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Wissenschaftliches Fehlverhalten häufig Folge von Unkenntnis

 Foto: Thomas Hartmann
Foto: Thomas Hartmann

„Akademische Integrität“

Angesichts der sich stetig verändernden Medien- und Bildungslandschaft steht auch die Wissenschaft heute vor neuen Herausforderungen. Veränderte technologische Gegebenheiten und die vermehrte Diskussion über wissenschaftliches Fehlverhalten Einzelner – zum Teil herausragender Persönlichkeiten – machen es notwendig, neue Wege in der Vermittlung und Kontrolle wissenschaftlicher Standards zu beschreiten.

Die Vielzahl unterschiedlicher Fachkulturen und die damit teilweise einhergehenden unterschiedlichen Formen der Regeln guter wissenschaftlicher Praxis sowie die Vielfältigkeit der Problemfelder akademischen Fehlverhaltens verlangen nach sach- und fallgerechten Vorgehensweisen. Mit dem Projekt „Akademische Integrität“ hat sich die Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) daher zum Ziel gesetzt, angemessene Maßnahmen zur Identifizierung, Prävention, Erkennung und Sanktionierung akademischen Fehlverhaltens zu entwickeln. Studentisches Fehlverhalten wird dabei ebenso in den Blick genommen wie kollegiales oder wissenschaftliches Fehlverhalten von Lehrenden und Forschenden.

„Wenngleich unsere Universität für den Fall wissenschaftlichen Fehlverhaltens klare Sanktionen festgelegt hat, wollen wir diesem Problemkreis dennoch in erster Linie präventiv begegnen. Im Fokus stehen daher weniger Maßnahmen zur Kontrolle und zur Verfolgung von falschem Verhalten“, erklärt der Präsident der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Univ.-Prof. Dr. Georg Krausch. „Es geht uns vielmehr darum, das Bewusstsein für gute wissenschaftliche Praxis zu fördern, Sichtbarkeit zu schaffen und Ideen zu entwickeln, wie alle Bereiche der Universität sinnvoll gemeinsam vorgehen können. Wir wollen das Thema der akademischen Integrität im Studien- und Forschungsalltag fest verankern.“

Entsprechend hat sich die Johannes Gutenberg-Universität Mainz bereits in ihrem Leitbild der Maxime akademischer Integrität verpflichtet. „Das tägliche Handeln ihrer Mitglieder in Forschung, Lehre und Studium, in der wissenschaftlichen Weiterbildung sowie im Wissenschaftsmanagement steht in Übereinstimmung mit den Werten und Regeln guter wissenschaftlicher Praxis. Die Mitglieder der JGU erkennen das geistige Eigentum anderer als schützenswertes Gut an und befolgen sowohl die allgemeinen als auch die fachspezifischen Prinzipien wissenschaftlichen Arbeitens“, so die JGU in ihrem Leitbild. „Das Erlernen der Regeln guter wissenschaftlicher Praxis ist als Teil der Vermittlung wissenschaftlicher Arbeitstechniken integraler Bestandteil eines jeden Studiums. Die JGU verpflichtet sich, dem Verdacht wissenschaftlichen Fehlverhaltens aktiv nachzugehen und erwiesenes wissenschaftliches Fehlverhalten angemessen zu sanktionieren.“

Das Projekt „Akademische Integrität“ ist ein Teilprojekt des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten universitätsweiten Programms „Lehren – Organisieren – Beraten“ (LOB) zur Verbesserung der Lehre und ist an der Universitätsbibliothek Mainz angesiedelt. „Wissenschaftliches Fehlverhalten wird nicht unbedingt geplant, sondern entsteht häufig aufgrund von Unkenntnis“, erklärt Projektleiterin Nicole Walger von der Universitätsbibliothek Mainz. „Unsere Homepage – www.akin.uni-mainz.de – dient daher als erste Anlaufstelle. Sie bündelt und präsentiert die bislang auf dem Campus verstreuten Angebote für Studierende und Promovierende, für Lehrende und Forschende sowie für alle anderen Interessierten auf diesem Gebiet.“

