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Seltene Erkrankungen brauchen interdisziplinäre Aufmerksamkeit

Am 13. Februar 2014 gründete das Universitätsklinikum Carl Gustav Carus gemeinsam mit der Medizinischen Fakultät das Zentrum für Seltene Erkrankungen Dresden (ZSE DD). Damit setzt die Dresdner Hochschulmedizin den Grundgedanken aus dem Nationalen Aktionsbündnis für Menschen mit Seltenen Erkrankungen (NAMSE) in die Realität um. Auf deren besondere Situation macht auch der „Tag der Seltenen Erkrankungen“ (28. Februar) weltweit aufmerksam.

„Die Vision für derartige Zentren für Seltene Erkrankungen (ZSE), wie sie im NAMSE formuliert wurde, besteht im Wesentlichen in der Verkürzung von Diagnosewegen für die betroffenen Patienten, bestmöglicher Behandlung und klinischer sowie Grundlagenforschung zu Ursachen und neuen Therapien von Seltenen Erkrankungen“, so Prof. Dr. Reinhard Berner, Direktor der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin und Mitinitiator des neuen Zentrums. Die Abteilung Neuropädiatrie an der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin und der Bereich Neurodegenerative Erkrankungen der Klinik für Neurologie des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden bieten unter dem Dach des ZSE ab sofort eine überregionale, interdisziplinäre Spezialsprechstunde für Patienten mit seltenen Bewegungsstörungen (NBIA, Neuroakanthozytose) an.

Die Bewegungsstörungen führen zu unkontrollierbaren Muskelkontraktionen (Chorea) oder schmerzhaften Fehlhaltungen (Dystonie). Einige Patienten leiden zusätzlich unter einer Epilepsie. Das gesunde Wechselspiel zwischen Anspannung und Entspannung ist gestört. Bewegungsabläufe und Alltagsaktivitäten wie Gehen, Sitzen, Essen und Sprechen sind dadurch stark beeinträchtigt. Ziel der neuen interdisziplinären Sprechstunde ist es – trotz der Seltenheit der Erkrankung – betroffenen Kindern und Jugendlichen eine spezialisierte und umfassende Versorgung unter Berücksichtigung medikamentöser, nicht-medikamentöser sowie chirurgischer Therapiekonzepte zu ermöglichen. Im dem neuen Zentrum für seltene Erkrankungen am UKD arbeiten Spezialisten der Kliniken für Kinder- und Jugendmedizin  und für Neurologie eng zusammen. Damit trägt das Universitätsklinikum den besonderen Anforderungen zur Versorgung von Patienten mit Seltenen Erkrankungen Rechnung.

Eine Therapieoption bei komplexen Bewegungsstörungen wie der NBIA ist die tiefe Hirnstimulation: Zwei dünne ins Gehirn implantierte Elektroden deaktivieren oder stimulieren über elektrische Impulse bestimmte Hirnaktivitäten. „Auf diese Weise lassen sich krankheitsbedingte Fehlsteuerungen korrigieren, die sich zum Beispiel in unkontrollierbaren Muskelkontraktionen äußern“, sagt Prof. Dr. Alexander Storch, Leiter des Bereichs neurodegenerative Erkrankungen. Studien aus den vergangenen Jahren zeigen, dass Patienten mit generalisierten Bewegungsstörungen von der tiefen Hirnstimulation profitieren.

„Doch unser Anspruch ist es, für jeden einzelnen Patienten möglichst den individuell optimalen Therapieansatz zu finden und einen nahtlosen Übergang von der Betreuung im Kindesalter zur weiteren Behandlung im Erwachsenenalter zu gewährleisten“, so Prof. Dr. Maja von der Hagen, Leiterin der Abteilung Neuropädiatrie an der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin. Im Mittelpunkt steht dabei immer die ganzheitliche Betreuung der Patienten. Um die motorische Entwicklung der betroffenen Kinder und Jugendlichen allumfassend zu fördern, arbeiten die Ärzte der Spezialsprechstunde eng mit dem Sozialpädiatrischem Zentrum, dem Brückenteam für spezialisierte pädiatrische Palliativversorgung, der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des Uniklinikums, dem Friedrich-Baur-Institut in München und der Selbsthilfegruppe Hoffnungsbaum e.V. zusammen.

