Maya zerstückelten ihre Feinde

In der früheren Maya-Stadt Uxul (Mexiko) haben Altamerikanisten der Universität Bonn in einer künstlichen Höhle ein Massengrab entdeckt. Spuren an den Knochen deuten darauf hin, dass die Menschen vor rund 1.400 Jahren enthauptet und zerstückelt wurden. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass es sich bei den Opfern entweder um Kriegsgefangene oder aber um Adlige aus Uxul selbst handelt.

Aufsehen erregender Fund: Wissenschaftler der Universität Bonn entdeckten in einer künstlichen Höhle der früheren Maya-Stadt Uxul in Mexiko die Reste zerstückelter Körper. Auf dem Bild sind mehrere Schädel, Unterkiefer und Rippen zum Zeitpunkt der Ausgrabung zu sehen. (c) Foto: Nicolaus Seefeld/Uni Bonn
Aufsehen erregender Fund:
Wissenschaftler der Universität Bonn entdeckten in einer künstlichen Höhle der früheren Maya-Stadt Uxul in Mexiko die Reste zerstückelter Körper. Auf dem Bild sind mehrere Schädel, Unterkiefer und Rippen zum Zeitpunkt der Ausgrabung zu sehen. (c) Foto: Nicolaus Seefeld/Uni Bonn

Seit fünf Jahren graben Archäologen der Abteilung für Altamerikanistik der Universität Bonn mit Finanzierung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) in der früheren Maya-Stadt Uxul in Campeche (Mexiko), um das Entstehen und den Zerfall von Regionalstaaten im Maya-Tiefland zu erforschen. Den Wissenschaftlern unter Leitung von Prof. Dr. Nikolai Grube und Dr. Kai Delvendahl von der Uni Bonn sowie Dr. Antonio Benavides von der mexikanischen Altertumsbehörde gelang nun ein aufsehenerregender Fund: In einer rund 32 Quadratmeter großen künstlichen Höhle, die vormals als Wasserspeicher genutzt wurde, legten sie die Skelette von 24 Menschen frei.

„Abgesehen von der großen Anzahl der bestatteten Individuen fiel bereits während der Ausgrabung auf, dass sich die Skelette nicht mehr in ihrem ursprünglichen anatomischen Verbund befanden“, sagt der Archäologe Nicolaus Seefeld, der für seine Doktorarbeit das ausgeklügelte Wasserversorgungssystem von Uxul untersucht und das Massengrab entdeckte. Sämtliche Schädel lagen ohne eine Verbindung zum Rest der Körper im Höhleninnenraum verstreut, selbst der Großteil der Unterkiefer war von den Köpfen getrennt worden. Dagegen fiel bei der genaueren Untersuchung auf, dass die Glieder von Beinen und Händen teils vollständig erhalten waren. „Diese Beobachtung schloss die Möglichkeit aus, dass es sich bei diesem Massengrab um eine sogenannte Sekundärbestattung handelte, bei der die Knochen von Verstorbenen an einem neuen Ort niedergelegt werden“, sagt Nicolaus Seefeld.

Indizien für gewaltsamen Tod und Zerstückelung

Nach den Schlussfolgerungen der Wissenschaftler deutet das räumliche Muster der Knochen darauf hin, dass die Leichen der 24 Menschen enthauptet und zerstückelt wurden. Bei einem Großteil konnten Anzeichen für einen gewaltsamen Tod nachgewiesen werden. „So sind die beobachteten Beilspuren an den Nackenwirbeln ein deutlicher Hinweis auf Enthauptungen“, berichtet Seefeld. An einem weiteren Schädel zeigt der Stirnbereich einen unverheilten Schädelbruch, der vermutlich durch einen Keulenschlag verursacht wurde. Außerdem sind an zahlreichen Schädeln Schnittspuren von scharfen Gegenständen zu erkennen, die von Steinbeilen stammen könnten.

