Wie groß war Luthers Einfluss auf unsere Sprache?

Prof. Dr. Werner Besch, Emeritus von der Universität Bonn, mit seinem Buch "Luther und die deutsche Sprache". (c) Foto: Volker Lannert/Uni Bonn
Prof. Dr. Werner Besch,
Emeritus von der Universität Bonn, mit seinem Buch „Luther und die deutsche Sprache“. (c) Foto: Volker Lannert/Uni Bonn

Martin Luthers Bedeutung für die Entwicklung unserer Schriftsprache war lange umstritten – und letztlich ungeklärt. Einerseits hielt man Luthers Sprache schon um 1600 für „tot“, andererseits wurde er zum „Sprachenschöpfer“ stilisiert. „Beides ist falsch“, sagt Emeritus Prof. Dr. Werner Besch, Germanist und früherer Rektor der Universität Bonn. In seinem neuen Buch „Luther und die deutsche Sprache“ fasst er den Forschungsstand zum Thema zusammen.

Die sprachhistorische Forschung der letzten 50 Jahre führe zu folgenden Ergebnissen: Luther sei eingebunden in die chursächsische Schreibtradition Wittenbergs. Er ist sprachlich somit mehr in der Mitte angesiedelt als im Süden, im Oberdeutschen. Von dieser Basis aus erlange seine Bibelübersetzung hohe Autorität und enorme Verbreitung. Sie sei geprägt durch seine neue Übersetzungsmaxime und seine Sprachmächtigkeit. „Das Deutsch seiner Bibel ist wohl der wichtigste Steuerungsfaktor in der jüngeren Sprachgeschichte“, sagt Prof. Dr. Werner Besch. Er hat sich ein ganzes Gelehrtenleben lang mit Person und Werk Luthers befasst.

Luther war eingebunden in die chursächsische Kanzleisprache. Diese stand im Ausgleich mit der Kanzlei Kaiser Maximilians. Solche Kanzleisprachen waren damals, was der Bonner Experte „Schreibsprachen“ nennt: eine Art interne Vorschrift der Behörden, welche Wörter in amtlichen Dokumenten zu verwenden und wie sie zu schreiben waren. Herrscherhäuser und Handelsverbünde sorgten so für eine gewisse Einheitlichkeit ihres Schriftverkehrs und ihrer Verwaltung.

Luthers Sprache: Geographisch und sprachlich in der Mitte

Damals noch mehr als heute war das gesprochene Deutsch in drei großen Varianten lebendig: das „Oberdeutsche“ Bayerns, Frankens, Badens, Schwabens und Österreichs; das „Niederdeutsche“ (entlang der Küsten, in Niedersachsen und Westfalen); das „Mitteldeutsche“ von Sachsen und Thüringen über Hessen bis ins Rheinland. Die Unterschiede zwischen Ober- und Niederdeutsch sind so groß, dass sie beinahe wie verschiedene Sprachen scheinen: Heißt es Schwester oder Suster? Laufen oder lopen? Kam oder kwam? Gehen oder gaan?

Die „Sächsische Kanzleisprache“ war für Luther ein großer Vorteil: Weil sie geographisch und sprachlich in der Mitte lag, konnte sie in größeren Teilen Deutschlands verstanden werden als die nördlichen und südlichen Varianten. „Luther wollte verstanden werden“, sagt Prof. Besch. „Ein Luther in Flensburg oder Konstanz hätte keine Chance gehabt.“ Dennoch blieb die Verständigung zu Anfang schwierig: In Norddeutschland musste Luthers Bibel noch ein Jahrhundert lang in einer eigenen, plattdeutschen Variante erscheinen.

Ein weiterer Irrtum im gängigen Luther-Verständnis: Er war nicht der Erste, der die Bibel ins Deutsche übersetzte. Prof. Besch: „Er war aber der Erste, der sich nicht an der Ausgangs- sondern an der Zielsprache orientiert hat.“ Das heißt: Luther klebte nicht sklavisch am lateinischen Text. Statt der zuvor üblichen Übersetzungsmethode des „Wort für Wort“ wählte er die Methode des „Sinn für Sinn“: Er fragte sich, wie ein „gut deutscher“ Satz lauten müsse, damit er den gleichen Sinn transportiert.