Im Sinne der Prävention akademischen Fehlverhaltens sind die Angebote des Projekts primär darauf ausgerichtet, die Mitglieder der JGU für den Themenbereich zu sensibilisieren und mit den wesentlichen Normen, Regeln und Vorgehensweisen vertraut zu machen. Neben bibliothekarischen Schulungsformaten, so zum Themenkomplex „Plagiat, Zitat und Paraphrase“, die sich unmittelbar an Studierende und Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler wenden, werden Fortbildungseinheiten für Lehrende und umfassendere Workshops für Nachwuchswissenschaftler – beispielsweise im Rahmen von Graduiertenkollegs – angeboten. Um eine gewisse Breitenwirkung zu erreichen, liegt ein Schwerpunkt der Projektarbeit im Bereich der Produktion und Bereitstellung von Lehr- und Informationsmaterialien. Diese werden ab dem Wintersemester 2014/2015 in einer „Toolbox“ zum Download und zur weiteren Verwendung angeboten.

Ein Beispiel aus dem vielfältigen Präventionsprogramm ist die campusweite Schreibwerkstatt, die ebenfalls zum BMBF-geförderten Projekt LOB gehört. Sie offeriert verschiedene zentrale und dezentrale Angebote für Studierende, den wissenschaftlichen Nachwuchs und Lehrende. Diese dienen zum einen dazu, Studierende beim wissenschaftlichen Schreiben zu unterstützen sowie ihnen Methoden zur Bewältigung von Schreibproblemen an die Hand zu geben. Zum anderen zielen sie darauf ab, Lehrende bei der Entwicklung von Konzepten zur Vermittlung wissenschaftlicher Arbeitstechniken zu begleiten. „Sämtliche Angebote behandeln zentrale Aspekte des wissenschaftlichen Schreibens, jeweils in Anpassung an die Zielgruppe“, erklärt Dr. Nora Hoffmann vom Zentrum für Qualitätssicherung und -Entwicklung (ZQ). „Dazu gehören der Prozesscharakter des Schreibens, die Zeit- und Arbeitsplanung ebenso wie Lese- und Schreibtechniken oder die Akademische Integrität. Ziel muss sein, Freude am Formulieren und Schreiben zu finden.“

So ist beispielsweise das Schreiben von Haus- und Abschlussarbeiten für Studierende immer wieder eine Herausforderung. Wie finde ich ein geeignetes Thema und wie die passende Literatur? Wie beginne ich einen Text? Was ist ein guter wissenschaftlicher Stil? Und wann ist eine Arbeit reif für die Abgabe? Bei all diesen Fragen dient die campusweite Schreibwerkstatt als Anlaufstelle. Vom Workshop über Tutorien bis zur Einzelberatung bündelt sie die Angebote verschiedenster Einrichtungen der JGU zum wissenschaftlichen Scheiben.

Außer der Universitätsbibliothek Mainz, bei der die Federführung für das Projekt „Akademische Integrität“ liegt, sind auch andere Bereiche der Johannes Gutenberg-Universität Mainz wie das Zentrum für Datenverarbeitung (ZDV) und das Zentrum für Qualitätssicherung und -entwicklung (ZQ) involviert. Beispielsweise prüfen sie, welche Detektionssoftware geeignet sein könnte, um Plagiate aufzuspüren. Für Lehrende soll hierzu auch ein Onlineberatungsangebot aufgebaut werden.