Aufgrund einer Lehmbedeckung sind die Knochen so gut erhalten geblieben, dass bei 15 der insgesamt 24 Individuen Alter und Geschlecht bestimmt werden konnten. Es handelte sich um dreizehn Männer und zwei Frauen, die zum Zeitpunkt ihres Todes zwischen 18 und 42 Jahre alt waren. Analysen von Zähnen und Knochen ergaben, dass einige der Verstorbenen zu Lebzeiten an Unterernährung litten und infolge von Karies einige Zähne verloren hatten.

Zeichen herausragender sozialer Stellung: Wissenschaftler der Universität Bonn entdeckten an einigen Schädeln aus dem Massengrab in der früheren Maya-Stadt Uxul (Mexiko) Einlagen aus Jade an den Schneidezähnen. Sie waren ein beliebter Körperschmuck bei den vorspanischen Maya, der aufgrund der Seltenheit des Rohstoffs sozial hochgestellten Personen vorbehalten war. Mit Steinwerkzeugen wurden kleine Aushöhlungen in den Zahn gebohrt und mit einem Stück Jade passgenau ausgefüllt. (c) Foto: Nicolaus Seefeld/Uni Bonn
Zeichen herausragender sozialer Stellung:
Wissenschaftler der Universität Bonn entdeckten an einigen Schädeln aus dem Massengrab in der früheren Maya-Stadt Uxul (Mexiko) Einlagen aus Jade an den Schneidezähnen. Sie waren ein beliebter Körperschmuck bei den vorspanischen Maya, der aufgrund der Seltenheit des Rohstoffs sozial hochgestellten Personen vorbehalten war. Mit Steinwerkzeugen wurden kleine Aushöhlungen in den Zahn gebohrt und mit einem Stück Jade passgenau ausgefüllt. (c) Foto: Nicolaus Seefeld/Uni Bonn

Einige der Toten verfügten über Zahneinlagen aus Jade. Die Wissenschaftler werten das als Zeichen für einen hohen sozialen Status. Die Archäologen der Universität Bonn wissen jedoch noch nicht, ob es sich um Kriegsgefangene aus einer anderen Maya-Stadt handelte, die in Uxul geopfert wurden, oder aber um Adlige aus Uxul selbst. Erst mit Hilfe der Isotopenanalyse wird sich klären lassen, ob die Toten Angehörige der lokalen Bevölkerung waren oder ob sie in einer anderen Region des Tieflands aufwuchsen. „Die Entdeckung des Massengrabs beweist jedoch, dass die in der Maya-Kunst häufig dargestellte Zerstückelung von Kriegsgefangenen und Gegnern tatsächlich praktiziert wurde“, sagt Prof. Dr. Nikolai Grube.

Säurebelastung kann zu höherem Blutdruck führen

Bluthochdruck ist in westlichen Industrienationen ein weit verbreitetes Gesundheitsproblem, er hat seine Wurzeln zum Teil in der Kindheit. Forscher der DONALD-Studie an der Universität Bonn konnten in einer aktuellen Untersuchung zeigen, dass der Säure-Basen-Haushalt möglicherweise von Bedeutung für die langfristige Blutdruckentwicklung im Kindesalter ist. Die Ergebnisse werden nun in der angesehenen Fachzeitschrift „Kidney International“ vorgestellt.

Viel Salz und wenig Obst und Gemüse in der Ernährung können auch bei Kindern zu einer Erhöhung des Blutdrucks beitragen. Aktuelle Studien bei Erwachsenen legen nahe, dass eine leichte Verschiebung des Säure-Basen-Stoffwechsels in Richtung einer höheren Säurebelastung (Azidifizierung) ebenfalls zu einem Blutdruckanstieg führen kann. Eine solche moderate, noch nicht klinische bedeutsame Azidifizierung entsteht zum Beispiel bei leichten fieberhaften Infekten, nach übermäßiger sportlicher Aktivität und bei ungünstiger Ernährung. Die ernährungsabhängige Säurelast ist besonders hoch, wenn sehr eiweißreich gegessen wird – also viel Fleisch, Wurst und Hartkäse verzehrt werden. Aber auch Brot und Getreideprodukte tragen zu einer erhöhten nutritiven Säurelast bei, wohingegen reichlich Obst, Gemüse und Kartoffeln durch ihren hohen Gehalt vor allem an den Mineralstoffen Kalium und Magnesium alkalisierend wirken.