Nachholbedarf in der Forschung

In zweiter Instanz wollen die Spezialisten am Universitätsklinikum die bislang noch eingeschränkte wissenschaftliche Forschung dieser neurodegenerativen Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen unterstützen. „Je eher Bewegungsstörungen diagnostiziert werden, umso besser können sie behandelt werden“, so Dr. Dr. Andreas Hermann, Leiter der europäischen Wissenschafts-initiative zur Erforschung von Neuroakanthozytose-Syndromen und Oberarzt für Neurologie am Uniklinikum. Ziel der Forschung ist es daher, die Diagnosequalität zu verbessern und Therapien effektiver zu gestalten. „Das Einverständnis der Patienten vorausgesetzt, wird es im Rahmen unserer interdisziplinären Spezialsprechstunde möglich, Patienten in internationale Forschungsnetzwerke einzuschließen. Geeignete Patienten können bei Interesse an Medikamentenstudien teilnehmen, die zur weiteren Erforschung dieser Seltenen Erkrankungen beitragen“, betont Dr. Hermann.

Seltene Erkrankungen

Als selten gelten Erkrankungen, wenn nicht mehr als fünf von 10 000 Menschen in der EU von ihnen betroffen sind. Schätzungen zufolge leiden in Deutschland etwa vier Millionen Menschen an einer von über 6 000 Seltenen Erkrankungen. Sie verlaufen zumeist chronisch und sind zu 80 Prozent genetisch bedingt oder mitbedingt.

www.uniklinikum-dresden.de/neu

Seelische Erkrankungen besser behandeln

Foto: LWL
Foto: LWL

Ob Depressionen, Wahnvorstellungen oder Suizidgedanken – bei der Behandlung seelischer Erkrankungen ist in der „sprechenden“ Medizin, der Psychiatrie, das Miteinander-Reden entscheidend für den Erfolg. Das neue Konzept dafür heißt an der LWL-Universitätsklinik Bochum ‚Trialog‘.

‘Trialog‘ bedeutet: „Nicht mehr dieser Stil vom ‚Arzt in Weiß‘ und ‚von oben herab‘, sondern die Patienten auf Augenhöhe zu beraten, miteinander zu verhandeln, eine gemeinsame Strategie zur Besserung zu entwickeln“, sagt der Bochumer Ärztliche Direktor Prof. Dr. Georg Juckel. Der Trialog lässt betroffene Kranke und ihre persönlichen Vertrauenspersonen wie zum Beispiel Angehörige und Freunde gleichberechtigt mit den professionellen Behandlern zu Wort kommen.

Eine besondere Vertrauensperson in diesem neuartigen Kommunikationsdreiklang ist Jürgen Trösken. Er ist eine Art Übersetzer, Mittler, Moderator im ehrenamtlichen Dienst für all diejenigen Patienten, die sich – oftmals krankheitsbedingt – nicht recht artikulieren können. Trösken hat selbst einen jahrelangen Leidensweg mit einer bipolaren Störung zu Beginn und einem Selbsttötungsversuch am (Beinahe-)Ende hinter sich. Seine Sicht als Patienten-Sprachrohr im ‚Trialog‘:“Ich weiß wie es ist, sich wie nichts zu fühlen. Diese Dinge kenne ich eben persönlich selber richtig, das kann kein Arzt so kennen.“

Ein neuer LWL-Film erzählt am Beispiel Tröskens, warum im ‚Trialog‘-Konzept das aus eigener Krankheits-Betroffenheit und -Erfahrung beigesteuerte Wissen so wichtig ist und wie sogenannte Patienten(für)sprecher, Genesungsbegleiter oder ExIn-ler (von Engl.: Experienced Involvement = Erfahrenenbeteiligung) helfen.

Den neuen LWL-Film finden Sie unter folgendem Link:
http://www.lwl.org/LWL/Der_LWL/PR/tv_audioservice/Filme_Psychiatrie/trialog

LWL-Einrichtung:
LWL-Universitätsklinikum Bochum
Alexandrinenstr. 1
44791 Bochum
Karte und Routenplaner

 

Bei HIV-Infektion eine Stammapotheke nutzen

Menschen mit einer HIV-Infektion sollten das intensive Beratungsangebot einer Stammapotheke nutzen. „Die medikamentöse Behandlung von HIV ist anspruchsvoll. Das gilt wegen vieler möglicher Wechselwirkungen auch für Erkrankungen, die unabhängig von der Infektion bei HIV-Patienten medikamentös behandelt werden. Apotheker können ihre Patienten nur dann umfassend beraten, wenn sie alle individuell eingenommen Medikamente kennen – egal ob vom Arzt verschrieben oder aus der Selbstmedikation“, sagt Friedemann Schmidt, Präsident der ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände. In Deutschland leben rund 78.000 HIV-Infizierte, davon werden 50.000 medikamentös behandelt.

