Ein Großteil der Patienten mit Prostatakrebs hat einen lokal begrenzten Tumor – und damit die Qual der Wahl zwischen mehreren Behandlungsmethoden, die sowohl Vor- als auch Nachteile haben. „Wie wirksam die gängigen Behandlungsformen beim lokal begrenzten Prostatakrebs im direkten Vergleich sind, wird nun erstmals in der Studie PREFERE untersucht“, sagt Dr. Gerhard Schillinger, Leiter des Stabs Medizin im AOK-Bundesverband. Die PREFERE-Studie, die bis 2030 läuft, ist ein Großprojekt: 7.600 Patienten sollen in die Studie eingeschlossen werden. Zahlreiche niedergelassene Urologen und Strahlentherapeuten und Krankenhäuser beteiligen sich bundesweit.
Die Studienleitung haben Professor Dr. Michael Stöckle von der Universität Homburg/Saar (Urologie) und Professor Dr. Thomas Wiegel von der Universität Ulm (Strahlentherapie). Finanziert wird das Projekt von der Deutschen Krebshilfe sowie den gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen. Zu den Initiatoren gehören außerdem die Deutsche Gesellschaft für Urologie, die Deutsche Gesellschaft für Radioonkologie, der Berufsverband Deutscher Urologen, die Deutsche Krebsgesellschaft und der Bundesverband Prostatakrebs Selbsthilfe.
Therapie auf höchstem medizinischen Niveau
„Die Patienten werden nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen behandelt und erhalten eine Therapie auf höchstem medizinischen Niveau“, betont AOK-Arzt Schillinger. Ihre Betreuung übernehmen erfahrene Spezialisten in ausgewiesenen Studienzentren.
Ein wichtiger Bestandteil der Studie ist die sorgfältige Aufklärung der Patienten über die verschiedenen möglichen Behandlungsmethoden mit eigens dafür entwickelten Materialien. Nach dem Zufallsprinzip werden die Patienten einer der vier gängigen Behandlungsformen bei lokal begrenztem Prostatakrebs mit geringem und frühem mittleren Risiko zugeteilt.
„Da es bislang keine Studienergebnisse gibt, die eine Überlegenheit einer der Behandlungsoptionen gegenüber den anderen belegen, sollten möglichst viele der Patienten für alle Therapiemöglichkeiten offen sein“, sagt Schillinger. Möglich ist es allerdings, nach der Aufklärung durch den Arzt eine oder maximal zwei der vier Behandlungsalternativen von vornherein auszuschließen. Die vier Alternativen sind
- die vollständige operative Entfernung der Prostata,
- die Strahlentherapie von außen über die Haut,
- die Bestrahlung durch dauerhaft in der Prostata platzierte Strahlenquellen (Brachytherapie) sowie
- die aktive Überwachung mit regelmäßigen Kontrollen, bei der eine weitere Therapie erst bei einem erkennbaren Fortschreiten der
- Krankheit beginnt.
Operation hat Vor- und Nachteile
Wird ein auf die Prostata begrenzter Tumor festgestellt, erfolgt in den meisten Fällen eine vollständige operative Entfernung der Prostata und der Samenblasen. Die sogenannte Prostatektomie bietet wie auch die anderen untersuchten Therapieoptionen gute Heilungschancen. Die Nachteile einer Operation: Manche Patienten leiden nach dem Eingriff unter Problemen beim Wasserlassen und Impotenz, in zehn bis 40 Prozent der Fälle unter ungewolltem Urinabgang (Harninkontinenz).
Zwar kann die Potenz durch nervenschonende Verfahren erhalten werden, diese können jedoch nur bei ausgewählten Patienten angewendet werden, bei denen man sicher sein kann, dass nicht durch den Erhalt der Nerven auch Tumorgewebe zurückbleiben kann. Bei der nervenschonenden Operation kann bei etwa der Hälfte der so operierten Patienten die Potenz erhalten werden.
Bestrahlung von außen über die Haut
Mit einer in der Regel ambulanten Bestrahlung kann der lokal begrenzte Prostatakrebs mit niedrigem Risiko ebenfalls geheilt werden. Bei der Bestrahlung von außen über die Haut wird zunächst die Lage des Tumors ermittelt, bevor energiereiche, ionisierende Strahlung direkt auf die Prostata gerichtet wird. Ziel ist es, Tumorzellen zu zerstören und gesundes Gewebe möglichst vor Schäden zu schützen.
Patienten erhalten nie die gesamte Dosis auf einmal; sie wird meist in einem Zeitraum von etwa acht Wochen auf fünf Bestrahlungen pro Woche aufgeteilt. So kann man die Tumorzellen nach und nach in ihrer empfindlichen Phase der Zellteilung mit der Strahlentherapie zerstören.
Als Folgen dieser Behandlungsform können Strahlenschäden der Blase, der Harnröhre und des Enddarms auftreten. Eine Impotenz tritt etwas seltener auf als bei der Operation; allerdings sind auch bei der Strahlentherapie hiervon etwa 60 Prozent der Männer betroffen, jüngere deutlich seltener als ältere.
Bestrahlung von innen
Eine weitere Alternative ist die Brachytherapie oder permanente Seed Implantation. Dabei werden unter einer leichten Narkose über Hohlnadeln kleine Mengen radioaktiven Materials, auch Seeds genannt, in das Prostatagewebe eingebracht und bestrahlen von innen den Tumor. Die Strahlen sollen so den Tumor direkt erreichen und möglichst wenig das umliegende gesunde Gewebe schädigen. Die Strahlungsintensität ist so gering, dass keine Gefahr für andere Menschen besteht. In den ersten Tagen nach dem Eingriff sollten die Patienten lediglich sehr engen Kontakt mit Schwangeren und Kindern vermeiden. Die Risiken dieser Methode – Schädigungen an Enddarm, Blase sowie Impotenz – scheinen denen der Strahlentherapie von außen vergleichbar zu sein.
Aktive Überwachung
Die durch die Früherkennung immer größere Zahl von Patienten mit niedrigem Tumorstadium führte zur Forderung nach weniger aggressiven Therapien. Bei der „aktiven Überwachung“ (active surveillance) kann die aggressive Therapie oft bis zu zehn Jahre aufgeschoben werden, bis ein Voranschreiten des Tumors nachgewiesen ist. Dabei erfolgt eine engmaschige Kontrolle von Laborparametern und von Probeentnahmen.
Viele Patienten mit Prostatakrebs können sich zunächst nicht vorstellen, nach der Diagnose erst mal nichts zu tun.
„Dabei ist die aktive Überwachung ebenfalls eine gängige Behandlungsmethode“, sagt AOK-Experte Schillinger. „Dadurch lässt sich eine Übertherapie bei langsam wachsenden Tumoren vermeiden und die mit den anderen Therapien verbundenen Risiken und Nebenwirkungen über Jahre hinauszögern“, nennt Schillinger die Vorteile. Schreitet die Erkrankung voran, setzt eine Behandlung ein, die auf Heilung abzielt. Die Daten der so behandelten Patienten geben einen guten Hinweis, dass die Gefahr, aggressive Tumore mit dieser Strategie zu spät zu therapieren, gering ist. Daher wurde diese aktive Therapie als vierte Behandlungsalternative in die PREFERE-Studie aufgenommen.