Am 4. November jährte sich zum dritten Mal der Tag, an dem die Morde des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) öffentlich bekannt wurden. Bis 2011 wurde durch falsche Ermittlungen jahrelang vermutet, die grausamen Morde hingen mit geschäftlichen oder familiären Streitigkeiten unter Migranten zusammen. So wurden die Opferfamilien selbst verdächtigt.
Und auch nach der Aufdeckung des NSU blieben ihre Situation und ihre Sicht weitgehend im Hintergrund. Dabei waren sie es, die in den vergangenen drei Jahren seelische Schwerstarbeit leisten mussten im Umgang mit dem Gerichtsprozess gegen die Mittäter und Helfer der Mordserie und der Erkenntnis der rassistischen Tatmotive.
In dem Buch Unsere Wunden kann die Zeit nicht heilen, das gemeinsam vom Verlag Herder und der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb verlegt wird, kommen alle Hinterbliebenen erstmals selbst zu Wort. Barbara John, Ombudsfrau für die Angehörigen der NSU-Opfer, gibt ihnen eine Stimme. Sie schildern, was die Mordserie und deren öffentliche Wahrnehmung für sie bedeutet und wie sie ihr Leben verändert hat. Gamze Kubasik, Tochter von Mehmet Kubasik, betont: „Seit ich 22 Jahre alt bin, habe ich nur an meinen Vater und die Umstände seines Todes gedacht. … Jetzt fange ich langsam an, nicht mehr nur Tochter zu sein. Ich fühle eine Last von meinen Schultern fallen und spüre: Ich habe eine Zukunft. Ich will wieder normal leben. Ich will nicht ewig Opfer sein.“
Eindrucksvoll berichten die Angehörigen, wie die Taten und die Nicht-Aufklärung durch die Sicherheitsbehörden ihr Bild von Deutschland verändert haben und wie sie aus der Extremsituation wieder in die Normalität zurückfinden wollen. „Es ist wahrlich nicht leicht, über derartige Erlebnisse und die tiefe Verunsicherung zu sprechen, die der Verlust eines nahen Menschen durch grausame Gewalt hinterlässt. Ich erinnere mich sehr gut an die Begegnung mit NSU-Opfern und Angehörigen im Bundeskanzleramt. Die Gespräche mit ihnen haben mich tief bewegt. Umso dankbarer bin ich, dass dieses Buch ihre Erfahrungen nun einer breiten Leserschaft zugänglich macht“, schreibt Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrem Vorwort.
Dieses Buch eröffnet einen authentischen Einblick in die Geschichte der Opfer. Es ist ein wesentlicher Beitrag zur Bearbeitung eines deutschen Traumas.
John, Barbara (Hrsg.)
Unsere Wunden kann die Zeit nicht heilen
Aufl./Jahr: 1. Aufl. 2014
Verlag Herder
Format: 12,0 x 19,0 cm, ca. 160 Seiten, Kartoniert
€[D] 12,99/ sFr 19.50
ISBN 978-3-451-06727-3