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Nervenzellen auf der Überholspur

Auf dem Bild sind die Dopamin produzierenden Neurone zu erkennen (rot). Blau sind die Nervenzellen, die Glutamat für die Signalweiterleitung verwenden. © Foto: Life & Brain
Auf dem Bild sind die Dopamin produzierenden Neurone
zu erkennen (rot). Blau sind die Nervenzellen, die Glutamat für die Signalweiterleitung verwenden. © Foto: Life & Brain

Dopamin produzierende Neurone beeinflussen zahlreiche wichtige Gehirnfunktionen, und bei Erkrankungen wie Parkinson und Schizophrenie ist die Dopamin-Signalübertragung im Gehirn beeinträchtigt. Forscher der Universität Bonn und des Uniklinikums Bonn haben nun an Mäusen beobachtet, wie sich eine spezielle Form dieser wichtigen Zellen bildet und welche Netzwerke sie im Lauf der Gehirnentwicklung ausbildet. Dabei entdeckten die Wissenschaftler eine Art Datenautobahn: Diese Nervenzellen nutzen nicht nur Dopamin zur Signalübertragung, sondern auch das deutlich schnellere Glutamat. Die Ergebnisse sind nun im Fachjournal „Nature Neuroscience“ veröffentlicht.

Das Bild zeigt die Verknüpfungen, die von den Dopamin produzierenden Zellen in den präfrontalen Cortex reichen (rot). Grün eingefärbt sind Zellen, die mit einem lichtempfindlichen Protein markiert wurden. © Foto: Life & Brain
Das Bild zeigt die Verknüpfungen,
die von den Dopamin produzierenden Zellen in den präfrontalen Cortex reichen (rot). Grün eingefärbt sind Zellen, die mit einem lichtempfindlichen Protein markiert wurden. © Foto: Life & Brain

Dopamin produzierende Neurone nehmen eine Schlüsselrolle in der Signalübertragung ein: Während der Gehirnentwicklung reifen sie zu mehreren spezialisierten Subtypen heran, die als eine Art Netzwerker zu zahlreichen anderen wichtigen Gehirnregionen Verknüpfungen herstellen. Ihr Name rührt daher, weil sie Dopamin als Botenstoff nutzen. Dieser Neurotransmitter ist sehr wichtig: Er beeinflusst Bewegungssteuerung, Belohnungsvehalten und andere Funktionen des Gehirns, wie zum Beispiel Motivation und Impulsivität. Bei Erkrankungen wie Parkinson und Schizophrenie kommt es zum Absterben der Dopamin-Neurone beziehungsweise zu Störungen in der Dopamin-Signalübertragung.

Wissenschaftler der Universität Bonn haben nun in einer Kooperation mit Kollegen des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE), dem Life & Brain Zentrum Bonn sowie der Universität Bochum im Tiermodell eine Art Datenautobahn entdeckt. „Während die Signalübertragung zwischen den Nervenzellen mittels Dopamin vergleichsweise langsam ist, haben die von uns untersuchten Dopamin produzierende Neurone zusätzlich Glutamat als Botenstoff benutzt“, berichtet Milan Pabst vom Labor für Experimentelle Epileptologie und Kognitionsforschung des Universitätsklinikums Bonn. „Außerdem konnten wir erstmals Einblicke in die Entwicklungsgeschichte dieser Nervenzell-Subtypen gewinnen“, sagt Privatdozentin Dr. Sandra Blaess vom Institut für Rekonstruktive Neurobiologie des Life & Brain Zentrums der Universität Bonn.

Forscher regten einzelne Nervenzellen durch Lichtreize an

Mit gentechnologischen Methoden koppelten die Wissenschaftler die Dopamin produzierenden Neuronen von Mäusen mit lichtempfindlichen Proteinen. Dadurch konnten sie einzelne dieser Dopamin-Nervenzellen mit Lichtreizen anregen und den Signalweg weiterverfolgen. „Mittels des Glutamats wurden im präfrontalen Cortex lokale hemmende Neurone aktiviert“, berichtet Pabst. Der präfrontale Cortex ist so etwas wie das Kontrollzentrum im Gehirn, in dem zum Beispiel Aufmerksamkeit und Entscheidungsfindung erfolgen sowie auch das Arbeitsgedächtnis seinen Sitz hat.

Die durch das Glutamat aktivierten hemmenden Neurone sind wiederum für die Regulation der Signalübertragung im Präfrontalen Cortex zuständig: Sie entscheiden zum Beispiel mit darüber, ob ein Signal weitergeleitet wird. „Deshalb kommt dem identifizierten Glutamatweg bei der Signalverarbeitung im präfrontalen Cortex eine zentrale Bedeutung zu“, sagt Prof. Dr. Heinz Beck vom Labor für Experimentelle Epileptologie und Kognitionsforschung des Bonner Uniklinikums.