Die Wissenschaftler des Dortmunder Außenlabors „DONALD Studie“ der Universität Bonn haben nun durch umfangreiche wiederholte Biomarker-Untersuchungen an einer Gruppe von 257 Kindern zeigen können, dass nicht nur die durchschnittliche Säurelast in einem Zusammenhang mit dem Blutdruck steht, sondern dass auch bei denjenigen Kindern, bei denen sich die ernährungsabhängige Säurebelastung im Studienverlauf deutlich erhöhte, im Mittel ein Blutdruckanstieg erfolgte. „Das Besondere an diesen Ergebnissen ist, dass wir diesen Einfluss bei gesunden Kindern völlig unabhängig von deren Salzzufuhr sehen“, sagt der Studienleiter Prof. Dr. Thomas Remer.

„Unsere Daten legen nahe, dass bei einer eher ungünstigen Ernährung durch das alkalisierende Potenzial von ca. 300 Gramm zusätzlich verzehrtem Gemüse und Obst – zum Beispiel ein Apfel und eine Banane -, ein Blutdruckanstieg im Studienverlauf von fast 1 mmHg verhindert werden könnte. Eine nahezu vergleichbare Blutdrucksenkung wurde in Interventionsstudien bei Kindern mit einer um 40 Prozent reduzierten Salzzufuhr beobachtet“, berichtet Erstautorin Danika Krupp aus der Arbeitsgruppe von Prof. Remer.

Eine Verminderung der Säurelast mit der Ernährung könnte somit für die langfristige Entwicklung des Blutdrucks bei Kindern von Bedeutung sein. Daneben hat ein hoher Obst- und Gemüseverzehr – also eine alkalireiche Kost – auch positive Effekte auf den Knochenstoffwechsel und die Vermeidung von Harnsteinen. Im Rahmen einer ausgewogenen Ernährung ist es somit wichtig, das azidifizierende Potenzial von eiweißreichen Lebensmitteln durch einen hohen Verzehr von alkalisierenden pflanzlichen Lebensmitteln auszugleichen – eben durch reichlich Obst, Gemüse und Kartoffeln.

Publikation: Longitudinal relationships between diet-dependent renal acid load and blood pressure development in healthy children, Kidney International, DOI: 10.1038/ki.2013.331

Mutige Frauen, die Neuland begingen

Dass Frauen an Hochschulen lernen, lehren und forschen, ist heute selbstverständlich. Das war nicht immer so. Dr. Doris Gutsmiedl-Schümann, Archäologin an der Universität Bonn, ist Mitherausgeberin einer neuen Biographiesammlung über „Archäologinnen, Forscherinnen, Pionierinnen“ im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert. Das Buch erzählt Geschichten von Frauen, die sich im männerdominierten Wissenschaftsbetrieb nicht unterkriegen ließen.

Dass Frauen „nicht in den Hörsaal gehören“, weil „ihr Gehirn für abstrakte Wissenschaft nicht geeignet“ sei – solche Überzeugungen sind heute selbst ein Gegenstand der Altertumskunde. Als die Archäologie als Wissenschaft entstand, war das noch ganz anders. Mit welchen Widerständen Frauen zu kämpfen hatten, die sich im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert dieser Disziplin widmen wollten, zeigt jetzt eine neue Biographiensammlung. Mitherausgeberin ist Dr. Doris Gutsmiedl-Schümann vom Institut für Archäologie und Kulturanthropologie der Universität Bonn. Das Buch „Ausgräberinnen, Forscherinnen, Pionierinnen“ erzählt 19 faszinierende Lebensgeschichten von Frauen, die nicht nur für ihr Fach Neuland erschlossen, sondern auch für ihre nachfolgenden Geschlechtsgenossinnen.