Gegen HIV-Infektionen werden immer mehrere Medikamente eingesetzt, da die Kombination die Vermehrung der Viren an verschiedenen Stellen hemmt. Eine Heilung ist nicht möglich. HIV-Patienten müssen also für den Rest ihres Lebens mehrere Tabletten täglich schlucken. Werden die Medikamente nicht immer zuverlässig eingenommen, können Resistenzen entstehen. Diese machen die HIV-Medikation dauerhaft unwirksam. „Studien zeigen: Apotheker können im Alltag entscheidend dazu beitragen, dass ein Patient die vom Arzt gewählte Therapie versteht und konsequent befolgt“, sagt Schmidt.

Bei den gegen HIV-Infektionen eingesetzten Wirkstoffen sind viele Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten möglich. In der Kombination mit rezeptpflichtigen Potenzmitteln können einige HIV-Medikamente zu einem lebensbedrohlichem Blutdruckabfall führen. Auch Wechselwirkungen mit rezeptfreien Medikamenten können den Erfolg der antiviralen Therapie gefährden. Rezeptfreie Antidepressiva mit Johanniskraut dürfen nicht zusammen mit verschiedenen HIV-Medikamenten eingenommen werden, da sonst deren Wirkung gemindert ist. Schmidt: „Rezeptfrei heißt nicht harmlos. Wer HIV-positiv ist, sollte sich vor der Einnahme von rezeptfreien Medikamenten deshalb vom Apotheker beraten lassen.“

Die Krankheit HIV ist nach wie vor tabuisiert. Schmidt: „Patienten können sich darauf verlassen, dass sie in ihrer Stammapotheke diskret beraten werden. Diese chronisch kranken Patienten werden vom Apotheker intensiv begleitet. Das Motto des diesjährigen Welt-AIDS-Tags ‚Positiv zusammen leben‘ ist für uns Apotheker gelebte Realität.“ Für heikle Fragen oder bei der Erstverordnung nutzen viele Apotheken separate Beratungsräume.

www.abda.de

Krebserkrankungen in frühen Stadien erkennen

Wissenschaftler der Ruhr-Universität Bochum (RUB) haben eine neue spektroskopische Methode entwickelt, die Pathologen bei der Krebsdiagnose unterstützt. In den Fachzeitschriften „Journal of Biophotonics“ und „Analyst“ verglichen sie die mit der sogenannten Marker-freien „Spektralen Histopathologie“ gewonnenen Ergebnisse mit denen herkömmlicher Diagnoseverfahren am Beispiel Dickdarmkrebs. „Im Gegensatz zu bisherigen Methoden müssen wir das Gewebe nicht mehr färben, um Krebs zu erkennen“, sagt Prof. Klaus Gerwert vom Proteinforschungskonsortium PURE (Protein Research Unit Ruhr within Europe) der RUB. „Das eröffnet die Möglichkeit, Proben in Zukunft automatisch als krankes oder gesundes Gewebe zu klassifizieren.“

Diagnose Dickdarmkrebs

Die Diagnose Dickdarmkrebs stellen Pathologen zurzeit, indem sie gefärbte dünne Gewebeschnitte aus einer Biopsie unter dem Mikroskop begutachten. Das geschieht in der Regel erst in einem fortgeschrittenen Stadium, und das Verfahren liefert keine Informationen über die molekularen Ursachen des Tumors. Die am RUB-Lehrstuhl für Biophysik etablierte Spektrale Histopathologie (SHP)-Methode erfasst hingegen direkt molekulare Veränderungen im Gewebe, insbesondere Proteinveränderungen. Sie funktioniert ohne Marker wie zum Beispiel Fluoreszenzfarbstoffe. Veränderungen detektiert sie schon in frühen Tumorstadien. Da die Analyse mit Lichtstrahlen erfolgt, kann man sie nicht nur auf dünne Gewebeschnitte aus Biopsien anwenden, sondern mit Hilfe von Lichtleitern auch direkt das Gewebe an der zu untersuchenden Stelle analysieren. „In Zukunft wollen wir die Spektrale Histopathologie gemeinsam mit klinischen Partnern endoskopisch, also direkt am Patienten einsetzen“, so Klaus Gerwert.