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Eine heiße Alternative zum elektrischen Strom

Die Physiker der Universität Bielefeld experimentieren mit Nanoschichten auf Chipträgern (Bild). Die Schichten bestehen aus magnetischen Isolatoren, also Material, das keinen oder nur wenig elektrischen Strom leitet. Foto: Universität Bielefeld
Die Physiker der Universität Bielefeld experimentieren mit Nanoschichten auf Chipträgern (Bild). Die Schichten bestehen aus magnetischen Isolatoren, also Material, das keinen oder nur wenig elektrischen Strom leitet. Foto: Universität Bielefeld

Die Fakultät für Physik der Universität Bielefeld ist künftig an vier statt drei Projekten des Schwerpunktprogramms „Spin Caloric Transport“ (SpinCaT) der Deutschen Forschungsgemeinschaft beteiligt. Die Wissenschaftler der Universität Bielefeld arbeiten an den physikalischen Grundlagen, um magnetische Signale mit Wärme zu erzeugen. Langfristig könnten auf der Basis zum Beispiel energiesparende Computer entwickelt werden. 2011 startete das Schwerpunktprogramm SpinCaT, das jetzt in die zweite Förderungsphase geht. Die SpinCaT-Forschung in Bielefeld wird mit insgesamt 800.000 Euro gefördert. Angesiedelt ist sie am „Center for Spinelectronic Materials and Devices“ (CSMD, Zentrum für Spinelektronische Materialien und Geräte).

Dr. Timo Kuschel ist zuständig für eines der neuen Projekte im Schwerpunktprogramm „SpinCaT“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Foto: Universität Bielefeld
Dr. Timo Kuschel ist zuständig für eines der neuen Projekte im Schwerpunktprogramm „SpinCaT“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Foto: Universität Bielefeld

Elektronen besitzen einen Eigendrehimpuls, der sich Elektronenspin nennt. Dieser sorgt dafür, dass sich Elektronen wie kleine Magnete verhalten. Auch wenn sie ihre Position beibehalten, können sie ihren Elektronenspin an benachbarte Elektronen weitergeben.

Neuerdings kann der Transport dieser Elektronenspins gezielt mit Wärme ausgelöst werden. „Wärme fällt oft als Abfallprodukt an – zum Beispiel als Betriebsabwärme im Computer“, sagt Professor Dr. Günter Reiss. „Wir wollen Verfahren entwickeln, die Wärme nutzen, um Elektronenspins gezielt zu steuern“. Reiss leitet die Arbeitsgruppe „Dünne Schichten und Physik der Nanostrukturen“ im CSMD, die in vier von insgesamt rund 30 Projekten des Schwerpunktprogramms „SpinCaT“ forscht.

Moderne Elektronik basiert auf Elektronentransport, der durch elektrische Spannung erzeugt wird. Beim elektrischen Strom bewegen sich die Elektronen also durch einen elektrischen Leiter, etwa einen Kupferdraht. Die Bielefelder Physiker wollen aber den Elektronenspin verwenden und nicht den Transport der Elektronen selber, um neuartige Schaltungen zu bauen, die vielleicht sogar durch Wärme betrieben werden können. Der Transport von Elektronenspins geschieht, ohne dass die Elektronen sich selber bewegen.

Nur der Eigendrehimpuls wird von Elektron zu Elektron weitergegeben. Da also kein elektrischer Strom für so einen „Spinstrom“ nötig ist, können diese magnetischen Signale auch in Material erzeugt und weitergegeben werden, das keinen oder nur wenig elektrischen Strom leiten kann. „So entsteht ein reiner Spinstrom, bei dem Elektronenspins ohne elektrischen Strom übermittelt werden können“, sagt Reiss. Die Physiker nutzen dafür magnetische Isolatoren. Zu ihnen gehören zum Beispiel ultradünne Schichten, die aus Nickelferrit oder Eisengranat bestehen.

