Zwei Jahre nach Beginn des Modellvorhabens „Kein Kind zurücklassen“, das vom Land Nordrhein-Westfalen und der Bertelsmann-Stiftung initiiert wurde, ziehen die Forscher eine erste Zwischenbilanz. Fazit: Vorbeugung funktioniert – wenn sie bei den Familien ankommt. Ein früher Kita-Besuch und Sport im Verein kann zum Beispiel helfen, Sprachprobleme bei Kindern mit Migrationshintergrund deutlich zu mildern und so ihre schulischen Chancen zu verbessern. „Aber Prävention kann nicht verordnet werden“, sagt Prof. em. Dr. Peter Strohmeier vom Zentrum für interdisziplinäre Regionalforschung (ZEFIR) an der RUB. „Familien haben eine Schlüsselfunktion; sie nehmen Angebote freiwillig in Anspruch.“ Die RUB-Forscher entwickeln Instrumente für Kommunen, um solche Angebote passgenau zu planen.
Vorbeugen ist besser als später helfen
Im Projekt „Kein Kind zurücklassen“, haben sich 18 Kommunen aus Nordrhein-Westfalen zusammengeschlossen, um sogenannte Präventionsketten aufzubauen. Dabei wollen sie Kräfte und Angebote bündeln, um Kinder und ihre Familien von der Schwangerschaft bis zum Berufseintritt zu unterstützen. Hintergrund ist die Einschätzung, dass sich durch gezielte Prävention Mittel einsparen lassen, die sonst für Kinder- und Jugendhilfe und soziale Folgekosten ausgegeben werden müssen. Begleitend zum Projekt erforschen Wissenschaftler, welche Faktoren für den Aufbau von Präventionsketten förderlich sind und wie man Familien erreicht, die bisher keine Unterstützung in Anspruch genommen haben.
Bisherige Ergebnisse: Weichen früh stellen
„Schulen, Kindertagesstätten, Angebote der Kirchen und Verbände, aber auch Sport im Verein fördern die Entwicklung von Kindern“, sagt Prof. Peter Strohmeier. Bildungsbiografien sind dabei „pfadabhängig“, die Weichen werden früh gestellt. Prävention wirkt besonders nachhaltig, wenn Kinder früh gefördert und die Eltern in die Förderung mit einbezogen werden. Kinder zum Beispiel, die vor ihrem dritten Geburtstag eine Kita besuchen, sind in nahezu allen Entwicklungsbereichen weiter als Kinder, die später in die Kita gehen. Die Bildungschancen von benachteiligten Kindern lassen sich somit erheblich verbessern: Die Wahrscheinlichkeit für mangelhafte Deutschkenntnisse beim Schuleintritt von Kindern mit einem türkischen Migrationshintergrund, deren Eltern eine niedrige Schulbildung aufweisen und die Sozialgeld beziehen, lässt sich so von 75 Prozent auf 29 Prozent senken, wie in einer der teilnehmenden Städte gezeigt werden konnte.
Wie man Familien erreicht
Allerdings funktioniert das natürlich nur dann, wenn die Familien solche Angebote auch nutzen. „Sozial benachteiligte Familien der unteren Bildungsschicht, zumal wenn es sich um Einwanderer handelt, werden von präventiv wirksamen Angeboten nicht überall gut erreicht. Arme Kinder gehen zum Beispiel später in die Kita, und nur relativ wenige von ihnen treiben Sport im Verein“, sagt Prof. Strohmeier. Angebote, die wirken sollen, müssen daher „nah“ bei den betroffenen Familien sein. Im Vergleich der Kommunen in Nordrhein-Westfalen haben die Forscher noch erhebliche Unterschiede festgestellt: So bewegt sich der Anteil der Dreijährigen, die keine Kita besuchen, in verschiedenen Kommunen in NRW zwischen null und 47 Prozent.
Modellhafte Lösungen anhand vorhandener Daten
Um Zusammenhänge transparent zu machen, die vor Ort die Diagnose und Lokalisierung von Problemlagen (in Quartieren und Einrichtungen) und die Evaluation kommunalen Handelns ermöglichen, entwickeln die Forscher ein Monitoring für Kommunen. Es wertet Daten aus, die ohnehin erhoben werden – zum Beispiel bei der Schuleingangsuntersuchung – und verbindet sie miteinander. Anhand der Ergebnisse entwickeln die Forscher modellhaft Lösungen, die Informationen für alle am Bildungsgeschehen beteiligten Akteure interessant sind.
Quelle/Text/Redaktion: Meike Drießen (RUB)
Dezernat Hochschulkommunikation
Stand: 29.08.2014