So funktioniert die Spektrale Histopathologie

Für die SHP zeichnen Forscher ortsaufgelöst Vibrationsspektren des Gewebes mit einem Infrarot- oder Raman-Mikroskop auf. Ein Vibrationsspektrum reflektiert den Zustand aller Proteine im Gewebe an der gemessenen Stelle. Verändern sich die Proteine im Gewebe aufgrund von Krebs, wandelt sich auch das zugehörige Spektrum. Jedes Spektrum ist dabei so charakteristisch für die Proteinveränderung wie ein Fingerabdruck für eine Person. Für ein einzelnes Gewebebild werden insgesamt rund zehn Millionen Infrarot-Spektren aufgenommen. Mit aufwendigen bioinformatischen Bildanalyseverfahren vergleichen die Wissenschaftler diese Spektren mit einer in PURE entwickelten Datenbank von Spektren bereits bekannter Gewebe und Tumore. Jedem Spektrum ordnet das Analyseprogramm einen in der Datenbank hinterlegten Gewebetypen zu, dargestellt durch eine bestimmte Farbe – genauso wie ein Täter durch Abgleich mit einer Datenbank anhand seines Fingerabdrucks identifiziert werden kann. Daraus ergibt sich ein ortsaufgelöstes annotiertes Bild des Darmgewebeschnitts. Die beiden PURE-Mitglieder Prof. Andrea Tannapfel, Direktorin des Instituts für Pathologie der RUB, und Prof. Dr. Axel Mosig, Leiter der Bioinformatik am Lehrstuhl Biophysik, waren maßgeblich daran beteiligt, die Datenbank und den Auswertalgorithmus zu erstellen. Das Auswertprogramm läuft mittlerweile auf einem handelsüblichen Laptop.

Vergleich mit klassischen Methoden zur Tumorerkennung

Um die Sensitivität und Spezifizität der Spektralen Histopathologie zu prüfen, verglich das RUB-Team die SHP-Ergebnisse mit klassischen immunohistochemischen Verfahren, bei denen Tumore durch Fluoreszenzmarker identifiziert werden. „Die Ergebnisse stimmten exzellent überein. Das zeigt eindrucksvoll, dass die Spektrale Histopathologie Änderungen der Gewebezusammensetzung hoch sensitiv und automatisiert nachweisen kann“, sagt Prof. Gerwert. Die Sensitivität und Spezifität der SHP liegen bereits über 95 Prozent und soll möglichst nah an 100 Prozent geführt werden. Durch Erweiterung auf das Raman-Imaging erzielte das RUB-Team eine höhere räumliche Auflösung im Vergleich zum Infrarot-Imaging, allerdings auf Kosten einer längeren Messzeit. „Beide Methoden ergänzen sich hervorragend“, so Klaus Gerwert. „Die Infrarot-Spektroskopie gibt schnell einen Überblick über den gesamten Gewebeschnitt. Mit Raman-Imaging können wir dann verdächtige Regionen genauer analysieren.“ Die Raman-Analyse detektiert etwa veränderte Zellkerne, die für Tumore charakteristisch sind.

Projektförderung

Fördermittel für das Projekt stammen vom Land NRW im Rahmen des Europäischen Proteinforschungsinstituts PURE, dessen Sprecher Prof. Gerwert ist.

Titelaufnahmen

A. Kallenbach-Thieltges, F. Großerüschkamp, A. Mosig, M. Diem, A. Tannapfel, K. Gerwert (2013): Immunohistochemistry, histopathology and infrared spectral histopathology of colon cancer tissue sections, Journal of Biophotonics, DOI: 10.1002/jbio.201200132

L. Mavarani, D. Petersen, S.F. El-Mashtoly, A. Mosig, A. Tannapfel, C. Kötting, K. Gerwert (2013): Spectral Histopathology of colon cancer tissue sections by Raman imaging with 532 nm excitation provides label free annotation of lymphocytes, erythrocytes and proliferating nuclei of cancer cells, Analyst, DOI: 10.1039/C3AN00370A

 

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