Dieses Prinzip kann verwendet werden, um beispielsweise Computerdaten zu übertragen. Computer nutzen die Werte „0“ und „1“ als Zahlensystem, um zu rechnen und Daten zu speichern. Der Eigendrehimpuls des Elektrons kann ebenfalls zwei bestimmte Richtungen haben. Um Computerdaten also per Elektronenspin zu übermitteln, wird eine Drehimpulsrichtung als „0“ festgelegt und die andere als „1“. Weil die Elektronen sich selber in isolierenden Materialien nicht fortbewegen, verbraucht die Übertragung von Daten auf diese Art weitaus weniger Energie als der herkömmliche Elektronentransport. „Computer, die mit solchen Spin-Schaltkreisen arbeiten würden, sparen also von vornherein Energie. Sie könnten zudem nicht benötigte Wärme nutzen, um den Spin-Transport zu steuern“, sagt Dr. Timo Kuschel. Der Physiker gehört zur Arbeitsgruppe von Günter Reiss und leitet mit dem Professor und seinen Bielefelder Kollegen Dr. Andy Thomas und Dr. Jan-Michael Schmalhorst Projekte im SpinCaT-Programm.

Die Wissenschaftler der Universität Bielefeld konzentrieren sich auf die Grundlagenforschung zur Erzeugung und Manipulation von Spinströmen mit Wärme. Dafür entwickeln sie extrem dünne Schichten, die sie als magnetische Isolatoren einsetzen. Diese Nanoschichten analysieren sie mit einem Synchrotron, einer besonderen Art von Teilchenbeschleuniger. Dafür besuchen sie Forschungseinrichtungen in Hamburg, Berlin, Grenoble (Frankreich) und Berkeley (USA). Für die Forschung in den SpinCaT-Projekten kooperieren sie zudem mit Arbeitsgruppen aus München, Regensburg, Braunschweig, Greifswald, Alabama (USA) und Sendai (Japan). Auf Einladung der Fakultät für Physik diskutierten Anfang Oktober rund 20 Physiker aus vier Ländern auf einer Tagung in der Universität Bielefeld über ihre Messungen und Analysen zu thermisch generierten Spinströmen.

Quelle/Text/Redaktion: www.uni-bielefeld.de

Weitere Informationen:
www.spincat.info

Schlaganfall sorgt noch Jahre später für steigende Kosten

Die Kosten zur Behandlung eines Schlaganfalls und seiner Folgen sind hoch, besonders im ersten Jahr. Dass sie je nach Krankheitsform aber zwischen dem fünften und zehnten Jahr nach dem Schlaganfall auch noch deutlich ansteigen, das zeigt eine neue Studie, in der zwei Wissenschaftler der Uniklinik Köln gemeinsam mit australischen Forschern die Langzeitkosten des Schlaganfalls untersucht haben.

Basis für bisherige Krankheitskostenstudien waren über maximal fünf Jahre erhobene Daten. Die australische Studie ist die erste, in die Daten eines Zehnjahreszeitraums einbezogen wurden. Die Ergebnisse wurden jetzt in der renommierten Fachzeitschrift Stroke veröffentlicht.

Frühere Studien zur Messung der gesellschaftlichen Kosten des Schlaganfalls, sogenannte Krankheitskostenstudien, beschränken sich auf Datenerhebungen über maximal fünf Jahre. Die Lebenszeitkosten wurden dann auf Basis dieser Daten geschätzt. Dabei war unklar, ob es nach dem fünften Jahr weitere Veränderungen gibt. Eine solche Veränderung der Kosten zwischen fünf und zehn Jahren konnte ein Forschungsteam aus Köln und Melbourne nun für intrazerebrale Blutungen – Hirnblutungen im Hirngewebe selbst – feststellen.

„Da die Kosten der Versorgung über das erste Jahr hinaus nicht sinken und für intrazerebrale Blutungen zwischen dem fünften und zehnten Jahr danach, sogar um 31 Prozent steigen, sollte die Prävention des Schlaganfalls und seiner Folgen in den Mittelpunkt gestellt werden“, so das Fazit von Tristan Gloede, Erstautor der Studie und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Medizinsoziologie, Versorgungsforschung und Rehabilitationswissenschaft (IMVR) der Uniklinik Köln. „Viel könnte erreicht werden, wenn man an den modifizierbaren Risikofaktoren, wie Bluthochdruck und Diabetes ansetzte“, ergänzt Professorin Dominique Cadilhac, Seniorautorin der Studie und Professorin am Stroke and Ageing Research Centre der Monash University in Melbourne, Australien.

