Kategorie-Archiv: Landwirtschaft

Wo ist intensive nachhaltige Landwirtschaft möglich?

In der Nähe von Stadt und Fluss

(aid) – Um die wachsende Weltbevölkerung in Zukunft ernähren zu können, wird nach Konzepten gesucht, wie die Landwirtschaft nachhaltig intensiviert werden kann. In Europa sind dafür geeignete Böden in Stadtnähe, in Flusstälern und Flussdeltas zu finden. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung der Universität Innsbruck und der Universität für Bodenkultur Wien. Im Rahmen des von der RISE (The Rural Investment Support for Europe) Foundation geförderten Projekts wurden Daten der Europäischen Bodendatenbank ausgewertet. Folgende Land- und Bodenparameter wurden berücksichtigt: der Kohlenstoffgehalt, der Anteil an Feinpartikeln, der pH-Wert, die Kationenaustauschkapazität, Bodenmächtigkeit und Hangneigung. Die Kationenaustauschkapazität ist ein Indikator für Basensättigung und Nährstoffzustand.

Produktives, fruchtbares Land ist nicht in jedem Fall für eine Intensivierung der Landwirtschaft geeignet, erklären die Wissenschaftler. Die Flächen müssen ertragreich und zugleich widerstandsfähig sein gegen schädliche Umweltwirkungen. Sonst kann intensive Landwirtschaft zur Verschmutzung des Grundwassers und zu einem Verlust der Artenvielfalt führen.

Eine landwirtschaftliche Fläche von insgesamt 671.672 km2 wurde im Hinblick auf ihr Intensivierungspotenzial bewertet und in Klassen eingeteilt. Vier Prozent der Flächen sollten demnach besser weniger stark bewirtschaftet werden (Klasse 1) und 43 Prozent eignen sich nicht für eine nachhaltige Intensivierung (Klasse 2). Bei 12 Prozent ist nach speziellen Maßnahmen eine Intensivierung möglich (Klasse 3). Nur 41 Prozent eignen sich direkt für eine nachhaltige Intensivierung (Klasse 4).
Heike Kreutz, www.aid.de

Weitere Informationen:
www.sciencedirect.com/science/article/pii/S2095633915000040

Erfolgreiche Milchwirtschaft

Dem Grünland mehr Aufmerksamkeit schenken

(aid) – Der deutsche Grünlandtag Ende Mai 2015 in Torgelow, Mecklenburg-Vorpommern, stand unter dem Motto „Mehr Milch aus Grünland“. Das Ende der Milchquote hat einen neuen Wettbewerb in die Milchproduktion gebracht und der Nutzung von Getreide oder Mais stehen bei der Verwendung im Trog steigende Opportunitätskosten gegenüber. Das Grünland versorge die Milchkuh mit ausreichend Protein und Mineralstoffen und dürfe in der Eiweißstrategie Europas nicht vernachlässigt werden, so Dr. Bernd Losand vom Institut für Tierproduktion in Dummerstorf. „Nicht genutztes Grünland ist vergeudetes Futter.“

Das Thema Grünland umfasse mehr als die verbesserte Artenzusammensetzung, erläuterte Dr. Heidi Jänicke, ebenfalls aus Dummerstorf. Wichtiger jedoch sei die Arbeit an der Erhaltung der Artenvielfalt und Verfügbarkeit von Technik und Arbeit. Die vorgezogene Betrachtung auf den Grünlandertrag in Form von Umsetzbare Energie (ME) oder Netto-Energielaktation (NEL) vernachlässige, dass diese Parameter Resultate aus der Grünlandbewirtschaftung sind. Der richtige Schnittzeitpunkt, der richtige Zeitpunkt für Düngung, Walzen bei Wuchshöhen unter zehn Zentimeter und eine vollständige Flächenbearbeitung seien in der Praxis keine Selbstverständlichkeit. Zielwerte wie beispielsweise 100 Gramm Rohasche je kg TM (Trockenmasse) seien nur einzuhalten, wenn richtig gewalzt und geschleppt werde.

