen im direkten Umfeld, ist es wichtig zu zeigen, dass man zuhört und mit dem Betroffenen klären möchte, was ihn in diese verzweifelte Situation gebracht hat. Bei einem deutlich überwiegenden Anteil suizidaler Menschen liegt eine dringend behandlungsbedürftige psychische Störung vor, meist depressive Erkrankungen. Teilweise sind sie reaktiv ausgelöst, das heißt es kommt zur Krise, weil jemand mit einem sehr enttäuschenden und belastenden Ereignis konfrontiert ist, z. B. dem Scheitern einer Partnerschaft. Man fühlt sich allein und verlassen und das Leben hat keinen Wert mehr.
Besonders schwierig wird es, wenn die schwere Depression durch psychotische Symptome begleitet wird: In wahnhafter Weise nehmen die Erkrankten an, dass alles und jedes hoffnungslos sei, alles würde sich nur noch gegen sie richten, sie seien völlig verarmt oder ohnehin wäre die ganze Umwelt gegen sie eingestellt.
Es gibt Fälle, in denen zum Beispiel ein Vater erst seine Kinder, dann sich tötet. Warum wollen Menschen andere mit in den Tod nehmen, wenn sie ihrem eigenen Leben ein Ende setzen?
Gerade in schweren Krisen entwickelt sich manches Mal der Gedanke an einen so genannten erweiterten Suizid. Ein wahnhaft verarmter, sehr depressiver Mann glaubt beispielsweise, dass nicht nur er finanziell keine Chance hätte, sondern die ganze Familie in schwerster Armut leben müsse. Dies will er keinem zumuten. Deshalb fasst er den Entschluss, dass die Familie insgesamt aus dem Leben scheiden müsse. Das ist absolut erschreckend und besonders unglücklich, weil unbeteiligte Mitmenschen des Erkrankten zu Tode kommen können.
Was tun die Fachleute?
Für Fachleute ist es erst einmal wichtig, von solchen Symptomen möglichst früh Nachricht zu bekommen. Es gibt in der weit überwiegenden Zahl der Fälle effektive Behandlungsansätze. Manchmal ist es notwendig, eine Behandlung gegen den Willen der Betroffenen einzuleiten. Die Zwangseinweisung ist aber zum Glück die Ausnahme.
In der Regel schaffen es Fachleute, in einen guten therapeutischen Gesprächskontakt mit den Erkrankten zu kommen. Es geht in erster Linie darum, dass die Betroffenen selbst erkennen, dass der jetzige Zustand zwar eine schwere gesundheitliche Beeinträchtigung darstellt, aber es Hoffnung und Perspektiven gibt.
Bereits frühzeitig sollten Angehörige als wichtige Unterstützung im Behandlungsprozess einbezogen sein. Es gibt nur eine sehr kleine Minderheit von schwerst Depressiven, hochgradig Suizidgefährdeten, die sich so weitgehend zurückziehen, dass die Umwelt gar nichts von der Schwere der psychischen Störung bemerkt. In den allermeisten Fällen können wir schwer depressiven oder sogar suizidgefährdeten Menschen helfen. (Stand: 12/2012)
LWL-Einrichtung:
LWL-Klinik Hemer
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58675 Hemer
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