Die Archäologin Elvira Fölzer: Bonns erste Frau mit Doktorhut

Elvira Fölzer in Trier (1909). Foto: Rheinisches Landesmuseum Trier/Foto A 335
Elvira Fölzer
in Trier (1909). Foto: Rheinisches Landesmuseum Trier/Foto A 335

Mit gleich zwei Archäologie-Pionierinnen war die Universität Bonn zur Kaiserzeit eine Art Leuchtturm wissenschaftlicher Frauenpower. Das lag am dortigen Professor Georg Loeschcke – laut Dr. Gutsmiedl-Schümann „dem einzigen Archäologen in ganz Deutschland, der Frauen regulär zur Promotion zuließ“.

Unter seinen Schülerinnen war mit Elvira Fölzer (geboren 1868, verstorben wahrscheinlich 1928) sogar die erste Bonner Doktorandin überhaupt. Noch als 31-Jährige machte sie das Abitur, promovierte 1906 und wurde später Expertin für römische Keramik. „Sie hat einen langen Weg zurückgelegt, bevor sie das Studium überhaupt beginnen konnte“, berichtet Dr. Gutsmiedl-Schümann. „Ich fand sehr beeindruckend, wie sie sich ihr Studium »erkämpft« hat – trotz ihres vergleichsweise fortgeschrittenen Alters.“

Margarete Bieber als Studentin in Bonn (1906). Foto: privat/Repro M. Recke
Margarete Bieber
als Studentin in Bonn (1906). Foto: privat/Repro M. Recke

In Bonn fand Fölzer dabei auch eine Gleichgesinnte: die elf Jahre jüngere Margarete Bieber (1879-1978), die sich auf Skulpturenkunde und Fragen des antiken Theaters spezialisierte. Ihr gelang nach ihrer Bonner Promotion von 1907 noch eine weitere damals für Frauen außergewöhnliche Leistung: Sie habilitierte in Gießen und war dort ab 1923 „außerplanmäßige außerordentliche Professorin“ – die zweite Frau in Deutschland mit Professorentitel. 1932 war ihr eine Stelle als ordentliche Professorin fest zugesagt.

Dann kamen die Nazis an die Macht, und von der Stelle für die gebürtige Jüdin Bieber war plötzlich keine Rede mehr. „Bieber hatte den Mut, mit 54 Jahren noch einmal ganz von vorn anzufangen“, erzählt Dr. Gutsmiedl-Schümann: Die Archäologin emigrierte erst nach Oxford, dann nach New York, wo sie an der renommierten Columbia University unterrichtete und 1940 die amerikanische Staatsbürgerschaft annahm.

Die Suche nach Spuren der frühen Archäologinnen geriet für Dr. Doris Gutsmiedl-Schümann und ihre zwölf Mitautorinnen und -autoren oft selbst zu einer Art Archäologie. Etwa über die Lebensgeschichte von Hildegard Knack (1902-1945): „Es war nichts bekannt – außer, dass sie 1928 in Jena promoviert hatte.“ Dr. Gutsmiedl-Schümann fand heraus, dass Knack mit ihrem Ehemann nach Bremen ging, der Wissenschaft den Rücken kehrte und Lehrerin wurde. Leider kein Einzelfall: „Auch heute verlassen viele Frauen das Fach wieder.“

