Kinder greifen bei Snacks besonders gerne zu, wenn die Verpackung ansprechend gestaltet ist. „Die Süßigkeitenindustrie hat sehr viel Erfahrung damit, wie sich mit Marketingeffekten der Produktabsatz bei Kindern steigern lässt“, sagt Prof. Bernd Weber vom Center for Economics and Neuroscience (CENs) der Universität Bonn. „Vergleichsweise gibt es aber nur wenige Erkenntnisse darüber, wie sich solche Marketingeffekte für gesunde Lebensmittel nutzen lassen.“ In diese Lücke stößt eine Studie, die ein Team um Prof. Weber zusammen mit Wissenschaftlern um Prof. Dr. Mathilde Kersting vom Forschungsinstitut für Kinderernährung Dortmund durchgeführt hat.
Drei unterschiedliche Verpackungen mit identischem Produkt
Insgesamt 179 Jungen und Mädchen von Dortmunder Grundschulen nahmen an dem Forschungsprojekt teil. Die Acht- bis Zehnjährigen konnten zwischen drei identischen Joghurt-Früchtemüsli-Snacks wählen, die nach den Empfehlungen des FKE hergestellt worden waren, nur die Verpackungen waren unterschiedlich gestaltet: Erstens eine schlichte Standardverpackung, zweitens eine Verpackung mit zusätzlichen Gesundheitshinweisen und drittens mit für Kinder besonders attraktiven Zeichentrickfiguren.
Wie groß ist die Motivation der Grundschüler, an einen bestimmten Snack aus dem Dreiersortiment heranzukommen? Dies ermittelten die Forscher mit einem speziellen Messgerät, welches die Handgriffstärke misst. Es zeigt an, mit welcher Kraft die Kinder mit einer Hand zudrückten, wenn sie ihre Wunschpackung mit dem Müsli haben wollten. „Wir konnten mit diesem Handdynamometer ablesen, wieviel Anstrengung die Kinder bereit waren, für das Produkt zu leisten“, erläutert Erstautorin Laura Enax aus Prof. Webers Team. Anschließend durften die Kinder auch von den Snacks in den unterschiedlichen Verpackungen kosten.
Gesundheitshinweise sind bei Kindern weniger beliebt
Die Ergebnisse zeigen, dass die Motivation der Kinder für das Müsli in der Verpackung mit den attraktiven Zeichentrickfiguren am größten war. Die Messungen mit dem Dynamometer ergaben, dass sie besonders viel Kraft aufwendeten, um an diesen kindgerecht offerierten Snack heranzukommen. Auch beim Geschmackstest schnitt das Müsli mit den spaßigen Zeichentrickfiguren am besten ab. Sowohl die Standardverpackung als auch die an die Gesundheit appellierende Verpackung fiel in der Gunst der Kinder deutlich ab. Sowohl die Ergebnisse der Befragung als auch die Messung der Druckkraft trugen dazu bei, die spätere Produktwahl zu erklären. Dies weise darauf hin, dass nur die Befragung der Kinder alleine nicht ausreicht, um zu erfassen, was die Kinder lieber mögen, so die Forscher.
„Es handelt sich dabei um einen klassischen Marketingplaceboeffekt“, sagt Prof. Weber. Wie bei einem Scheinmedikament (Placebo) wird bestimmten Produkten eine Wirkung zugesprochen, ohne dass dies durch den Inhalt gerechtfertigt wäre. Bei der Studie war in jedem Becher der identische Joghurt-Früchtemüsli-Snack, trotzdem glaubten die Grundschulkinder zu erkennen, dass sich der Geschmack in den verschiedenen Verpackungen voneinander unterscheidet.
Methode ist reif für den Einsatz beim Schulessen
„Attraktiv gestaltete Lebensmittelverpackungen können Kinder zu ungesunden Lebensmitteln verführen“, sagt Prof. Kersting vom Forschungsinstitut für Kinderernährung Dortmund. „Solche Marketingeffekte lassen sich jedoch auch dazu nutzen, den Nachwuchs für gesunde Lebensmittel zu gewinnen.“ Die in der Studie herausgearbeitete Methode könne etwa eingesetzt werden, um zu untersuchen, wie die Attraktivität von Schulmilch oder Vollkornsandwiches gesteigert werden kann. Die Wissenschaftler wollen in weiteren Studien untersuchen, ob insbesondere stark übergewichtige Kinder besonders für Marketingplaceboeffekte auf Verpackungen empfänglich sind.
Publikation: Food packaging cues influence taste perception and increase effort provision for a recommended snack product in children, Fachjournal „Frontiers in Psychology“, Internet: http://journal.frontiersin.org/article/10.3389/fpsyg.2015.00882/abstract