Auf dem legendären Monte Verità in Ascona findet eine kulturelle Renaissance statt, die Mailänder Adelsfamilie Visconti kehrt in die Burgen von Bellinzona zurück und in Lugano treten die Maler Jean Arp und Osvaldo Licini in einen visuellen Dialog: Das Tessin überrascht in diesem Frühjahr mit zahlreichen kulturellen Neuigkeiten.
Utopien und Dämonen
Der Monte Verità, der legendäre Hügel bei Ascona, gilt als Wiege der europäischen Alternativkultur. Sein Mythos geht auf den Beginn des 20. Jahrhunderts zurück, als Utopisten, Naturapostel und früh gereifte Grüne hier eine Alternative zu Kapitalismus und Kommunismus suchten. Der Hügel zog zahlreiche Intellektuelle, Schriftsteller und Künstler in seinen Bann. An diese Tradition will das Literatur-Festival Eventi Letterari Monte Verità anknüpfen.
Die zweite Ausgabe, die vom 10. bis 13. April 2014 stattfindet, ist dem Thema „Utopien und Dämonen“ gewidmet. „Die meisten Autoren haben einen Dämon – den Dämon der Erinnerung, der Angst oder der Perfektion. Viele Schriftsteller werden von Wunsch- oder Albträumen verfolgt, vom Dämon der Utopie“, erklärt Joachim Sartorius, der künstlerische Leiter des Festivals. Die Schriftsteller Herta Müller, Peter Nadas und Joanna Bator werden sich in Ascona mit diesem Thema auseinander setzen. Über „die Monster der munteren Dämonen der Poesie“ sprechen Nora Gomringer, Durs Grünbein und Valerio Magrelli, während Lukas Bärfuss, Fleur Jaeggy, Jonas Lüscher, Anna Ruchat und Urs Widmer die grossen und kleinen Dämonen in der Schweizer Literatur aufspüren.
Literaturfestival Monte Verità / www.eventiletterari.ch
Hermann Hesse
Der Literatur-Nobelpreisträger Hermann Hesse veröffentlichte über viele Jahre literarische Beiträge in der illustrierten Satire-Wochenschrift Simplicissimus. Eine Ausstellung im Hesse-Museum in Montagnola zeigt anhand von Fotos, Briefen, Zeichnungen und Abdrucken aus dem Simplicissimus die Facetten dieser Zusammenarbeit. Anlässlich des Gedenkens an „100 Jahre Erster Weltkrieg“, in dem sich der Simplicissimus von einer kritischen Stimme im Kaiserreich zu einem patriotischen Propagandablatt wandelte, kommt der Haltung Hesses eine besondere Bedeutung zu. Anders als die Redakteure der Zeitschrift entwickelte er sich zu einem Kriegsgegner und Verteidiger der Menschlichkeit.
„O Freunde, nicht diese Töne!“ Hesse-Museum / www.hessemontagnola.ch
Die Rückkehr der Visconti
Für die Mailänder Herrscherfamilie Visconti war die Kontrolle über die Schweizer Alpenpässe von fundamentaler Bedeutung. „Dieser Platz ist Schlüssel und Tor zu Italien“, sagte Azzo Visconti zur Bedeutung von Bellinzona. 1340 fiel die Stadt an die siegreichen Visconti, deren Herrschaft 150 Jahre dauern sollte. In dieser Zeit errichteten sie ein militärisches Bollwerk, das mittlerweile als einer der bedeutendsten Zeugen der mittelalterlichen Befestigungsbaukunst in der Schweiz gilt.
Seit dem Jahr 2000 gehören die drei Burgen von Bellinzona denn auch zum UNESCO-Weltkulturerbe. In einer Ausstellung mit dem Titel „Die Rückkehr der Visconti“ feiert die Mailänder Adelsfamilie nun ein Comeback in der Burg Castelgrande. In einer Sonderausstellung werden vom 10. Mai bis am 9. November 2014 Kleider, Waffen, Münzen, Werkzeuge und Alltagsgegenstände gezeigt, sodass man sich ein reales Bild vom Leben im Mittelalter machen kann.