Archäologie heute: Viele Studentinnen

Dennoch habe sich für Frauen in der Wissenschaft „vieles verbessert“, sagt die Bonner Forscherin. Speziell die Archäologie ist zum ausgesprochen „weiblichen“ Fach geworden: Mehr als die Hälfte der Studienanfänger sind Frauen. Für Dr. Doris Gutsmiedl-Schümann ist ein Ziel des Buches deshalb auch, Klischees über ihr Fach abzubauen. Sie erinnert sich schmunzelnd an ein Seminar, das sie an einer anderen Universität gab. „Da waren die Studenten sehr verblüfft, dass Archäologie von einer noch relativ jungen Frau unterrichtet wird. Erwartet hatten sie einen strengen alten Mann mit langem Bart.“

Publikation: Fries, Jana Esther / Gutsmiedl-Schümann, Doris (Hgg.): Ausgräberinnen, Forscherinnen, Pionierinnen. Porträts früher Archäologinnen im Kontext ihrer Zeit. Waxmann, 288 S., 24,90 Euro (gedruckt) / 21,99 Euro (E-Book)

Hemmstoff gegen chronische Nierenerkrankungen

Wissenschaftler des Bonner Universitätsklinikums haben einen neuen Ansatz zur Behandlung chronischer Nierenerkrankungen gefunden: Die Immunzellen, die eine Nierenentzündung aufrechterhalten, benötigen das Molekül Fraktalkinrezeptor. Dieses Molekül stellt einen möglichen Therapieangriffspunkt da, durch den das Voranschreiten von Nierenerkrankungen aufgehalten werden kann. Die Ergebnisse werden nun im „Journal of Clinical Investigation” online vorab vorgestellt. Die Druckausgabe erscheint im Oktober.

Chronische Nierenerkrankungen betreffen in Deutschland bis zu vier Millionen Menschen – die Tendenz steigt. Die Folgen solcher Krankheiten können bis zu einem endgültigen Verlust der Nierenfunktion reichen, die mit regelmäßiger Blutwäsche behandelt werden muss. Die Dialyse ist nicht nur extrem teuer, sondern vor allem auch mit hohen Einschränkungen der Lebensqualität und Lebenserwartung verbunden. Einziger Ausweg ist eine Nierentransplantation.

Ein Nierenkörperchen in Glomerulonephritis mit darum herum angeordneten dendritischen Zellen (grün). (c) Foto: Katharina Hochheiser/UKB
Ein Nierenkörperchen
in Glomerulonephritis mit darum herum angeordneten dendritischen Zellen (grün). (c) Foto: Katharina Hochheiser/UKB

Die Ursachen chronischer Nierenerkrankungen sind häufig fehlgeleitete Immunantworten gegen die Nierenkörperchen sowie Diabetes mellitus und Bluthochdruck. „Aber auch bei diesen nicht primär durch immunologische Vorgänge verursachten Krankheiten spielt das Immunsystem eine wichtige Rolle, indem es chronische Entzündung und die Zerstörung von Nierengewebe und dessen Ersatz durch Narbengewebe fördert“, sagt Prof. Dr. Christian Kurts von den Instituten für Molekulare Medizin und Experimentelle Immunologie (IMMEI) des Bonner Universitätsklinikums.

Die Niere produziert sehr viel Fraktalkin

Dendritische Zellen sind die Wächter und Hauptregulatoren der Immunantwort. Vor wenigen Jahren entdeckte Prof. Kurts mit seiner Mitarbeiterin Katharina Hochheiser, dass dendritische Zellen eine wichtige Rolle beim Fortschreiten von Nierenerkrankungen spielen. Nun gelang beiden eine fundamentale Entdeckung: Dendritische Zellen benötigen das Molekül Fraktalkinrezeptor (CX3CR1), um die Niere zu besiedeln. In anderen Organen spielt dieser Rezeptor dagegen keine führende Rolle. „Wenn dieses Molekül in Versuchsmäusen fehlt, befinden sich 75 Prozent weniger dendritische Zellen in deren Nieren, während andere Organe größtenteils unbeeinflusst bleiben“, berichtet Katharina Hochheiser.

