Zahlreiche neuere Studien haben einen Zusammenhang zwischen der Darmflora und verschiedenen Erkrankungen wie zum Beispiel Adipositas bei Diabetes gezeigt. Doch über die Regulierung der Zusammensetzung von Haut- und Darmflora ist bisher wenig bekannt. Professor John Baines, Saleh Ibrahim und ihre Kolleginnen und Kollegen des Exzellenzclusters Entzündungsforschung („Inflammation at Interfaces“) haben nun herausgefunden, dass die Zusammensetzung der Hautflora vom Wirtsgenom gesteuert wird und dass Hautbakterien einen größeren Einfluss auf entzündliche Erkrankungen haben als bisher angenommen wurde.
Ihre bahnbrechenden Forschungsergebnisse ebnen den Weg zur Identifizierung von Genvarianten, die die Hautflora beeinflussen, sowie zur Präzisierung ihrer Verbindung zu verschiedenen Erkrankungen wie zum Beispiel entzündlichen Hautkrankheiten. Die Studie wurde am 17. September 2013 in der Online-Fachzeitschrift „Nature Communications“ veröffentlicht.
Der menschliche Körper weist mehr Bakterien als menschliche Zellen auf. Die meisten dieser Bakterien umfassen sowohl die normale Darm- als auch die Hautflora. Die Anfälligkeit für chronisch-entzündliche Erkrankungen wird von immungenetischen und umweltbedingten Risikofaktoren bestimmt, die mikrobielle Besiedlungen einschließen. Ob diese Unterschiede von primär ursächlicher Bedeutung oder der veränderten Entzündungsumgebung untergeordnet sind, bleibt weitgehend unbekannt.
Die Entzündungscluster-Forschungsgruppen unter der Leitung von Saleh Ibrahim, Universität zu Lübeck, und John Baines, Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie und Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, setzten die Genomvariationen hunderter Mäuse, die zum Teil entzündliche Hauterkrankungen ausbilden, mit der Hautflora in Beziehung. Sie konnten im Mäusemodell bei einer durch Autoantikörper verursachten entzündlichen Hauterkrankung nachweisen, dass Wechselwirkungen zwischen Wirtsgenomen und Mikrobiota das Erkrankungsrisiko erhöhen. Darüber hinaus konnten sie genetische Loci identifizieren, die zu Variabilität der Hautflora, zur Anfälligkeit für Hautentzündungen und ihrer Überlappung beitragen. Die Mehrzahl der identifizierten mikrobiellen Besiedlungen zeichnet sich durch abnehmende Häufigkeit bei einem erhöhten Erkrankungsrisiko aus, ein Nachweis für deren vorrangige Rolle bei der Krankheitsvorbeugung.
Diese Erkenntnisse bieten ein vielversprechendes Potenzial zur Verwendung dieser probiotischen Spezies für die Entwicklung vorbeugender und therapeutischer Behandlungen. John Baines hierzu: „Es scheint, dass die Hautflora ein Phänotyp ist, der teilweise von Variationen des Wirtsgenoms gesteuert wird. Dies wiederum begünstigt die Entwicklung der Erkrankung. Je mehr wir über diese Wechselwirkungen in Erfahrung bringen, desto mehr Möglichkeiten haben wir für bessere und individualisierte Behandlung und Vorbeugung entzündlicher Hauterkrankungen.“
Die Ergebnisse der Studie sind zurzeit verfügbar auf dem Webauftritt der renommierten Fachzeitschrift Nature Communications:
Genome-wide mapping of gene-microbiota interactions in susceptibility to autoimmune skin blistering. DOI: 10.1038/ncomms3462
Der Exzellenzcluster „Inflammation at Interfaces“
Der Exzellenzcluster Entzündungsforschung („Inflammation at Interfaces“) verfolgt einen einzigartigen interdisziplinären Forschungsansatz, um die Ursachen chronischer Entzündungen zu entschlüsseln und Therapien dagegen zu entwickeln. Die Forschungsgemeinschaft bringt die Kompetenzen von etwa 300 Forschenden aus Genetik, Biologie, Ernährungswissenschaften und Medizin der Universitäten Kiel und Lübeck, des Forschungszentrums Borstel und des Max-Planck-Instituts für Evolutionsbiologie in Plön zusammen.
Allein in Deutschland leiden Millionen Menschen an chronischen Entzündungen der Lunge (Asthma), der Haut (Psoriasis) und des Darms (Morbus Crohn). Auslöser ist eine Störung des Immunsystems: Es aktiviert unaufhörlich Entzündungsmediatoren und Abwehrzellen, wodurch gesundes Gewebe zerstört wird. Die Zahl der Leidenden steigt Tag für Tag. Dieses Phänomen der modernen Zivilisation ist zur Herausforderung für die Medizin im 21. Jahrhundert geworden. Dementsprechend haben die Bundesregierung und die Deutsche Forschungsgemeinschaft im Jahre 2007 die Entschlüsselung des komplexen Entzündungsmechanismus zum nationalen wissenschaftlichen Schwerpunkt erklärt.