MERS-Virus weiter verbreitet als angenommen

Das 2012 entdeckte MERS-Virus scheint weiter verbreitet zu sein als nach offiziellen Fallmeldungen angenommen. Das belegt eine internationale Studie unter Federführung der Universität Bonn und des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF). Demnach verläuft vermutlich der größte Teil der Infektionen ohne schwere Krankheitssymptome. Ursprünglich ging man dagegen von einer Sterblichkeitsrate von bis zu 30 Prozent aus. Die Studie ist jetzt in der Zeitschrift Lancet Infectious Deseases erschienen.

Das MERS-Virus wurde erstmals 2012 in Patienten mit einer schweren Atemwegsinfektion identifiziert. Seitdem wurden mehr als 1.000 schwere Erkrankungsfälle nachgewiesen; rund 300 davon endeten tödlich. Alle Betroffenen hatten einen Bezug zum Mittleren Osten. Das Kürzel MERS steht für „Middle East Respiratory Syndrom“.

Dass die MERS-Erkrankung so schwer verläuft, scheint aber eher die Ausnahme zu sein. In diese Richtung deutet zumindest die neue Lancet-Studie. Die Forscher haben darin mehr als 10.000 Blutproben aus Saudi-Arabien ausgewertet. Die getesteten Personen hatten in den letzten Jahren keine gravierende Infektion durchgemacht. Dennoch enthielten 15 Proben Antikörper gegen das MERS-Virus.

Die Probanden stammen aus unterschiedlichen Regionen des riesigen Landes. Ihre Altersverteilung stimmt zudem mit der in der Gesamtbevölkerung überein. Das macht die Ergebnisse besonders aussagekräftig. „In den letzten zehn Jahren haben sich in Saudi Arabien wahrscheinlich mehr als 40.000 Menschen mit MERS angesteckt, ohne es zu merken“, schätzt Christian Drosten, Professor für Virologie an der Universität Bonn und einer der Koordinatoren im DZIF-Schwerpunkt „Neu auftretende Infektionskrankheiten“.

Kinderkrankheit bei Kamelen

Die Studie stützt auch eine These, die die Bonner Wissenschaftler bereits vor zwei Jahren aufgestellt haben: „MERS ist eigentlich eine Krankheit, die vor allem Kamele befällt“, sagt Drosten. „Unter ungünstigen Umständen kann das Virus gelegentlich auf den Menschen überspringen.“
Tatsächlich fanden die Wissenschaftler in einer ergänzenden Studie bei Kamelhirten und Schlachtern bis zu 23mal höhere Infektionsraten als im Schnitt. Besonders häufig tragen zudem junge Männer MERS-Antikörper – in Saudi-Arabien züchten viele Männer nebenberuflich Kamele.
Eine direkte Übertragung von Mensch zu Mensch sei vermutlich relativ selten, betont Drosten. Daher sei – anders als bei Ebola – unter normalen Umständen keine MERS-Epidemie zu befürchten. Zwar gab es im vergangenen Jahr im saudi-arabischen Dschidda einen größeren MERS-Ausbruch. Dieser wurde jedoch durch schlechte Krankenhaus-Hygiene begünstigt.

Die Studie ist ein Erfolg des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF). Das DZIF wurde 2011 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung ins Leben gerufen. Unter seinem Dach erforschen Universitäten und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen bedrohliche Infektionskrankheiten rund um den Globus. Das Institut für Virologie der Universität Bonn ist eines der Mitglieder des DZIF.

Publikation: Marcel Müller, Benjamin Meyer, Victor Corman, Malak Al-Masri, Abdulhafeez Turkestani, Daniel Ritz, Andrea Sieberg, Souhaib Aldabbagh, Berend-J. Bosch, Erik Lattwein, Raafat Alhakeem, Abdullah Assiri, Ali Albarrak, Ali Al-Shangiti, Jaffar Al-Tawfiq, Paul Wikramaratna, Abdullah Alrabeeah, Christian Drosten, Ziad A Memish: Presence of Middle East respiratory syndrome coronavirus antibodies in Saudi Arabia: a nationwide, cross-sectional, serological study; Lancet Infect Dis 2015, 9. April 2015;
http://www.thelancet.com/journals/laninf/article/PIIS1473-30991570090-3/abstract

