Wenn die künstliche Hüfte sich lockert

„Endoprothesen“ – das ist die Sammelbezeichnung für künstliche Hüft-, Knie-, Schulter- und Sprunggelenke. Hunderttausende davon werden in Deutschland pro Jahr implantiert; fast alle Patienten sind anschließend völlig beschwerdefrei. Für die wenigen Fälle, in denen das nicht so ist, haben Mediziner des Universitätsklinikums Bonn eine wöchentliche Sprechstunde „Schmerzen und Probleme nach Endoprothese“ ins Leben gerufen: Sie richtet sich an Patienten aus dem Großraum Bonn/Rhein-Sieg, aber auch aus der Eifel und dem Westerwald. Federführend ist die Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie.

Ein neues Hüft- oder Kniegelenk, ein neues Schulter- oder Sprunggelenk – einem Menschen ein neues Körperteil einzusetzen, hört sich kompliziert an, ist aber für die Medizin mittlerweile Routine. Hunderttausende solcher „Endoprothesen“ werden in Deutschland pro Jahr implantiert; darunter allein 200.000 neue Hüft- und 130.000 neue Kniegelenke. In der Stadt Bonn sind es für alle vier Gelenk-Arten zusammen rund 3.000 bis 4.000 pro Jahr. Vom ersten Schnitt bis zum Vernähen der Wunde dauert die Hüft-OP rund 60, die am Knie rund 80 Minuten und geht in den allermeisten Fällen völlig ohne Probleme vonstatten. „Solche OPs bringen viel Lebensqualität zurück“, sagt Dr. Pierre Göbel, Oberarzt an der Bonner Universitätsklinik für Orthopädie und Unfallchirurgie sowie Leiter des dortigen Endoprothetikzentrums. „Der Patient ist meist nach der Operation beschwerdefrei, wieder mobil, kann wieder vernünftig schlafen und in gewissen Grenzen auch Sport treiben.“

Nur in einer vergleichsweise kleinen Anzahl von Fällen kommt es nach der OP zu Problemen. Für Betroffene bieten die Mediziner des Bonner Universitätsklinikums darum eine wöchentliche Sprechstunde „Schmerzen und Probleme nach Endoprothese“ an: Sie richtet sich nicht nur an Patienten aus dem Großraum Bonn/Rhein-Sieg, sondern auch aus der Eifel und dem Westerwald. Leiter des Teams aus drei Ober- und fünf Assistenzärzten sind Privatdozent Dr. Sascha Gravius als Leiter der gesamten Gelenkchirurgie und Dr. Göbel selbst als Leiter des Endoprothetikzentrums der Bonner Universitätsklinik für Orthopädie und Unfallchirurgie

„Wir haben sehr viel Erfahrung mit problematischen Endoprothesen“

„Grundsätzlich gibt es bei Endoprothesen drei wesentliche Problemfelder“, erläutert Dr. Göbel. Erstens könne die Prothese „sich lockern und sozusagen im Körper »herumschlackern«.“ Zweites Problem: Bisweilen zeigt sich nach der OP, dass der Patient gegen das Metall der Prothese (Chrom, Kobalt und Nickel) oder gegen den „Knochenzement“ allergisch ist, der die Prothese im Körper befestigt. Risiko Nummer drei ist der „Schleichende Infekt“ – dass sich also auf der Prothese ein „Biofilm“ aus Mikroorganismen bildet. Wenn so etwas passiert, liegt das meist nicht an fehlender Hygiene bei der Herstellung der Prothese oder bei der Operation, sagt der Mediziner. „Es liegt daran, dass die metallische Prothese in lebendiges Gewebe eingesetzt wird. Wenn der Patient an einem Harnwegs-Infekt leidet, einer Zahn- oder Lungenentzündung oder einer schweren Grippe, sind die Erreger im Körper vorhanden und können sich an dem Metall ansiedeln. Von dort sind sie dann nur noch sehr schwer wieder zu entfernen.“

Rund 20 Patienten suchen die Bonner Sprechstunde pro Termin im Durchschnitt auf. Meist kann ihnen schnell geholfen werden, freut sich der Chirurg. „Wir haben durchaus viel Erfahrung in der Behandlung von Patienten, die Probleme mit ihrer Endoprothese haben. Die Mehrheit der Probleme lässt sich durch diese Erfahrung der Oberärzte in der Sprechstunde sehr gut lösen.“ Kompliziertere Fälle untersuchen die Experten mit Verfahren der Mikrobiologie, der Radiologie oder der Röntgendiagnostik – „das dauert bis zu zwei Wochen“.

Das Mittel der Wahl ist oft der Austausch der Problem-Prothese

Nur in Einzelfällen finden die Ärzte „trotz ausführlicher Diagnostik keinen guten Grund, warum der Patient Probleme mit der Endoprothese hat“, berichtet Dr. Göbel. Das heißt aber nicht, dass die Experten nicht helfen können: Als letztes Mittel der Wahl ist es möglich, per OP einen direkten Blick auf die „Problem-Prothese“ zu werfen. „Oft findet man dann »vor Ort« einen Grund, den man vorher nicht genau sehen konnte.“

Sobald die Mediziner wissen, welches Prothesen-Problem vorliegt, ist das Mittel der Wahl, das künstliche Gelenk durch ein neues Implantat zu ersetzen, meist ohne Zementanwendung. Bei Schleichenden Infekten setzen die Chirurgen dabei für etwa sechs Wochen eine Zwischenprothese aus „Antibiotika-Zement“ ein: Er soll lokal die im Körper ausgeschwärmten Mikroorganismen abtöten. Bei nicht infektbedingt gelockerten Prothesen wird nur erneuert, was sich gelöst hat – vom Hüftgelenk also entweder der Schaft oder die Pfanne.

Die Endoprothetik-Sprechstunde findet jeden Freitag von 9 bis 13 Uhr im Chirurgischen Zentrum des Bonner Universitätsklinikums auf dem Venusberg statt. Eine Anmeldung ist über die zentrale Terminvereinbarung der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie unter Tel. 0228/287-14106 möglich. Sämtliche anfallenden Kosten werden von den Krankenkassen übernommen.

Quelle/Text/Redaktion: Universität Bonn
Stand: 04.08.2014

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