Wie erinnert unsere Stadtgesellschaft an die vernichtende Bombardierung Kassels am 22. Oktober 1943? Und welche Bedeutung hat die gemeinsame Erinnerung für die Stadt und ihre Bürgerinnen und Bürger auch in Zukunft? Diesen Fragen rund um das bis in unsere Tage hin nachwirkende tragische Ereignis wird mit Berichten und Gesprächen bei der Gedenkveranstaltung der Stadt Kassel zum 70. Jahrestag der Bombardierung und Zerstörung Kassels nachgegangen.
Als „eine schreckliche Zäsur in der Geschichte unserer Stadt“, bezeichnet Oberbürgermeister Bertram Hilgen die Bombennacht in Kassel vor 70 Jahren. Am 22. Oktober 1943 warfen alliierte Fliegerverbände binnen eineinhalb Stunden etwa 400.000 Stabbrandbomben ab. Sie zerstörten rund 80 Prozent der Gebäude, darunter fast die gesamte Altstadt. Etwa 10.000 Menschen starben.
Wie jedes Jahr, wird in Kassel auch 2013 an diese Nacht erinnert. So findet unter dem Titel „Frieden durch Erinnerung“ eine Gedenkveranstaltung am Dienstag, 22. Oktober, ab 18 Uhr in der Kirche St. Elisabeth statt. Dort werden Zeitzeugenberichte zu hören sein, und es gibt unter anderem Gespräche mit Menschen, die die Bombardierung und die folgenden Jahre in der zerstörten Stadt erlebt haben. Auch die heutige Generation kommt zu Wort: Welche Blicke werfen junge Menschen auf das im Herbst 1943 Geschehene? Wie wird die Erinnerung an derart traumatische Erlebnisse über Generationen hinweg getragen? Was nimmt eine Stadtgesellschaft wie Kassel davon mit in die Zukunft? Diesen Fragen geht die Gedenkveranstaltung ebenfalls in einer Gesprächsrunde mit Prof. Dr. Heidi Möller vom Institut für Psychologie der Universität Kassel und Oberbürgermeister Bertram Hilgen nach.
Ab 20 Uhr schließt sich an gleicher Stelle der traditionelle ökumenische Gottesdienst an. Zuvor findet um 14 Uhr auf dem Hauptfriedhof eine Kranzniederlegung für die Opfer der Bombennacht statt.
Bereits ab Montag, 21. Oktober, ist im Stadtverordnetensaal des Rathauses die Ausstellung „Bilder unserer verlorenen Stadt“ zu sehen. Historische Fotos zeigen das alte Kassel. (Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 8 bis 18 Uhr.)
Zu allen Gedenkveranstaltungen lädt Oberbürgermeister Hilgen die Einwohnerinnen und Einwohner der Stadt Kassel sowie alle Interessierten ganz herzlich ein.
Das Ausmaß des körperlichen und seelischen Leides in jener Bombennacht sei aus heutiger Sicht unvorstellbar, sagte Hilgen. Fast jeder, der die Bombardierung überlebte, habe Angehörige oder Freunde verloren. Für einen Großteil der Einwohnerinnen und Einwohner hätten die Bomben zudem nichts mehr übrig gelassen vom einstigen Hab und Gut. „Die Stadt war ein Trümmerhaufen und vieles, was die Menschen an Kassel liebten, nicht mehr da.“ Es grenze an ein Wunder, wie angesichts dessen der Wiederaufbau geschafft wurde und die Stadt heute in neuer Blüte stehe.
Hilgen betonte, dass der historische Ausgangspunkt der größten Zerstörung in der Geschichte Kassels in Deutschland lag. Es seien der Nationalsozialismus und der von Deutschland begonnene Zweite Weltkrieg, die die Bombennacht ausgelöst hätten.
Seiner geschichtlichen Verantwortung bewusst hat Kassel aus der bitteren Vergangenheit Lehren gezogen: In Kassel wird deshalb heute ganz bewusst eine stadtgesellschaftliche Kultur der Toleranz und des solidarischen Miteinanders gelebt. Hilgen: „Es ist breiter gesellschaftlicher Konsens, dass jedwede Form von Intoleranz keinen Raum haben darf.“
Auch das hr-Fernsehen widmet sich der Bombennacht: mit der 45-Minuten-Dokumentation „Kassel im Feuersturm – Das Bombeninferno vor 70 Jahren“ am Dienstag, 22. Oktober, um 21.45 Uhr sowie mit drei Beiträgen über das historische Kassel jeweils in den Hessenschauen am Montag, Dienstag und Mittwoch, 21. bis 23. Oktober, ab 19.30 Uhr.