Als Beispiel nennt Prof. Besch den theologischen Kernsatz Luthers, der Mensch werde „sola fide“ („allein durch den Glauben“) gerettet. „Katholische Kritiker warfen Luther vor, er habe den Bibeltext an vielen Stellen verfälscht, auch hier, weil das Wort »sola« an der entsprechenden Stelle gar nicht vorkommt.“ Luther habe selbstbewusst geantwortet: „Wahr ist’s. Diese vier Buchstaben stehen nicht drinnen. Aber wo man’s will klar und gewaltiglich verdeutschen, so gehöret es hinein.“

Eine Sprachform mit biblischer Autorität

Die wichtige Rolle Luthers für die Entwicklung der deutschen Sprache beruht auf vier Punkten, fasst Prof. Besch zusammen: Er wählte die Sprachform der Mitte; er wusste, was gutes Übersetzen heißt; er war sprachmächtig – und er konnte seine Sprachform auf eine wichtige Autorität stützen. „In anderen Ländern gab es früh ein politisches Zentrum wie London oder Paris, dessen Sprachvariante dann zur beherrschenden Schriftsprache wurde“, erläutert der Germanist. „Die deutsche Geschichte hat aber nicht ein einziges Zentrum, sondern mehrere. Das Entscheidende, was Luthers Sprache vor alle Konkurrenten setzt: Hinter ihm stand auch eine Autorität. Das war kein König, kein Kaiser, kein London, kein Paris. Es war die Autorität des Wortes Gottes – nunmehr in deutscher Sprache.“

Publikation: Werner Besch: Luther und die deutsche Sprache. 500 Jahre deutsche Sprachgeschichte im Lichte der neueren Forschung. Erich-Schmidt-Verlag, Berlin. 181 S., ISBN 978-3-503-15522-4, 29,80 Euro

Fernreisen mit Kindern

Interview mit Matthias Rotter, Leiter Meier’s Weltreisen

Fernreisen mit Kindern – kann das funktionieren?
Rotter: Auf jeden Fall! Und je besser die Planung, desto entspannter die Reise. Das fängt damit an, sich vorab über das Urlaubsland gut zu informieren. Wann ist zum Beispiel die beste Reisezeit?

Matthias Rotter Foto: Meiers Weltreisen
Matthias Rotter
Foto: Meiers Weltreisen

Auch die Koffer-Packliste muss stimmen: Was brauchen wir alles vor Ort? Generell sollten Eltern auf die Bedürfnisse ihrer Kinder Rücksicht nehmen. Damit meine ich zum Beispiel einen kindgerechten Tagesablauf – passende Essens- und Schlafenszeiten, keine zu langen Fahrstrecken, sich auch mal darauf einlassen, was das Kind gerne möchte.

Und was noch?
Rotter: Je nach Alter der Kinder sollte man nicht unbedingt jede Nacht den Ort wechseln. Wenn die Familie sich an die Unterkunft und die Umgebung gewöhnt hat, läuft alles routinierter und somit stressfreier.

Was können Eltern beim Langstreckenflug beachten?
Rotter: Das Kuscheltier muss ins Handgepäck! Ebenso Bücher, CDs oder etwas zum Basteln. Trinken oder Bonbons lutschen hilft gegen den Druck in den Ohren. Für Langstreckenflüge mit einem Baby bieten sich die jeweils ersten Sitzreihen an, denn hier lassen sich die Babybetten der Airlines anbringen.

Wie sieht es mit dem Thema Impfungen aus?
Rotter: Vor einer Fernreise empfiehlt sich immer eine ärztliche Beratung. Welche  Impfungen sind notwendig? Was gehört in die Reiseapotheke? Ein Blick auf die Internetseite des Auswärtigen Amtes ist auch sinnvoll. Malariagebiete sollte man mit Kindern generell meiden.

Welche Länder bieten sich für einen Urlaub mit Kids an?
Rotter: In Asien sind Kinder immer und überall willkommen. Besonders Thailand ist bei Familien sehr beliebt, vor allem Phuket, Khao Lak und Koh Samui mit ihren familienfreundlichen Hotels. Ebenso die Inseln des Indischen Ozeans, zum Beispiel Mauritius und die Malediven, aber auch Sri Lanka, wenn es neben dem Baden etwas Kultur sein darf. Die Karibik, wie z.B. die Dominikanische Republik, ist für Familien auch attraktiv. Durch die vielen „All inclusive“-Angebote wissen die Eltern hier sehr genau, was der Urlaub kostet.