Für die aktuelle Studie wurden 243 Patienten mit ischämischem Schlaganfall – einer plötzlichen Minderdurchblutung des Gehirns – sowie 43 Patienten mit intrazerebraler Blutung interviewt, die mehr als zehn Jahre überlebt hatten.

Zentrale Ergebnisse der Studie sind:

  • Die direkten Kosten des ischämischen Schlaganfalls verlaufen nach dem ersten Jahr  relativ konstant und betragen im zehnten Jahr durchschnittlich 5.207 US-Dollar (circa 4.527 Euro).
  • Die direkten Kosten der intrazerebralen Blutung steigen zwischen dem fünften und zehnten Jahr um 31 Prozent an und betragen im zehnten Jahr durchschnittlich 7.607 US-Dollar (circa 6.039 Euro).
  • Der Großteil der direkten Kosten im zehnten Jahr wird verursacht durch Medikamente und Pflegeaufwand. Rehabilitationskosten verringern sich deutlich im Zeitverlauf.
  • Insgesamt belaufen sich die Lebenszeitkosten des ischämischen Schlaganfalls auf 68.769 US-Dollar (circa 54.596 Euro) und die der intrazerebralen Blutung auf 54.956 US-Dollar (circa 43.630 Euro) pro Fall.

„Wir haben nicht erwartet, dass sich die Kosten zwischen dem ischämischen Schlaganfall und der intrazerebralen Blutung so stark unterscheiden würden. Ebenso stellen wir fest, dass es nicht ausreicht, nur im ersten Jahr Kostendaten zu erheben, um damit die Lebenszeitkosten zu schätzen“, sagt Gloede, der an der Durchführung der Studie mit Unterstützung des Forschungsförderungsprogramms Köln Fortune der Uniklinik Köln teilgenommen hat.

Bei der Übertragung der Ergebnisse auf das deutsche Gesundheitssystem sollte jedoch mit Vorsicht vorgegangen werden. Sarah Halbach, Ko-Autorin der Studie und ebenfalls wissenschaftliche Mitarbeiterin am IMVR erklärt: „In Australien gibt es ein staatliches Gesundheitssystem, das andere Leistungen für Schlaganfallpatienten vorsehen kann. Zudem können sich die Preise, beispielsweise für Medikamente, unterscheiden.“ Grundsätzlich ist aber auch in Deutschland von hohen Langzeitkosten auszugehen, die nicht bloß für die gesetzliche Krankenversicherung, sondern auch für die Pflege- und Rentenversicherung sowie für pflegende Angehörige anfallen. Auch hier ist somit die Prävention des Schlaganfalls und daraus folgender Komplikationen von entscheidender Bedeutung. „Wir hoffen, dass die Ergebnisse der Studie helfen, die Schlaganfallprävention voranzubringen, und dass mögliche Interventionen verstärkt auf ihre Kosteneffektivität hin untersucht werden“, so Gloede.

Originalarbeit:

Gloede, T. D., Halbach, S. M., Thrift, A. G., Dewey, H. M., Pfaff, H., Cadilhac, D. A. Long-Term Costs of Stroke Using 10-Year Longitudinal Data From the North East Melbourne Stroke Incidence Study. Stroke DOI: 10.1161/STROKEAHA.114.006200.

