Anlässlich des Internationalen Tages der Migranten fordert die Präsidentin des Deutschen Bundesverbandes für Logopädie e.V. (dbl), Christiane Hoffschildt, dass dem Thema Migration und Mehrsprachigkeit mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden müsse: „Jedes dritte Kind bis zu zehn Jahren hat in Deutschland einen Migrationshintergrund. In einigen deutschen Großstädten liegt der Anteil sogar bei mehr als 60%. Angesichts dieser Zahlen kommt dem Thema Mehrsprachigkeit ein zentraler Stellenwert im deutschen Bildungs- und Gesundheitswesen zu“, so die dbl-Präsidentin.
Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass Mehrsprachigkeit für gesunde Kinder generell keine Überforderung darstellt. Probleme können aber auftauchen, wenn soziale Problemlagen hinzukommen oder wenn die unmittelbaren Bezugspersonen keine guten Sprachvorbilder sind. „Deshalb sollten Eltern mit ihren Kindern in der Sprache sprechen, die sie am besten beherrschen. Dies ist in der Regel die Sprache, die sie selbst als Kind erworben haben. Gleichzeitig sollten Eltern, die in Deutschland leben, den Kindern die Möglichkeit einräumen, früh mit der deutschen Sprache in einen intensiven Kontakt zu kommen, beispielsweise durch den Besuch eines Kindergartens“, so Hoffschildt. Die Politik sei hier gefordert, in den Kindertagesstätten die Bedingungen so zu gestalten, dass ein „sprachreicher“ Alltag möglich ist. Dies erfordere insbesondere eine entsprechende personelle Ausstattung und Qualifikation und eine Anpassung von Sprachfördermaßnahmen an die besonderen Bedürfnisse mehrsprachiger Kinder.
„Kinder, die erst im Kindergarten Kontakt mit der deutschen Sprache erhalten, zeigen typische Auffälligkeiten beim Deutscherwerb“, so Dr. Wiebke Scharff Rethfeldt, Logopädin und Expertin für Mehrsprachigkeit und Interkulturalität. Beispielsweise konzentrieren sie sich zunächst auf die inhaltlich wichtigen Dinge wie Nomen und Verben – Pronomen, Artikel und Präpositionen kommen wesentlich später. „Leider werden andere Hinweise auf Sprachentwicklungsstörungen fälschlicherweise noch immer der Mehrsprachigkeit zugeschrieben oder als mangelnde Deutschkenntnisse missverstanden“, so Scharff Rethfeldt. Deshalb müsse die Berücksichtigung der besonderen Bedingungen des Mehrspracherwerbs auch im Rahmen der kinderärztlichen Vorsorgeuntersuchungen gewährleistet werden, indem beispielsweise im Rahmen der U7a die Erstsprache berücksichtigt wird“, betont die Expertin.
„Alle Kinder in unserem Lande brauchen die Chance, die deutsche Sprache so gut zu beherrschen, dass sie ihre Schullaufbahn problemlos bewältigen können. Dies gilt besonders für Kinder, deren Erstsprache nicht Deutsch ist“, mahnt dbl-Präsidentin Christiane Hoffschildt. Leider gelinge dies allzu oft nicht. Die nach wie vor hohe Anzahl nicht erkannter sprachauffälliger Kinder in den Schuleingangsuntersuchungen und der Verordnungsgipfel für logopädische Therapien bei Kindern um das sechste Lebensjahr zeigten, dass hier, insbesondere hinsichtlich einer frühen Diagnostik, noch viel zu tun sei. „Kinder mit logopädischem Therapiebedarf brauchen so früh wie möglich eine entsprechende Verordnung. Das kann schon im Alter von 2 oder 3 Jahren nötig sein. Denn je früher die Logopädin den Befund erheben und die Behandlung durchführen kann, desto schneller und sicherer stellt sich der Erfolg ein“, so Hoffschildt.
LogopädInnen behandeln Menschen mit Sprach-, Sprech-, Stimm-, Schluck- und Hörstörungen. Sie sind Expertinnen für die Sprachentwicklung und arbeiten eng mit Kinderärzten, Eltern, Erzieherinnen und Lehrern zusammen.
Hintergrund
Im Dezember 2000 hat die UNO den 18. Dezember als den Internationalen Tag der Migranten ausgerufen. Am 18. Dezember 1990 wurde die Internationale Konvention zum Schutz der Rechte aller Migranten und ihrer Familienangehörigen von der UN-Vollversammlung angenommen. In Artikel 30 garantiert die Konvention den Kindern von Wanderarbeitern das grundlegende Recht auf Zugang zur Bildung und zu allen Bildungseinrichtungen. Migranten, deren Status im Gastland geregelt ist, garantiert Artikel 43 darüber hinaus den uneingeschränkten Zugang zu Sozial- und Gesundheitsdiensten, sofern die erforderlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Maßnahmen erfüllt sind.
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