Dieser klare Zusammenhang in der Niere war zunächst erstaunlich, weil dendritische Zellen auch in anderen Organen den Fraktalkinrezeptor besitzen. Die Niere produziert jedoch sehr viel des Moleküls Fraktalkin, das an den Rezeptor bindet. „Dieses Zusammenspiel fördert die Besiedlung der Nieren durch dendritische Zellen und könnte die erstaunlich hohe Zahl dieser Zellen in diesem Organ erklären“, sagt Prof. Kurts.

Versuchsmäuse, denen der Fraktalkinrezeptor fehlt, sind weitgehend vor einer fehlgeleiteten Immunantwort gegen die Nierenkörperchen geschützt, wie die Bonner Forscher in Kooperation mit einer französischen Arbeitsgruppe am Institut national de la santé et de la recherche médicale (Inserm) in Paris und am Universitätsklinikum Eppendorf in Hamburg zeigen konnten. „Somit bieten sich Hemmstoffe dieses Rezeptors zur Therapie an, da auf diese Weise die Zahl der dendritischen Zellen in der Niere verringert werden könnte“, sagt Doktorandin Hochheiser. Dies könnte nicht nur nützlich sein, wenn das fehlgeleitete Immunsystem die Nierenkörperchen angreift, sondern auch bei anderen Erkrankungen der Niere. „Auffallend ist, wie spezifisch dieser Effekt ist: Dendritische Zellen in anderen Organen benötigen den Fraktalkinrezeptor nicht, so dass durch einen Hemmstoff deren Funktionen nicht eingeschränkt werden sollten“, sagt Prof. Kurts.

Interessante Ansätze für Therapien

Immunsuppressive Therapien erhöhen meist das Risiko für Infektionen. Die häufigste Infektion der Niere ist die Nierenbeckenentzündung, die durch Bakterien ausgelöst wird. Früh genug erkannt kann diese Erkrankung mit Antibiotika gut behandelt werden. Dennoch kommt es zu Narben in der Niere und zu häufigen Rückfällen. Dendritische Zellen spielen eine wichtige Wächterfunktion bei dieser Infektion, wie André Tittel, ein weiterer Mitarbeiter aus dem Institut für Experimentelle Immunologie, vor zwei Jahren zeigen konnte. Auf der Basis dieser Beobachtung stellte sich nun die Frage, ob eine Hemmung des Fraktalkinrezeptors das Risiko für Niereninfekte erhöht. Die Wissenschaftler beobachteten aber, dass solche Niereninfekte auch bei fehlendem Fraktalkinrezeptor fast unverändert schnell vom Immunsystem bekämpft werden.

Dies liegt an einem anatomischen Detail: Die dendritischen Zellen benötigen den Fraktalkinrezeptor vorwiegend in der Nierenrinde, wo sich die Entzündung der Nierenkörperchen abspielt, und nicht im Nierenbecken, wo die Infektion stattfindet. „Die geringe Infektneigung ist ein weiterer Grund, aus dem der Fraktalkinrezeptor interessant für die Therapie erscheint“, sagt Prof. Kurts. Es gebe aus epidemiologischen Studien Hinweise, dass diese im Tiermodell beobachteten Mechanismen im Menschen ähnlich ablaufen. Es sind nun klinische Studien erforderlich um zu belegen, dass diese experimentellen Befunde auch für den Menschen gültig sind.

Publikationen:

Exclusive CX3CR1 dependence of kidney DCs impacts glomerulonephritis progression, Journal of Clinical Investigation, DOI: 10.1172/JCI70143

Eine aktuelle Übersicht aus dieser Arbeitsgruppe über immunvermittelte Nierenerkrankungen in: The immune system and kidney disease: basic concepts and clinical implications, Nature Reviews Immunology, DOI: 10.1038/nri3523.

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