Vereinbarkeit von Studium, Beruf und Familie

Die Universität Bonn ist erneut als familiengerechte Hochschule ausgezeichnet worden. Das Grundzertifikat wurde der Universität im Dezember 2011 durch die Agentur berufundfamilie gGmbH ausgestellt. Die nun erfolgte Re-Auditierung bestätigt, dass eine familienbewusste Personalpolitik weiterentwickelt und familiengerechte Studienbedingungen ausgebaut wurden. Oberstes Ziel bleibt weiterhin die Verbesserung der Vereinbarkeit von Wissenschaft, Lehre, Studium, Beruf und Familie und die Sensibilisierung für das Thema.

Die neue Zielvereinbarung orientiert sich besonders an den Handlungsfeldern Service für Familie, Personalentwicklung, Organisation von Arbeit, Führung und Information/Kommunikation. Konkrete Maßnahmen sind beispielsweise die Ausweitung der Angebote für Beschäftigte mit Pflegeverantwortung, die Sensibilisierung von Führungskräften für Fragen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und der Ausbau der Kinderbetreuung.

Dem Familienbüro der Universität, das Anfang 2012 eingerichtet wurde, obliegen die Verwaltung der neuen Zielvereinbarung und die Umsetzung der neu entwickelten Maßnahmen innerhalb der einzelnen Handlungsfelder. Auf Basis jährlicher Berichte wird die Agentur im Abstand von drei Jahren eine Re-Auditierung bzw. „Konsolidierung“ vornehmen.

Link zur weiteren Information über das Audit:
www.beruf-und-familie.de

Glaube auf dem Stand der Forschung

Haben die „theologischen Updates“ initiiert: Prof. Dr. Cornelia Richter (links) und Katharina Opalka vom Institut für Hermeneutik der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Bonn. © Foto: Barbara Frommann/Uni Bonn
Haben die „theologischen Updates“ initiiert:
Prof. Dr. Cornelia Richter (links) und Katharina Opalka vom Institut für Hermeneutik der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Bonn. © Foto: Barbara Frommann/Uni Bonn

Die Wissenschaft vom christlichen Glauben operiert mit ewigen Wahrheiten und zeitlosen Werten – entdeckt aber oft, in welch zeitgebundener Verpackung früherer Jahrhunderte diese Werte mitunter erscheinen. Mit einer neuen Internet-Seite wollen zwei evangelische Theologinnen der Universität Bonn jetzt Pfarrern und Lehrern, Ehrenamtlichen und Journalisten dabei helfen, auf Höhe der Forschung zu bleiben und solche Probleme leichter zu erkennen. Federführend ist Professorin Dr. Cornelia Richter vom Institut für Hermeneutik.

„Es stehen Updates zur Verfügung“, meldet der Computer – und veraltete Programme werden durch verbesserte Versionen ersetzt. Dass so etwas auch in der Theologie funktionieren soll, wundert einen. Geht es da nicht um ewige Wahrheiten? Um zeitlose Werte, die sich nicht „verbessern“ lassen? Mit „Update“ beißt es sich aber trotzdem nicht – denn es bedeutet „auf den neuesten Stand bringen“. Zwei Wissenschaftlerinnen an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Bonn haben jetzt genau das vor. Mit ihrem Internet-Projekt „Theologische Updates“ wollen sie Kollegen, die den christlichen Glauben an der Basis vermitteln – zum Beispiel Pfarrer, Lehrer und Prädikanten, auch Ehrenamtliche und Journalisten -, mit aktuellen Entwicklungen des Fachs vertraut machen.