Worauf sollten Familien bei der Auswahl der Unterkünfte achten?
Rotter: Auf familienfreundliche Hotels. Sie bieten oft großzügige Familienzimmer, spezielle Kindermenüs, Kinderanimation, altersgerechte Betreuung und eigene Swimmingpools für die Kleinsten.

Und wenn es mal nicht der klassische Badeurlaub sein soll?
Rotter: Mit dem Nachwuchs im Wohnmobil die Nationalparks der USA zu erleben ist natürlich ein ganz besonderes Abenteuer. Auch Südafrika fasziniert mit seinen riesigen Tierherden die Kleinen wie die Großen.

Sind Busrundreisen mit Kindern zu empfehlen?
Rotter: Besser eignen sich individuelle Rundreisen mit dem Mietwagen oder dem Wohnmobil. Dann kann jede Familie in ihrem eigenen Rhythmus reisen. Es gibt aber  auch einige organisierte Rundreisen, die speziell auf die Bedürfnisse von Familien zugeschnitten sind, bei Meier’s Weltreisen zum Beispiel in Afrika.

Evolution der Konkurrenzfähigkeit

Alle Lebewesen sind Konkurrenzdruck ausgesetzt. Individuen unterscheiden sich aber stark darin, wie sie mit dieser Herausforderung umgehen. Beim Menschen zum Beispiel setzen manche alles daran, erfolgreicher zu sein als andere, um besseren Zugang zu wichtigen Ressourcen zu erhalten. Andere dagegen lassen es ruhiger angehen und machen das Beste aus dem Wenigen, das sie bekommen. Forscher der Universitäten Bonn, Bielefeld und Groningen zeigen, warum die Evolution von Wettbewerbsfähigkeit eine derartige Vielfalt erzeugt und wie eine einseitige Favorisierung von besonders kompetitiven Individuen eine Population in den Ruin treiben kann. Die Studie ist nun im Fachjournal „Nature Communications“ erschienen.

Das Wissenschaftler-Team der Universitäten Bonn, Bielefeld und Groningen entwickelte theoretische Modelle, um die Evolution von Wettbewerbsfähigkeit in Organismen zu analysieren. „Für unsere Untersuchungen haben wir uns am Beispiel des Paarungsmarktes orientiert“, sagt Erstautor Dr. Sebastian Baldauf vom Institut für Evolutionsbiologie und Ökologie der Universität Bonn. Bei vielen Arten entwickeln Individuen Merkmale, wie zum Beispiel Waffen, die bei der Konkurrenz um Ressourcen mit anderen Artgenossen einen Vorteil bieten. Gleichzeitig sind aber derartige Merkmale auch mit Kosten verbunden: Die Verteidigung eines großen Territoriums erfordert derart viel Zeit und Energie, dass zum Beispiel die Brutpflege zu kurz kommt.

Im Modell wird darum angenommen, dass eine Erhöhung der Konkurrenzfähigkeit den Zugang zu besseren Ressourcen ermöglicht, aber gleichzeitig verhindert, diese Güter in vollem Umfang für die eigene Reproduktion ausnutzen zu können. Das Modell sagt unter diesen Bedingungen voraus, dass im Laufe der Evolution ein großes Maß an Vielfalt entsteht: Ein Teil der Population ist dann äußerst kompetitiv und bekommt den Löwenanteil der höherwertigen Ressourcen, während der Rest sich dem Konkurrenzkampf erst gar nicht aussetzt und sich mit weniger zufrieden gibt.

Sind die Unterschiede in den Ressourcen dagegen groß, kommt es zu Zyklen in der Konkurrenzfähigkeit. In diesem Fall entsteht zunächst eine Art Waffenwettlauf. Irgendwann ist dann aber eine Grenze erreicht, bei der die Investitionskosten in die eigene Wettbewerbsfähigkeit den Nutzen überschreiten. Die Konkurrenzfähigkeit bricht ein, bis dann nach einiger Zeit der Waffenwettlauf aufs Neue beginnt. Dr. Baldauf: „Unser Modell kann somit unter sehr plausiblen Annahmen sowohl die Koexistenz von alternativen Wettbewerbsstrategien als auch die wahrgenommenen großen Schwankungen in der Konkurrenzfähigkeit von Organismen erklären.“

