Schlagwort-Archiv: Rückenschmerzen

Rücken – Von Verspannung bis Verschleiß

Umfrage: Bundesbürger führen ihre Rückenschmerzen vor allem auf Muskelverhärtungen, falsches Heben und Arthrose zurück

Stundenlange Arbeit am Computer, an der Supermarktkasse oder hinter dem Lkw-Steuer, lange Abende auf der Couch, über einem Tablet oder Buch – ein Großteil der Bundesbürger mit Rückenschmerzen führt diese Beschwerden auf Verspannungen oder Muskelverhärtungen zurück. In einer repräsentativen Umfrage des Gesundheitsmagazins „Apotheken Umschau“ nannten 46,0 Prozent der Frauen und Männer in Deutschland, die in den zurückliegenden zwölf Monaten mindestens einmal Rückenschmerzen hatten, verspannte bzw. überdehnte Rückenmuskeln oder Verhärtungen in den Muskeln als vermutliche Ursache ihrer Beschwerden. Im Durchschnitt führten die Befragten zwei bis drei mögliche Ursachen an (2,4).

Auf Platz zwei folgt falsches Heben oder Tragen (39,8 Prozent), vor Verschleiß (Arthrose) bzw. abgenutzten Wirbelgelenken (35,8 Prozent). Jeder Fünfte (21,3 Prozent) verwies auf einseitige Haltung am Arbeitsplatz. Bewegungsmangel machten 18,8 Prozent als Auslöser ihrer Rückenbeschwerden aus.

Einen Hexenschuss oder plötzlich eintretenden Schmerz nannten 13,0 Prozent, einen Bandscheibenvorfall 11,8 Prozent. Fast jeder Neunte (10,8 Prozent) hielt Stress oder psychische Probleme für die Ursache seiner Rückenschmerzen, jeder Zehnte (9,9 Prozent) das eigene Übergewicht. 9,2 Prozent berichteten von Ischias-Beschwerden, 5,8 Prozent von Entzündungen wie z. B. Rheuma. Jeder Zwanzigste (5,2 Prozent) gab an, die Schmerzen seien durch eine Sportverletzung entstanden. Nur ein geringer Teil der Betroffenen berichtete von einem Unfall oder angeborenen Erkrankungen des Bewegungsapparats (jeweils 2,9 Prozent). 2,7 Prozent erklärten, die Ursache für die Beschwerden nicht zu kennen.

Quelle: Eine repräsentative Umfrage des Gesundheitsmagazins „Apotheken Umschau“, durchgeführt von der GfK Marktforschung Nürnberg bei 1.126 Frauen und Männern ab 14 Jahren, die nach eigenen Angaben in den vergangenen zwölf Monaten mindestens einmal von Rückenschmerzen betroffen waren.

Rückenschmerzen: Risiko von Fehlbehandlungen steigt

Ärzte in Deutschland greifen bei unkomplizierten Rückenschmerzen vorschnell zum Röntgengerät. Die Folge: Fast 50.000 Patienten jährlich werden unnötig geröntgt. Das zeigt eine Studie der Techniker Krankenkasse (TK). Von allen Patienten mit akutem Kreuzschmerz, die radiologisch untersucht werden, wird laut TK-Studie jeder dritte innerhalb von sechs Wochen unter den Röntgenapparat gelegt – obwohl Wissenschaftler sich einig sind, dass Patienten in diesem Zeitraum nicht geröntgt werden sollten. Denn die Beschwerden bilden sich in der Sechs-Wochen-Frist oft spontan zurück.

„Das frühe Röntgen widerspricht den aktuellen wissenschaftlichen Empfehlungen der medizinischen Fachgesellschaften“, sagt Dr. Frank Verheyen, Leiter des Wissenschaftlichen Instituts der TK (WINEG), das für die Studie ärztliche Abrechnungsdaten aus den Jahren 2010 bis 2012 ausgewertet hat. „Mit den Röntgenaufnahmen werden Strahlenbelastungen in Kauf genommen, die bei der spontanen Rückbildung der Rückenbeschwerden in vielen Fällen vermieden werden könnten“, so Verheyen weiter. Auf ein Jahr gerechnet wurden insgesamt etwa 6.000 bei der TK versicherte Patienten zu früh und damit in der Regel unnötig geröntgt. „Hochgerechnet auf die gesamte gesetzliche Krankenversicherung werden damit knapp 50.000 Versicherte jährlich unnötig Röntgenstrahlen ausgesetzt“, so WINEG-Leiter Dr. Verheyen. „Und das für eine Diagnostik, die den Betroffenen mehr schadet als nutzt.“

