Sie sind erfolgreich im Beruf, haben eine Familie gegründet und den sozialen Aufstieg geschafft – und doch war es ein beschwerlicher Weg. Die erfolgreichen Nachkommen türkischer Einwanderer berichten im Rahmen der internationalen Studie der Universität Osnabrück »Pathways to Success« davon, wie sie oftmals von der Schule alleingelassen oder bei Bewerbungssituationen benachteiligt und diskriminiert wurden. Hochschulen und Schulen sind bislang nicht ausreichend auf den Umgang mit der zunehmenden gesellschaftlichen Vielfalt vorbereitet. Dadurch erhalten Einwandererkinder nicht die Starthilfe, die sie für den beruflichen Aufstieg benötigen. Die Stiftung Mercator hat das Projekt mit 365.000 Euro gefördert.
Das Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) an der Universität Osnabrück hat mit der Studie erstmals detaillierte Daten zu Erfolgsfaktoren und Hindernissen bei der Integration von Kindern türkischer Einwanderer erhoben und ausgewertet. Sehr viele Interviewpartner berichteten davon, dass ihre Schulen weder Interesse noch Glauben an ihre Talente zeigten. Neben der Eigenleistung gab oftmals die persönliche Hilfe einer Lehrerin oder eines Lehrers, eines Nachbarn oder der Eltern von Schulfreunden den entscheidenden Ausschlag für den Bildungserfolg. Häufig war der Erfolg also von Zufällen abhängig.
Immer noch schaffen es nur sehr wenige Kinder aus türkischstämmigen Arbeiterfamilien in Deutschland auf das Gymnasium – während dies in anderen EU-Staaten weit häufiger der Fall ist. Die Befragten haben überdurchschnittlich von Schulformen profitiert, die auf gesellschaftliche Integration aller sozialen Schichten ausgelegt sind – darunter vor allem Gesamtschulen. Dank der höheren Dichte von Gesamt- und Ganztagsschulen sind im Ruhrgebiet deutlich mehr Befragte auf die Universität oder Fachhochschule gelangt als beispielsweise in Berlin. »Die Gesamtschule ist für die untersuchte Gruppe eine gute Alternative zum Gymnasium. Sie ist durchlässiger, gleicht Startnachteile besser aus und kann dadurch Wegbereiter für den beruflichen Aufstieg sein«, sagt Prof. Dr. Andreas Pott, Projektleiter und Leiter des IMIS.
Die Studie zeigt außerdem, dass nach der schulischen Laufbahn häufig Vorurteile gegenüber Migranten den Übergang in die Arbeitswelt erschweren: Die Beteiligten berichten, dass der Migrationshintergrund immer wieder in Bewerbungssituationen im Vordergrund stand – sowohl in der freien Wirtschaft als auch im öffentlichen Dienst. Hier reichen die Beschreibungen von offen diskriminierender Behandlung bis zu vorurteilsbehafteten Äußerungen. »Besonders der öffentliche Dienst sollte hier Vorreiter sein für die stärkere interkulturelle Öffnung auch der Führungsetagen. Dazu gibt es eine Reihe von vielversprechenden Ansätzen, wie die Selbstverpflichtung auf Quoten für Menschen aus Nichtakademikerfamilien und/oder mit Zuwanderungsgeschichte vor allem bei der Vergabe von leitenden Stellen«, so Pott weiter.
Trotz Diskriminierungserfahrungen fühlen sich die meisten Interviewten in Deutschland und an ihrem Wohnort zuhause. Sie sind stolz auf den erreichten Bildungs- und beruflichen Erfolg, gleichzeitig sehen sie aber auch, dass ein vergleichbarer beruflicher Erfolg für die zweite – und auch die dritte – Generation in Deutschland bis heute mit erheblichen Hürden verbunden und keineswegs selbstverständlich ist. »Die Studie zeigt auf, dass selbst die zweite Generation türkischer Einwanderer mit Chancenungleichheit im Bildungssystem konfrontiert wird. Damit bestätigt sie die Dringlichkeit unserer Arbeit im Bereich Integration. Unser Ziel ist es, Diskriminierung und strukturelle Hürden im Bildungssystem nachhaltig abzubauen. Das ist wichtig, weil nur durch Bildung gesellschaftliche Teilhabe möglich wird«, sagt Dr. Wolfgang Rohe, Geschäftsführer der Stiftung Mercator.
Die wesentlichen Ergebnisse der Studie und politische Handlungsempfehlungen wurden in einem Policy Brief zusammengefasst. Weitere Informationen: http://www.imis.uni-osnabrueck.de/forschung/potentiale/pathways_to_success.html