Eine dichte Grasnarbe vermindert Futterverschmutzung. Auch das Grünland muss vollständig nach seinen Bedürfnissen gedüngt werden. So setzt die N-Düngung eine ausreichende Kaliumversorgung voraus, erläuterte Jänicke. Eine Verzögerung beim Schnitt von zwei bis drei Wochen senkt die Nährwerte im Futter.

Reifeprognosen der Landwirtschaftskammern, das Beobachten der Bestände durch den Landwirt und das Setzen von Zielen für den Aufwuchs sind Reserven der Grünlandnutzung. Wichtige Grünlandstandorte sind Niedermoorstandorte. Die Regulierung von deren Wasserständen wird zum Thema, wenn wegen hohen Wasserstandes zum günstigsten Schnittzeitpunkt, das Feld nicht befahren werden kann.

Dr. Christine Kalzendorf von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen wies darauf hin, dass Landwirte beim Silieren von Grobfutter noch nicht am Optimum seien. Nur zehn Prozent der eingereichten Futteruntersuchungen sind Silageproben. Hohe Milchleistungen resultieren aber nur aus einwandfreier Silage ohne Buttersäure und mikrobieller Belastung. Aerob instabile Silos entstehen oft, weil einseitig Wert auf eine hohe Schlagkraft auf dem Feld gelegt wird, während das Walzen im Silo vernachlässigt wird.

Für die Praxis gibt es zahlreiche Silierhilfsmittel, die je nach Betrieb gezielt eingesetzt werden können. Einige hemmen die Clostridienbildung, andere erhöhen die Verdaulichkeit des Futters oder die Haltbarkeit der Silage. In Deutschland gibt es ein Verwendungsgefälle von Siliermitteln von Nordosten nach Süden. Genaue Futteranalysen und eine bundesweite Anwendung der DLG-geprüften Mittel könne die Silagequalität der Betriebe verbessern.
Roland Krieg, www.aid.de

Weitere Informationen:
aid-Heft „Qualitäts-Grassilage – vom Feld bis in den Trog“
Bestell-Nr. 1563, Preis: 4,50 Euro
www.aid.de/shop/shop_detail.php?bestellnr=1563

Ställe für horntragende Kühe teurer

Tierwohl kostet Geld

(aid) – Bei einem Stallneubau für horntragende Kühe müssen Biolandwirte mit etwa 10 bis 20 Prozent höheren Kosten rechnen im Vergleich zu Ställen, die den Vorgaben für unbehornte Herden im Ökolandbau entsprechen. Das ist das Ergebnis einer Studie des Kuratoriums für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft (KTBL), die vom Bundesprogramm Ökolandbau und andere Formen nachhaltiger Landwirtschaft (BÖLN) gefördert wurde.

Die höheren Kosten entstehen nach Angaben der KTBL-Experten vor allem durch die besonderen Anforderungen, die ein Stall für horntragende Tiere erfüllen muss. Diese Anforderungen wurden im Vorlauf der Studie von einer unabhängigen Expertenkommission festgelegt. Dazu gehören z. B. breiter angelegte Lauf- und Fressgänge und ein um 55 Prozent größerer Wartebereich. Darüber hinaus sollte bei Ställen für behornte Tiere ein großzügiges Tier-/Fressplatz-Verhältnis geschaffen werden, bei dem etwa zehn Prozent dieser Bereiche als Reserve einzuplanen sind. Der zusätzliche Raum ist notwendig, damit rangniedere Tiere ausweichen können und das Risiko für Verletzungen bei Auseinandersetzungen sinkt.

Für die Stallplanung ergibt sich daraus nach den Kalkulationen der Fachleute ein zusätzlicher Flächenbedarf von 30 bis 40 Prozent gegenüber Öko-Ställen für hornlose Tiere, je nach Stallmodell und Haltungssystem. Die Experten berechneten die mit den höheren Anforderungen verbundenen Mehrkosten für sechs Stalltypen mit Bestandsgrößen von 42 bis 193 Tieren. Sie betonen, dass die ermittelten Kosten keine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung für die einzelnen Stallsysteme erlauben, da der jeweilige Arbeitszeitbedarf nicht berücksichtigt wurde.