Märkte heizen Konkurrenz an

Bei vielen Organismen konkurrieren in der Regel die Männchen um Ressourcen, während die Weibchen das wählerische Geschlecht bei der Partnerwahl sind. Die Forscher untersuchten daher auch die Möglichkeit, dass Weibchen Vorlieben für verschiedene Konkurrenzstrategien bei Männchen entwickeln konnten. „Auf dem Paarungsmarkt entsteht eine starke Präferenz der Weibchen für sehr wettbewerbsfähige Männchen, welche hoch qualitative Ressourcen besitzen“, sagt Dr. Leif Engqvist von der Abteilung Evolutionsbiologie der Universität Bielefeld. Dies mache biologisch Sinn, da solche Männchen augenscheinlich mehr Ressourcen für die Reproduktion der Weibchen bieten. Jedoch werden dadurch die Männchen angeheizt, mehr als notwendig in ihre Konkurrenzfähigkeit zu investieren – selbst wenn es nur wenig zu gewinnen gibt. Unter ökologisch schlechten Bedingungen kann dies dazu führen, dass die Anforderungen an die Männchen den Wert der Ressource überschreiten, was letztendlich zum Aussterben der Population führen kann.

Unter bestimmten Bedingungen können jedoch auch Paarungsmärkte entstehen, bei denen sich die Weibchen in ihren Vorlieben für verschiedene Männchen unterscheiden. Wenn Männchen die Kosten des Wettbewerbs vermeiden, können sie durch den umsichtigen Umgang mit etwas geringeren Ressourcen einen ähnlichen Erfolg erzielen wie die wettbewerbsorientierten Artgenossen.

„Es ist immer Vorsicht geboten, wenn man derartige Befunde von evolutionären Modellen auf den Menschen übertragen möchte“, sagt Prof. Dr. Franjo Weissing vom Zentrum für ökologische Evolutionsstudien der Universität Groningen (Niederlande). Aber es erscheine durchaus plausibel, dass ganz ähnlich gelagerte Prozesse beim Menschen dazu führen, dass sich Gesellschaften stark in ihrem Nachdruck auf Konkurrenzfähigkeit unterscheiden und dass innerhalb einer Gesellschaft sehr starke Unterschiede in den Wettbewerbsstrategien bestehen. Eine einseitige Favorisierung von vermeintlich erfolgreichen, wettbewerbsorientierten Individuen könne in großem Maßstab zur Verschwendung von Ressourcen führen.

Publikation: Baldauf, S. A., Engqvist, L. & Weissing, F. J.: Diversifying evolution of competitiveness. Nature Communications, DOI: 10.1038/ncomms6233

Mathematiker stellen neuen Rekord auf

Prof. Dr. Jens Vygen vom Forschungsinstitut für Diskrete Mathematik der Universität Bonn. (c) Foto: Barbara Frommann/Uni Bonn
Prof. Dr. Jens Vygen vom Forschungsinstitut für Diskrete Mathematik der Universität Bonn. (c) Foto: Barbara Frommann/Uni Bonn

Wie lässt sich eine Rundreise organisieren?

Wie lässt sich eine Rundreise durch verschiedene Städte auf dem kürzesten Weg organisieren? Darüber zerbrechen sich nicht nur Paketdienste, Handlungsreisende und Touristen den Kopf, sondern seit vielen Jahrzehnten auch Mathematiker. Eine endgültige Lösung des Problems für eine große Zahl von Orten ist noch nicht gelungen, aber Forscher der Universitäten Bonn und Grenoble haben einen Algorithmus gefunden, der mit Abstand die beste Näherung liefert. Sie berichten in der Fachzeitschrift „Combinatorica“ über ihre Ergebnisse, deren Druckausgabe nun vorliegt.

Wie lässt sich die Reihenfolge für den Besuch mehrerer Orte so wählen, dass die gesamte Route möglichst kurz ist? „Dieses Rundreiseproblem klingt trivial, ist aber eine harte Nuss“, sagt Prof. Dr. Jens Vygen vom Forschungsinstitut für Diskrete Mathematik der Universität Bonn. Seit mehr als 60 Jahren zerbrechen sich Mathematiker darüber den Kopf – ohne es bislang gelöst zu haben. „Dieses populäre Problem hat seit Jahrzehnten eine zentrale Bedeutung für die mathematische Optimierung: Viele ursprünglich dafür entwickelte Methoden kamen später auch bei ganz anderen Problemen zum Einsatz“, erläutert sein Kollege Prof. Dr. András Sebö von der Universität Grenoble. „Es müssen beim Rundreiseproblem auch nicht unbedingt Städte sein, die durchlaufen werden sollen – sehr oft sucht man beispielsweise auch eine optimale Reihenfolge von Arbeitsschritten.“

