Darmkrebs – Ausgewanderte Zellen überlisten Immunsystem

Im Blut zirkulierende Zellen von Darmkrebstumoren sind in der Regel gefährlicher als das Krebsgeschwür selbst: Diese Einzelgänger nisten sich in anderen Organen – zum Beispiel der Leber oder der Lunge – ein und bringen viele Patienten in Lebensgefahr. Wie es den Zellen gelingt, sich auf ihrem Weg vom Tumor zum neuen Organ gegen das Immunsystem des Menschen wirksam zu schützen, konnten Forscher der Klinik für Viszeral-, Thorax- und Gefäßchirurgie des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden in einem mehrjährigen Vorhaben nachweisen. Die Ergebnisse wurden von der renommierten amerikanischen Fachzeitschrift „Cancer Research“ in ihrer Printausgabe vom 15. März veröffentlicht (DOI: 10.1158/0008-5472.CAN-13-1885). Basis der Forschungsarbeit bilden Blutproben, die Darmkrebspatienten bei Operationen direkt von aus den Tumoren abgehenden Venen entnommen wurden.

Um die grün gefärbte Krebszelle aus der Blutprobe zu ziehen, nutzen die Dresdner Forscher einen Mikro-Manipulator. Über eine aus einer feinen Glasröhre gezogenen Spitze (links im Bild) wird die Zelle angesaugt. Ähnliche Geräte werden auch bei der künstlichen Befruchtung eingesetzt. Foto: Uniklinikum Dresden / Klinik für Viszeral-, Thorax- und Gefäßchirurgie
Um die grün gefärbte Krebszelle aus der Blutprobe zu ziehen, nutzen die Dresdner Forscher einen Mikro-Manipulator. Über eine aus einer feinen Glasröhre gezogenen Spitze (links im Bild) wird die Zelle angesaugt. Ähnliche Geräte werden auch bei der künstlichen Befruchtung eingesetzt. Foto: Uniklinikum Dresden / Klinik für Viszeral-, Thorax- und Gefäßchirurgie

 

„Nicht der Darmkrebs führt zum Tod der Patienten,
sondern seine Metastasen

„Nicht der Darmkrebs führt zum Tod der Patienten, sondern seine Metastasen, die lebenswichtigen Organen massiv zusetzen. Sie entstehen aus Zellen, die vom Tumor gestreut werden und so ins Blut gelangen. Darum forschen wir seit Jahren intensiv zu Fragen dieser zirkulierenden Krebszellen“, sagt Prof. Jürgen Weitz, Direktor der Klinik für Viszeral-, Thorax- und Gefäßchirurgie. Der vor zwei Jahren nach Dresden gewechselte Krebsexperte leitet neben der Klinik ein Wissenschaftlerteam, das unter anderem mehrere in Heidelberg begonnene Forschungsprojekte am Dresdner Uniklinikum fortsetzt. Die jetzt publizierten Ergebnisse sind das Resultat eines Teilprojekts der Klinischen Forschergruppe „Das kolorektale Karzinom: Der Weg vom Primärtumor zur Metastase“ (KFO 227), die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziert wird. Diese Gruppe wurde von Prof. Weitz während seiner Tätigkeit in Heidelberg initiiert. Nach seinem Wechsel nach Dresden arbeiten die Wissenschaftlerteams beider Städte intensiv zusammen. „Unsere Forschungsprojekte sind sehr eng mit unserer klinischen Tätigkeit verwoben“, betont Prof. Weitz.

Viele der Ärzte und Wissenschaftler arbeiten gleichermaßen im Forschungslabor und im OP sowie auf Station. „Unsere Stärke liegt somit darin, dass wir Krankenversorgung und Forschung in gegenseitiger Befruchtung betreiben“, so der Klinikdirektor. Die Expertise bei der Behandlung von Krebspatienten und insbesondere von Darmkrebspatienten zeigt sich auch in dem aktuellen Ranking des Nachrichtenmagazins „Focus“, bei dem die Klinik für Viszeral-, Thorax- und Gefäßchirurgie den Spitzenplatz in Sachsen belegt. Im Zuge der wissenschaftlichen Arbeit bittet die Klinik ihre Patienten sehr oft, sich an Studien zu beteiligen. Dies ist auch der Schlüssel zum Erfolg der Forschungen zu den im Blut zirkulierende Zellen von Darmkrebstumoren.

Detektivarbeit mit Mikroskop und Spezialpipettierer

Um die vom Tumorgewebe abwandernden Zellen im Blut der Krebspatienten zu finden, bedarf es einer aufwändigen Suche, denn die im Blut zirkulierenden Krebszellen (Circulating Tumor Cells – CTC) treten sehr selten auf. Um sie überhaupt finden zu können, gaben die Forscher der entnommenen Blutprobe einen Marker bei, der die Krebszellen grün färbt. Dadurch ist es erst möglich geworden, sie einzeln mit einem speziellen Pipettiergerät unter dem Mikroskop aus dem Blut herauszuholen – ein sehr aufwändiges Verfahren, das deshalb als reguläre Diagnostikmethode noch ungeeignet ist.

Die Forscher benötigten diese intakten, noch lebenden Zellen, um die Eigenschaften der CTC zu untersuchen. Als Ergebnis ihrer dreijährigen Forschungen hat das Wissenschaftlerteam einzelne Signalwege der im Blut zirkulierenden Zellen des Darmkrebses analysiert. „Uns ist der Nachweis gelungen, dass das Protein CD47 in der CTC hochreguliert ist und die Zelle so ein ‚Friss-mich-nicht-Signal‘ aussendet. Damit werden die weißen Blutkörperchen davon abgehalten, die Zelle zu vernichten“, sagt Dr. Sebastian Schölch, einer der Erstautoren der Publikation in „Cancer Research“. „Eigentlich werden alle blutfremden Zellen, die in das Blut gelangen, durch Abwehrzellen schnell identifiziert und eliminiert. Bislang war unklar, wieso dies bei vielen Krebszellen nicht geschieht; nun sind wir in der Beantwortung dieser Frage einen großen Schritt weiter gekommen“, erklärt Dr. Schölch.

Auch nach der jetzt erfolgten Veröffentlichung führt das Wissenschaftlerteam der Klinik für Viszeral-, Thorax- und Gefäßchirurgie des Dresdner Uniklinikums seine Forschungen fort. Deshalb werden auch künftig die Darmkrebspatienten der Klinik um ihr Einverständnis für die Blutabnahme gebeten, die im Rahmen der Krebs-Operation erfolgt und für sie keinerlei Folgen hat. Mit den Proben sollen die Untersuchungen in einem größeren Rahmen fortgesetzt werden. Denn auch andere Proteine der CTC weisen eine gegenüber den Ausgangszellen des Darmtumors abweichende Regulierung auf, die die Eigenschaft der Zelle beeinflusst. Ziel der Forschungen ist es, Wege zu finden, die im Blut zirkulierenden Krebszellen des Darmkrebses angreifbar zu machen und somit die Überlebenschancen von Patienten, die andernfalls möglicherweise tödliche Metastasen entwickelt hätten, zu verbessern.

Publikation
http://cancerres.aacrjournals.org/content/early/2014/01/30/0008-5472.CAN-13-1885.abstract

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