„Es ist weitgehend unklar, wie verschiedene Subtypen von Dopamin-produzierenden Neuronen entstehen“, berichtet Dr. Blaess. Daher untersuchten die Wissenschaftler die Entwicklungsgeschichte der Dopamin produzierenden Nervenzellen, indem sie in den Mäusen ein Gen stumm schalteten. „In den Tieren konnten daraufhin keine Vorläuferzellen mehr produziert werden, aus denen die Dopamin-Nervenzellen, die das wichtige Netzwerk zur Schaltzentrale im präfrontalen Cortex aufbauen, hervorgehen“, sagt Dr. Anna Kabanova, frühere Mitarbeiterin von Dr. Blaess.

Mäuse mussten ein aufblinkendes Licht anstupsen

Welche Auswirkungen hatten die fehlenden Dopamin produzierenden Zellen? Das testeten die Wissenschaftler zusammen mit dem Team von Prof. Dr. Magdalena Sauvage von der Ruhr-Universität Bochum in Aufmerksamkeitsversuchen. Die Mäuse wurden mit Futter belohnt, wenn sie möglichst rasch ein aufblickendes Licht anstupsten. „Die Ergebnisse zeigten, dass die Tiere, in denen genetisch die Dopamin produzierenden Zellen ausgeschaltet waren, keine offensichtliche Veränderung in ihrer Aufmerksamkeit und Impulskontrolle, aber ein deutlich verstärktes Beharren auf bereits einstudierten Verhaltensmustern aufwiesen“, sagt Prof. Sauvage.

Ein krankhaftes Festhalten an Vorstellungen oder die Wiederholung von Wörtern oder Bewegungen in unpassenden Zusammenhängen tritt auch bei psychischen Erkrankungen wie Zwangsstörungen oder Schizophrenie auf, in denen die Funktion des präfrontalen Cortex gestört ist. „Unsere Ergebnisse tragen zu einem besseren Verständnis der Entwicklung und Funktion der Dopamin produzierenden Neurone und möglicherweise damit zusammenhängender Erkrankungen bei“, sagt Dr. Blaess.

Publikation: Function and developmental origin of a mesocortical inhibitory circuit, Nature Neuroscience, DOI: 10.1038/nn.4020

Ein CT ängstigt viele wie eine Operation

(ots) – Radiologen müssen einen neuen Aspekt bei der Aufklärung berücksichtigen: Ihre Patienten ängstigen sich vor einer computertomografischen Untersuchung (CT) ebenso stark wie vor geplanten Operationen. Das berichtet die „Apotheken Umschau“ unter Berufung auf eine Befragung von 852 Personen an der Klinik der Universität Bochum. Diese fürchteten sich vor der Enge in dem Gerät, den Röntgenstrahlen, den in die Vene verabreichten Kontrastmitteln und den Ergebnissen der Untersuchung. Die Studie zeigte auch, dass sich gut informierte Patienten vor ihrer CT besser fühlten.

MERS-Virus weiter verbreitet als angenommen

Das 2012 entdeckte MERS-Virus scheint weiter verbreitet zu sein als nach offiziellen Fallmeldungen angenommen. Das belegt eine internationale Studie unter Federführung der Universität Bonn und des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF). Demnach verläuft vermutlich der größte Teil der Infektionen ohne schwere Krankheitssymptome. Ursprünglich ging man dagegen von einer Sterblichkeitsrate von bis zu 30 Prozent aus. Die Studie ist jetzt in der Zeitschrift Lancet Infectious Deseases erschienen.

Das MERS-Virus wurde erstmals 2012 in Patienten mit einer schweren Atemwegsinfektion identifiziert. Seitdem wurden mehr als 1.000 schwere Erkrankungsfälle nachgewiesen; rund 300 davon endeten tödlich. Alle Betroffenen hatten einen Bezug zum Mittleren Osten. Das Kürzel MERS steht für „Middle East Respiratory Syndrom“.

Dass die MERS-Erkrankung so schwer verläuft, scheint aber eher die Ausnahme zu sein. In diese Richtung deutet zumindest die neue Lancet-Studie. Die Forscher haben darin mehr als 10.000 Blutproben aus Saudi-Arabien ausgewertet. Die getesteten Personen hatten in den letzten Jahren keine gravierende Infektion durchgemacht. Dennoch enthielten 15 Proben Antikörper gegen das MERS-Virus.

Die Probanden stammen aus unterschiedlichen Regionen des riesigen Landes. Ihre Altersverteilung stimmt zudem mit der in der Gesamtbevölkerung überein. Das macht die Ergebnisse besonders aussagekräftig. „In den letzten zehn Jahren haben sich in Saudi Arabien wahrscheinlich mehr als 40.000 Menschen mit MERS angesteckt, ohne es zu merken“, schätzt Christian Drosten, Professor für Virologie an der Universität Bonn und einer der Koordinatoren im DZIF-Schwerpunkt „Neu auftretende Infektionskrankheiten“.