Komplexität überfordert sogar Supercomputer

Mit wenigen Orten lässt sich die Aufgabe noch relativ einfach lösen, indem man die Weglängen aller möglichen Rundreisen berechnet und dann die kürzeste auswählt. Mit der Zahl der zu besuchenden Orte nimmt aber die Komplexität des Problems und damit die Rechenzeit rasch zu und überfordert dann auch die schnellsten Supercomputer. Mit 15 Städten gibt es bereits mehr als 43 Milliarden verschiedene Rundreisen, aus denen die kürzeste auszuwählen ist. Mit 18 Städten steigt die Zahl der Möglichkeiten auf über 177 Billionen an – und so weiter.

„Viele Mathematiker vermuten, dass das Rundreiseproblem für eine große Anzahl von Städten überhaupt nicht lösbar ist“, berichten die beiden Wissenschaftler. Das ist aber noch nicht bewiesen. Bislang ist es den Mathematikern jedoch gelungen, sich mit verschiedenen Verfahren der optimalen Route anzunähern. Es handelt sich dabei um Kompromisslösungen mit dem Vorteil einer überschaubaren Rechenzeit, aber Abstrichen hinsichtlich der kürzesten Weglänge. Wenn zum Beispiel vorgegeben ist, dass die Gesamtstrecke insgesamt doppelt so lang sein darf wie die optimale Route, dann lässt sich das relativ einfach umsetzen: Zu jedem Punkt ist dann ein Hin- und Rückweg erlaubt.

Neuer Rekord liegt beim 1,4-fachen der optimalen Strecke

Lange Zeit hielt Nicos Christofides den Rekord: 1976 veröffentlichte er einen Algorithmus, der eine Rundreise ergab, die maximal um die Hälfte länger als die optimale Tour ist. 35 Jahre später gelang es Mathematikern aus Nordamerika erstmals, diese Annäherung im wichtigsten Spezialfall zu unterbieten, wenn auch nur um eine Winzigkeit. Nun stellen die Professoren Jens Vygen von der Universität Bonn und András Sebö von der Universität Grenoble (Frankreich) einen neuen Rekord auf: Gemeinsam beschreiben sie einen völlig neuen Algorithmus, der die bisherige Bestmarke deutlich auf das 1,4-fache der optimalen Rundreisestrecke verkürzt.

Dabei brüteten die beiden Wissenschaftler während eines Forschungsaufenthaltes von Prof. Vygen in Grenoble gar nicht über dem Rundreiseproblem. „Wie so häufig war Zufall im Spiel“, erzählt der Mathematiker der Universität Bonn. Zusammen mit seinem Kollegen aus Frankreich ging er der Frage nach, wie sich zum Beispiel Strom- oder Telekommunikationsnetzwerke so optimieren lassen, dass es bei einem Kabelriss nicht zu einem Ausfall kommt. „Aber wie viele Mathematiker haben wir das Rundreiseproblem ständig im Hinterkopf“, berichtet Prof. Vygen. Deshalb lag es nahe, den Ansatz für das Netzwerkproblem auch auf die ähnliche Rundreisefrage anzuwenden.

Prof. Sebö und Prof. Vygen entdeckten eine neue Struktur: die sogenannte „Schöne-Ohren-Zerlegung“. Wie bei einer Zwiebel gingen die Wissenschaftler bei der Verbindung der Orte von außen nach innen vor. „Das funktioniert nur, wenn man die richtige Zwiebelstruktur erfasst hat – und die sieht man der Landkarte mit den Straßen und Orten zunächst nicht an“, sagt Prof. Vygen. Der Algorithmus aus Bonn und Grenoble mit den bislang besten Ergebnissen für das Rundreiseproblem lässt sich nicht nur in der Logistikbranche nutzen: Zum Beispiel bei Himmelsdurchmusterungen der Astronomen ist ebenfalls die kürzeste Route von Stern zu Stern gefragt.

Publikation: Shorter tours by nicer ears: 7/5-approximation for the graph-TSP, 3/2 for the path version, and 4/3 for two-edge-connected subgraphs, Fachjournal Combinatorica 34 (5) (2014), 597-629, online-Version vorab (DOI: 10.1007/s00493-011-2960-3)

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