Castelgrande Bellinzona / www.bellinzonaturismo.ch
Arp und Licini im Dialog
Das Museo d’Arte in Lugano inszeniert einen visuellen Dialog zwischen dem elsässischen Bildhauer und Maler Jean Arp (1886-1966) und dem italienischen Künstler Osvaldo Licini (1894-1958). Es handelt sich um zwei Hauptakteure der mitteleuropäischen und italienischen Kunstdebatte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Obwohl Arp und Licini eine jeweils ganz persönliche Bildsprache entwickelt haben, zeigen sich in ihren Werken überraschende Berührungspunkte.
Um aufzuzeigen, in welchem Umfeld sich die beiden Künstler entwickelt haben, präsentiert die Ausstellung auch Werke von Rodin, Matisse, Kisling, Klee, Kandinsky, Täuber-Arp, Maganelli, Van Doesburg und Albers. So kann man Arp und Licini vor dem Hintergrund der Avantgarden im Paris der 1920er Jahre sehen. Gleichzeitig wird aber auch ihre grosse Autonomie und Originalität gegenüber den dominierenden stilistischen Strömungen jener Zeit unterstrichen. Der visuelle Dialog zwischen Arp und Licini ist die Fortsetzung eines im Jahr 2013 mit der Ausstellung „Klee-Melotti“ begonnenen Konzeptes.
Kunstmuseum Lugano / www.mdam.ch
Die geheime Reise des Luigi R
Unter dem Titel Il viaggio segreto – „Die geheime Reise“ – zeigt das M.A.X. Museum in Chiasso bis am 4. Mai 2014 Werke des Kupferstechers, Malers und Architekten Luigi Rossini (1790 – 1857). Der Cousin des Komponisten Gioachino Rossini gilt als der letzte grosse Illustrator der Ansichten Roms und Pompejis vor dem Aufkommen der Fotographie. Der sehr produktive Rossini – er schuf rund tausend Werke – zeigt insbesondere Rom und seine klassischen Bauten ausführlich: den Monte Capitolino und das Forum Romanum, den Jupitertempel oder die Piazza Navona. Die Schau in Chiasso konzentriert sich jedoch nicht nur auf Radierungen, sondern präsentiert auch vorbereitende Skizzen, Studien, Zeichnungen, Briefe und Reisenotizen.
M.A.X. Museum Chiasso / www.maxmuseo.ch
Hart an der Grenze
Das Zollmuseum in Gandria am Luganersee dokumentiert in originalgetreuen Räumen eines ehemaligen Grenzpostens, wie phantasievoll Generationen von listigen Schmugglern vorgingen, um illegal Waren über die italienisch-schweizerische Grenze zu bringen: Die Palette reicht von Benzintanks mit doppelten Wänden, hohlen Schuhabsätzen und Büchern bis hin zu einem raffinierten kleinen Tret-U-Boot. In einer Sonderschau des UNO-Flüchtlingshochkommissariats UNHCR wird bis am 20. Oktober 2014 auch die Aktualität thematisiert: Sie zeigt, was es heisst, ein Flüchtling zu sein. Die Besucher bekommen Einblick, wie die Hilfe für Menschen in Krisengebieten funktioniert. Das Zollmuseum in Gandria ist nur per Schiff erreichbar; der Eintritt ist gratis.
Zollmuseum Gandria / www.zollmuseum.admin.ch
Hommage an ein kreatives Paar
Sie waren ein kreatives Paar: die Malerin Gisela Andersch und der Schriftsteller und Radiopionier Alfred Andersch, dessen Geburtstag sich heuer zum 100. Mal jährt. Das Museo Comunale d’Arte in Ascona widmet dem Paar, das lange Zeit in Berzona im nahe gelegenen Onsernone-Tal lebte, eine Ausstellung. Dabei nimmt der „Paarlauf“ des Schriftstellers und der bildenden Künstlerin eine zentrale Rolle ein. Für eine der wegweisenden publizistischen Unternehmungen von Alfred Andersch, die Zeitschrift „Texte und Zeichen“, hat Gisela Umschläge gestaltet. Er wiederum hat sich von ihrem Werk zum Essay „Einige Zeichnungen“ inspirieren lassen. Dieser Text bildet so etwas wie die geheime Mitte der Ausstellung, die vom 16. März bis 18. Mai 2014 dauert.
Kunstmuseum Ascona / www.museoascona.ch