Kinderkrankheit bei Kamelen

Die Studie stützt auch eine These, die die Bonner Wissenschaftler bereits vor zwei Jahren aufgestellt haben: „MERS ist eigentlich eine Krankheit, die vor allem Kamele befällt“, sagt Drosten. „Unter ungünstigen Umständen kann das Virus gelegentlich auf den Menschen überspringen.“
Tatsächlich fanden die Wissenschaftler in einer ergänzenden Studie bei Kamelhirten und Schlachtern bis zu 23mal höhere Infektionsraten als im Schnitt. Besonders häufig tragen zudem junge Männer MERS-Antikörper – in Saudi-Arabien züchten viele Männer nebenberuflich Kamele.
Eine direkte Übertragung von Mensch zu Mensch sei vermutlich relativ selten, betont Drosten. Daher sei – anders als bei Ebola – unter normalen Umständen keine MERS-Epidemie zu befürchten. Zwar gab es im vergangenen Jahr im saudi-arabischen Dschidda einen größeren MERS-Ausbruch. Dieser wurde jedoch durch schlechte Krankenhaus-Hygiene begünstigt.

Die Studie ist ein Erfolg des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF). Das DZIF wurde 2011 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung ins Leben gerufen. Unter seinem Dach erforschen Universitäten und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen bedrohliche Infektionskrankheiten rund um den Globus. Das Institut für Virologie der Universität Bonn ist eines der Mitglieder des DZIF.

Publikation: Marcel Müller, Benjamin Meyer, Victor Corman, Malak Al-Masri, Abdulhafeez Turkestani, Daniel Ritz, Andrea Sieberg, Souhaib Aldabbagh, Berend-J. Bosch, Erik Lattwein, Raafat Alhakeem, Abdullah Assiri, Ali Albarrak, Ali Al-Shangiti, Jaffar Al-Tawfiq, Paul Wikramaratna, Abdullah Alrabeeah, Christian Drosten, Ziad A Memish: Presence of Middle East respiratory syndrome coronavirus antibodies in Saudi Arabia: a nationwide, cross-sectional, serological study; Lancet Infect Dis 2015, 9. April 2015;
http://www.thelancet.com/journals/laninf/article/PIIS1473-30991570090-3/abstract

Rückenschmerzen: Risiko von Fehlbehandlungen steigt

Ärzte in Deutschland greifen bei unkomplizierten Rückenschmerzen vorschnell zum Röntgengerät. Die Folge: Fast 50.000 Patienten jährlich werden unnötig geröntgt. Das zeigt eine Studie der Techniker Krankenkasse (TK). Von allen Patienten mit akutem Kreuzschmerz, die radiologisch untersucht werden, wird laut TK-Studie jeder dritte innerhalb von sechs Wochen unter den Röntgenapparat gelegt – obwohl Wissenschaftler sich einig sind, dass Patienten in diesem Zeitraum nicht geröntgt werden sollten. Denn die Beschwerden bilden sich in der Sechs-Wochen-Frist oft spontan zurück.

„Das frühe Röntgen widerspricht den aktuellen wissenschaftlichen Empfehlungen der medizinischen Fachgesellschaften“, sagt Dr. Frank Verheyen, Leiter des Wissenschaftlichen Instituts der TK (WINEG), das für die Studie ärztliche Abrechnungsdaten aus den Jahren 2010 bis 2012 ausgewertet hat. „Mit den Röntgenaufnahmen werden Strahlenbelastungen in Kauf genommen, die bei der spontanen Rückbildung der Rückenbeschwerden in vielen Fällen vermieden werden könnten“, so Verheyen weiter. Auf ein Jahr gerechnet wurden insgesamt etwa 6.000 bei der TK versicherte Patienten zu früh und damit in der Regel unnötig geröntgt. „Hochgerechnet auf die gesamte gesetzliche Krankenversicherung werden damit knapp 50.000 Versicherte jährlich unnötig Röntgenstrahlen ausgesetzt“, so WINEG-Leiter Dr. Verheyen. „Und das für eine Diagnostik, die den Betroffenen mehr schadet als nutzt.“

Denn die betroffenen Patienten riskieren zudem Fehlbehandlungen. Schmerztherapeut Dr. Thomas Nolte von der Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie: „Rückenschmerzen werden oft durch Probleme in den Muskeln ausgelöst. Das ist aber auf Röntgenbildern überhaupt nicht erkennbar.“ Stattdessen würden viele Versicherte an den Bandscheiben operiert, wenn die Bilder hier Probleme zeigen. Die Patienten hätten danach aber oft noch dieselben Schmerzen – einfach weil die Bandscheiben gar nicht die eigentliche Schmerzursache waren.

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