Zudem weisen sie darauf hin, dass ein größeres Flächenangebot allein nicht ausreicht für eine artgerechte Haltung horntragender Kühe. Genauso entscheidend, vielleicht sogar wichtiger, seien das Management und vor allem das Handling der Tierhalter. Hintergrund der Studie sind die zunehmenden Anforderungen an das Tierwohl. In der Milchviehhaltung wird vor allem das gängige Verfahren zur Enthornung von Kälbern kritisch gesehen. Angepasste Stallsysteme gelten als Alternative, die einen Verzicht auf das Enthornen ermöglichen. Mittelfristig soll die Züchtung auf Hornlosigkeit das Problem lösen.
Jürgen Beckhoff, www.aid.de

Weitere Informationen:

Die vollständige Studie ist hier abrufbar:
http://orgprints.org/28156/1/28156-11OE052-ktbl-kloeble-2014-investitionsbedarf-milchviehstaelle.pdf

aid-Videoclips zum Tierwohl
https://www.youtube.com/user/aidInfodienst

Reden wir über Tierhalter

Agrarpolitik ist Gesellschaftspolitik

(aid) – Wenn eine der größten deutschen Schlachtfirmen auf der ANUGA 2015 im Herbst ihre erste vegetarische Wurst vorstellen will, „dann braut sich was zusammen“, meinte Sönke Reimers, Geschäftsführer der dvf Mediengruppe zur Eröffnung des 2. Zukunftsdialogs Agrar & Ernährung in Berlin. Auf Einladung der ZEIT und der „agrarzeitung“ diskutierten Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Nicht-Regierungsorganisationen über die Zukunft der Landwirtschaft und die gesellschaftlichen Anforderungen an die Branche.

Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt stellte dann auch fest: „Agrarpolitik ist Gesellschaftspolitik“ und: „Wir haben mehr Fragen an die Gesellschaft als an die Branche.“ Vielleicht werde derzeit deshalb mit so viel missionarischem Eifer diskutiert. Das übertünche manche Errungenschaften, führte Jürgen Oldeweme von BASF Crop Science aus. Die Branche habe den „Vorsprung durch Technik“ in der Landwirtschaft den Konsumenten nicht mitgeteilt: Landwirte steuern ihre Maschinen bis auf zwei Zentimeter genau über die Felder. Sie düngen und bringen Pflanzenschutzmittel präzise in kleinsten Mengen aus, was vor zwei Jahrzehnten noch undenkbar war. Aber die Kritik wächst.

Reinhild Benning vom BUND kritisierte zum Beispiel die Verfehlungen beim Artenschutz, bei den Bemühungen um die Verringerung der Nährstoffeinträge oder der Herstellung von Ernährungssicherheit in den Entwicklungsländern. Wenn Nährstoffreste von Futtermitteln aus Südamerika auf deutsche Felder ausgebracht werden, ist für Benning der globale Nährstoffkreislauf entgleist.

Carl-Albrecht Bartmer; Präsident der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) hielt dagegen, dass im ersten Nachhaltigkeitsbericht für die Landwirtschaft die Herausforderungen beschrieben seien. Und er verweist auf den Gunststandort Westeuropa, der vom Klimawandel am wenigsten beeinflusst wird, ohne den Anspruch zu erheben, dass Deutschland die Welt ernähren müsse.

Jenseits dieser Auseinandersetzungen ermahnte der hessische Schweinehalter Dr. Jörg Bauer alle Beteiligten, die Betroffenen nicht zu vergessen. Hatten die Landwirte früher Ängste vor allem wegen des Wetters oder der Preise, stehen heute die gesellschaftliche Bloßstellung und die Furcht vor sozialer Isolation an erster Stelle. Natürlich müssten sich die Landwirte auch den ethischen Fragen stellen, erläuterte Bauer, der als Lehrer und Berater für ökologische und konventionelle Landwirte arbeitet. Das dürfe aber nicht dazu führen, dass Jungbauern sich für das Ausbringen von Gülle schämen sollten oder Kinder von Landwirtsfamilien von Klassenkameraden wegen der Erweiterung des Stalles auf dem elterlichen Betrieb gemobbt werden. Es werde viel über die Tierhaltung, aber zu wenig über die Tierhalter geredet.
Roland Krieg, www.aid.de

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