Quelle/Text/Redaktion: www.uk-koeln.de

Grundbaustein von Silikonen isoliert

Dipl.-Chem. Bernhard Baars in seinem Element. Foto: Barbara Frommann/Uni Bonn
Dipl.-Chem. Bernhard Baars in seinem Element. Foto: Barbara Frommann/Uni Bonn

Backformen, Implantate und mehr…

Backformen, Dichtungsmasse für Badfugen, Schläuche oder Implantate beim Arzt: Sie bestehen heutzutage oft aus Silikonen. Die industrielle Bedeutung dieser siliziumhaltigen Kunststoffe (Polymere), ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen. So wie alle Kunststoffe sind auch die Silikone aus kleinen Wiederholeinheiten aufgebaut, die Silanone genannt werden. Seit einem Jahrhundert haben Forscher ohne Erfolg versucht, diese äußerst reaktionsfreudigen Grundbausteine der Silikone in Substanz zu fassen. Wissenschaftlern im Institut für Anorganische Chemie der Universität Bonn um Prof. Dr. Alexander C. Filippou ist es nun erstmals gelungen, ein Silanon zu isolieren. Die renommierte Fachzeitschrift Angewandte Chemie hat die Arbeit der Bonner Forscher nun mit zwei Veröffentlichungen gewürdigt.

Die Isolierung eines Silanons gelang dem 28-jährigen Diplom-Chemiker Bernhard Baars bei Laborversuchen mit sehr reaktiven Stoffen, die Silizium-Dreifachbindungen enthalten. Bei den Silanonen handelt es sich um Verbindungen, die über eine stark polarisierte Silizium-Sauerstoff-Doppelbindung verfügen. Die hohe Reaktionsbereitschaft dieser Bindung machte die Isolierung der Silanone in der Vergangenheit so schwer.

Daher war es bislang Wissenschaftlern lediglich möglich, die Existenz von Silanonen unter extremen Bedingungen, so zum Beispiel bei sehr niedrigen Temperaturen nachzuweisen. „Jetzt ist es erstmals gelungen, ein Silanon tatsächlich in einer Flasche abzufüllen “, erklärt Chemiker Bernhard Baars, der sich schon in seiner Diplomarbeit an der Uni Bonn mit dem Thema beschäftigte.

Dipl.-Chem. Bernhard Baars. Foto: Barbara Frommann/Uni Bonn
Dipl.-Chem. Bernhard Baars. Foto: Barbara Frommann/Uni Bonn

Durchbruch mit Metallfragmenten

Der Durchbruch gelang den Bonner Forschern nach zweijähriger Arbeit mit Metallen. So konnten sie beim Silanonaufbau (R2Si=O) den einen organischen Rest R durch ein metallhaltiges Fragment ersetzen und so die gesamte Verbindung stabilisieren. „Das ist uns in ähnlicher Weise schon mit anderen reaktiven Verbindungen gelungen“, sagt Baars.

Die Gruppe um den Bonner Universitätsprofessor Filippou befasst sich nun mit der weiteren Erforschung dieser Verbindungen. Aus ihrer Sicht steckt in den Silanonen ein großes synthetisches Potenzial, zumal die darin vorkommenden Stoffe Silizium und Sauerstoff zu den beiden häufigsten Elementen der Erdkruste gehören. Nun wird auch ein direkter Vergleich mit den analogen Kohlenstoffverbindungen, den Ketonen möglich sein, welche für die Industrie ebenfalls von Bedeutung sind und beispielsweise als Riechstoffe in Kosmetika oder in Kunststoffen (Plexiglas) enthalten sind. „Zunächst einmal geht es zunächst darum, die Reaktivität der Silanone näher zu untersuchen“, so Baars. Möglicherweise ließen sich aufgrund der Erkenntnisse neue Materialien herstellen oder die Eigenschaften bestehender Stoffe könnten verbessert werden.

Publikation: A. C. Filippou, B. Baars, O. Chernov, Y. N. Lebedev, G. Schnakenburg, Angewandte Chemie 2014, 126, 576.
Highlight: S. S. Sen, Angewandte Chemie 2014, 126, 8964.

Quelle/Text/Redaktion: www.uni-bonn.de

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