Denn die betroffenen Patienten riskieren zudem Fehlbehandlungen. Schmerztherapeut Dr. Thomas Nolte von der Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie: „Rückenschmerzen werden oft durch Probleme in den Muskeln ausgelöst. Das ist aber auf Röntgenbildern überhaupt nicht erkennbar.“ Stattdessen würden viele Versicherte an den Bandscheiben operiert, wenn die Bilder hier Probleme zeigen. Die Patienten hätten danach aber oft noch dieselben Schmerzen – einfach weil die Bandscheiben gar nicht die eigentliche Schmerzursache waren.

Letzter Ausweg Operation?

Das Kreuz macht den Menschen in Deutschland zu schaffen: 60 Prozent der Frauen klagen darüber, dass sie häufig oder dauerhaft an Muskelverspannungen oder Rückenschmerzen leiden. Bei den Männern sind es 51 Prozent. Selbst bei den jungen Erwachsenen zwischen 18 und 25 Jahren hat schon fast jeder zweite „Rücken“ (47 Prozent), so eine Forsa-Umfrage im Auftrag der Techniker Krankenkasse (TK). Patienten mit Rückenleiden, denen der Arzt eine Operation vorschlägt, müssen sich allerdings nicht gleich unters Messer legen: „85 Prozent der Rücken-Eingriffe haben sich nach einer Zweitmeinung als  unnötig herausgestellt“, sagt Klaus Rupp, Leiter des TK-Versorgungsmanagements. „Das zeigt eine aktuelle Auswertung unseres Modellprojekts ‚Zweitmeinung vor Wirbelsäulen-Operationen‘.“

 TK-Versicherte können sich bei diesem Projekt vor einem geplanten Eingriff kostenlos innerhalb von zwei Tagen eine professionelle zweite Meinung bei einem Team von Spezialisten einholen. In einem von bundesweit 33 Schmerzzentren untersuchen die Experten aus Physio-, Schmerz- und Psychotherapeuten den Patienten erneut und empfehlen ihm gegebenenfalls eine alternative Therapie.

 Mehr als 1.700 TK-Versicherte haben sich seit dem Start des Projekts vor fünf Jahren bereits eine Zweitmeinung eingeholt. Bei gut 1.450 der Patienten haben die Spezialisten den operativen Eingriff als nicht notwendig eingestuft und eine nichtoperative Behandlung empfohlen – zum Beispiel eine Physio- oder eine Schmerztherapie. Damit erweisen sich im Schnitt gut vier von fünf Rücken-OPs als nicht notwendig. Klaus Rupp von der TK: „Die zweite Meinung nutzt den Patienten. Ihnen bleiben Klinikaufenthalte und Operationsrisiken wie Nerven- und Gefäßschädigungen oder Narbenprobleme und Verwachsungen erspart.“

 Der Gesetzgeber hat die Vorteile der Zweitmeinung erkannt und will im geplanten Versorgungsstärkungsgesetz ein geregeltes Verfahren verankern. So sollen Patienten bei bestimmten operativen Eingriffen grundsätzlich die Möglichkeit erhalten, sich eine zweite Meinung durch einen unabhängigen Experten einzuholen. „Das begrüßen wir“, sagt Rupp. „Sinnvoll ist aus unserer Sicht nicht nur bei Rückenschmerzen eine zweite Meinung, sondern insbesondere auch bei Operationen an Gelenken und bei planbaren kardiologischen Eingriffen.“

Laut Gesetzentwurf soll jeder Patient, dem eine entsprechende OP bevorsteht, mindestens zehn Tage vor dem Eingriff von seinem Arzt über sein Recht auf eine unabhängige zweite Meinung aufgeklärt werden. Klaus Rupp:  „Diese Frist ist sehr kurz. Für den Patienten kann es dadurch zeitlich schwierig werden, sein Recht auf eine Zweitmeinung wahrzunehmen. Es ist zu überlegen, die Frist auf vier Wochen zu verlängern.“

Related Posts Plugin for WordPress, Blogger...