Nachhaltiger Konsum: Unabhängiges Label gefordert

Druckfrisch lag sie auf den Konferenztischen: Die Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats für Verbraucher- und Ernährungspolitik zum Thema „Nachhaltiger Konsum“. Der Diskussionsrahmen: Das Fachforum Verbraucherforschung in Bonn, organisiert vom Netzwerk Verbraucherforschung des Bundesernährungsministeriums, der Verbraucherzentrale NRW, der TU-Berlin und dem Wuppertal Institut. Der Inhalt: Weniger erfreulich bis dringend.

„Wir sind Klimakiller statt Klimaweltmeister“, sagte Professor Ulf Schrader. Er ist Leiter des Fachgebiets Arbeitslehre/Ökonomie und Nachhaltiger Konsum an der TU Berlin und Hauptautor der Stellungnahme. „Seit 1990 haben wir überhaupt nichts eingespart, das liegt vor allem an unserem Konsumniveau“, stellte er fest. So heißt es denn auch in dem Bericht: „Statt bei dem vom Umweltbundesamt für nachhaltig gehaltenen Ausstoß von 2,5 Tonnen CO2-Äquivalenten pro Person und Jahr liegt Deutschland bei etwa 10 Tonnen. Die seit 1990 erreichten Einsparungen wurden durch zusätzlichen Ausstoß an Treibhausgasen in anderen Ländern für die Produktion in Deutschland konsumierter Produkte vollständig kompensiert. Ähnliches gilt für den Ressourcenkonsum und die Flächenbeanspruchung.“

„Klimaweltmeister waren wir noch nie“, meint Schrader, „und wenn wir uns ansehen, welche sozialen Effekte es entlang der Wertschöpfungskette gibt, dann sind die Näherinnen in Bangladesch sicher nur die Spitze des Eisbergs.“ Er wünscht sich mehr Selbstkritik von der Politik angesichts der bisher bescheidenen Erfolge. Dem Staat komme beim nachhaltigen Konsum eine Doppelrolle zu. Er setzt den Rahmen für das Agieren von Unternehmen und Verbrauchern und ist gleichzeitig selbst Nachfrager und Anbieter von Produkten.

Auf beiden Ebenen machen die Wissenschaftler des Beirats konkrete Handlungsvorschläge. „Wir wollen als Konsumenten nicht nur hauptberuflich nach nachhaltigen Wahlmöglichkeiten suchen“, sagte Schrader, „wir brauchen ökologische Mindeststandards.“ Nachhaltige Konsumoptionen müssten leichter gemacht werden, zum Beispiel durch „Preise, die die ökologische Wahrheit sagen“, eine Wirtschaftspolitik, die Nachhaltigkeitsinnovationen fördert und die Bereitstellung einer Infrastruktur, die nachhaltiges Handeln leicht macht, sei es der Nahverkehr oder Fahrradstraßen.

In der Schweiz wurde beispielsweise schon vor zehn Jahren per Volksentscheid beschlossen, Bahn und Bus auszubauen, statt weiter in den Individualverkehr zu investieren. Der Staat könne aber auch als Anbieter von Gütern, zum Beispiel in Kantinen und Schulen den Nachhaltigen Konsum unterstützen. Verbraucherorganisationen oder Dialoge mit Bürgern sollten aktiv gefördert werden und Verbraucherbildung weiterentwickelt und ausgebaut. Die „Labelhypertrophie“ hingegen müsse dringend eingeschränkt werden, heißt es in dem Gutachten. Der Beirat regt ein unabhängiges Metalabel für Nachhaltigkeit an. Auf jeden Fall aber, so der letzte Satz in dem Bericht, solle sich das Bundesernährungsministerium „diesem Thema in Zukunft deutlich intensiver widmen als das in der Vergangenheit der Fall war.“

Uwe Schneidewind, Präsident des Wuppertal Instituts, plädierte in seiner Abschlussrede für eine Kultur des Experimentierens. Freiheit sei nicht gleich Konsumfreiheit, meinte er. „Das, was wir hier vor uns haben, ist ein gewaltiges gesellschaftliches Entwicklungsprojekt“. Die Dinge laufen jedoch langsamer als wir es uns wünschen. Unsere Gesellschaft müsse erstmals in der Moderne damit umgehen können, dass das materielle Wachstum nicht weiter vorangeht. Bei allen anderen Gesellschaftssystemen der Vergangenheit kam es an diesem Punkt zum kulturellen Zusammenbruch. „Wir müssen erkennen, dass das eigentliche Entwicklungspotenzial im gesellschaftlichen Miteinander entsteht und dass wir dies erstmals in breiter Weise organisieren müssen“, so sein Fazit.

Gesa Maschkowski, www.aid.de

Weitere Informationen:
www.aid.de/nachhaltigkeit.php

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