Kernsätze neu verstanden

Auf die Beine gestellt haben das neue Online-Angebot Professorin Dr. Cornelia Richter vom Institut für Hermeneutik und ihre Wissenschaftliche Mitarbeiterin Katharina Opalka, zur Pfarrerin ausgebildete Theologin. „Es zeigt sich, dass sich nach dem Examen so mancher Teil des Gelernten leider relativ rasch in eingefahrene Praxisformulierungen hinein verengt“, erläutert Prof. Richter. „Andere Dinge bleiben zwar sehr präsent, aber oft auf dem Stand der Zeit, in der man studiert hat. Dabei hat sich in den vergangenen Jahren in der Theologie unglaublich viel getan.“ Das betrifft etwa Bibeltexte: Die Forschung hat sie mit vielfältigen Überlieferungen verglichen und festgestellt, dass sie aus völlig anderen Zeiten stammen als angenommen – und daher auch anders verstanden werden müssen.

Auch manches Element der christlichen Lehre wird heute von der Fachwelt neu interpretiert. Der „Opfertod Jesu zur Vergebung der Sünden“ zum Beispiel. „Dass ein rachsüchtiger Gott seinen Sohn opfern müsse, weil die Menschen gesündigt haben, ist für heutige Menschen eine hoch brutale Theorie“, sagt Prof. Richter. Wie sie erläutert, geht sie auf den Denker Anselm von Canterbury zurück (er starb im Jahre 1109), sei also „ein mittelalterliches Konstrukt, das in dieser Form in der Bibel nicht angelegt ist“. Anselm argumentierte ungefähr so: Gott und der Mensch haben einen Bund, das heißt eine Art Vertrag geschlossen. Während die Menschheit diesen Bund durch ihre Sünden gebrochen habe, halte Gott als höchste Instanz der Gerechtigkeit an den „Vertragsbedingungen“ konsequent fest. „Der Mensch des Mittelalters dachte: Gerade weil Gott gerecht ist, muss er sich an die Regeln halten und deshalb Wiedergutmachung fordern“, so die Theologin. „Der Mensch kann sie nach Anselm aber nicht leisten, also braucht es Jesus Christus, der für ihn eintritt.“ Hätte Gott auf Jesu Kreuzestod verzichtet, „wäre das nach mittelalterlichem Verständnis ein Zeichen absoluter Willkür.“

Ganz anders sieht das der heutige Mensch, der einer genau gegensätzlichen Logik folgt, sagt Prof. Richter. „Für uns ist Gott gerecht, wenn er von einem Opfer absieht, wenn er Gnade vor Recht ergehen lässt. Wenn man sich das klarmacht, wird deutlich, dass man die Bibel immer in die eigene Zeit hinein liest. Das geht so weit, dass man sie heute historisch präziser liest und merkt, dass Begriffe wie »Sühne« oder »Stellvertretung« für den Tod Jesu in der Bibel selbst gar nicht ausgesagt werden.“ Doch sei diese genauere Lesart in der Forschung so jung, dass sie in die Praxis vielerorts noch gar nicht eingegangen sein kann. „Insofern helfen unsere Updates, das tradierte Wissen auf neues Niveau zu bringen – nicht »besser«, aber neu verstanden.“

Keine „theologische Entscheidungsinstanz“

Seit November ist die fertig programmierte Seite am Netz, jetzt ist die Testphase abgeschlossen. Das Prinzip ist einfach: Wer eine Frage hat, kann sie (auch anonym) in eine Suchmaske eintragen und abschicken. Nach einer gewissen Bearbeitungszeit erscheint an gleicher Stelle die Expertenantwort. Schon in der Testphase ging es um gewichtige Probleme. Darf man beim Abendmahl die Einsetzungsworte ändern? Was heißt es, wenn das Dogma sagt, Gott sei eine „Person“? Ist ein christlicher Segen auch für Tiere oder gar Maschinen denkbar?

Prof. Richter betont, dass sich die Universität Bonn mit dem Projekt nicht zur „theologischen Entscheidungsinstanz“ aufschwingen will. „Die Beiträge sind von unserer Position gefärbt und sie sind – eben ganz im Sinne aktueller Forschung – jeweils zeitbedingt. Was ich heute dort schreibe, kann in einem Jahr neu kommentierungsbedürftig sein.“ Deswegen gibt es für die Besucher der Seite auch die Möglichkeit, die Antworten selbst zu kommentieren und vertieft nachzufragen.

Internet: www.theol-updates.uni-bonn.de

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