Über Integration, Verhalten und Vorurteile

Die deutsche Bevölkerung stimmt nach einer repräsentativen Umfrage dem Prinzip der Gleichheit und Gleichwertigkeit von Deutschen ohne Migrationshintergrund und Zugewanderten mehrheitlich zu. Wenn es allerdings um die Umsetzung im Alltag geht, sind viele reserviert und hängen an alten Vorrechten. Dabei überschätzen viele Befragte ihre Integrationsbereitschaft und Toleranz. Zu diesen Ergebnissen kommt die Studie „ZuGleich – Zugehörigkeit und Gleichwertigkeit“ des Instituts für Interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) an der Universität Bielefeld, die von der Stiftung Mercator gefördert und heute bei einer Pressekonferenz in Berlin präsentiert wurde.

„Bürger sind widersprüchlich, wenn es um die Frage nach Integration in einer modernen offenen Gesellschaft geht. Das Integrationsklima ist auf den ersten Blick gut – aber wenn es darum geht, Integration als gegenseitigen Prozess der Veränderung zu verstehen, dann ziehen schnell althergebrachte Muster der Verschiedenheit von Personen mit und ohne Migrationshintergrund ein“, erläutert Andreas Zick, Leiter der Studie am IKG, die Ergebnisse. „Allerdings können wir auch festhalten, dass die Mehrheit der Bürger positiv gegenüber Migranten eingestellt ist – ganz besonders jene, die schon eingewandert sind. Hier gilt es anzusetzen, und dabei könnten Menschen mit Migrationserfahrung eine große Hilfe sein“, so Zick weiter. Die Ergebnisse der Studie belegen, dass ein Teil der Reserviertheit gegenüber Integrationsveränderungen auch auf Vorurteile und auf die zunehmende Angst, selbst abgehängt zu werden, zurückzuführen sind.

Es braucht mehr Verantwortungsbewusstsein in der deutschen Mehrheitsgesellschaft

Im Einzelnen zeigt die Studie deutlich, dass die Mehrheit der Bürger eine stärkere Willkommenskultur und Diversität in Deutschland begrüßt, in der Unterstützung des „Ankommens“ jedoch selbst zurückhaltend und passiv bleibt. Viele schätzen die zunehmende Vielfalt und äußern sich wohlwollend darüber, dass sich immer mehr „Migranten in Deutschland zu Hause fühlen“. Auch „Integration“, verstanden als ein Prozess, der von beiden Seiten Anerkennung und Kooperation erfordert, stößt ideell auf großen Anklang. „Geht es allerdings um die Frage, wer sich auf wen zubewegen soll, wird von vielen Befragten doch wieder auf die einseitige Anpassungsleistung, die Assimilation der Einwanderer, bestanden“, berichtet Madlen Preuß, Koordinatorin der Studie am IKG. „Über ein Drittel verweigern hier Engagement und Unterstützung, um Migranten das ‚Ankommen‘ zu erleichtern.“

Zugehörigkeit: Sprachkenntnisse und Verfassungstreue an erster Stelle

Deutsche mit und ohne Migrationshintergrund sind sich weitgehend einig, wenn es um die Kriterien dafür geht, wann jemand zur deutschen Gesellschaft gehört. An erster Stelle stehen bei allen Befragten die Beherrschung der deutschen Sprache und die Achtung deutscher Politinstitutionen und Gesetze. Allerdings zeigt sich im direkten Vergleich, dass die deutsche Mehrheitsgesellschaft sehr viel häufiger die deutsche Staatsangehörigkeit oder Deutschland als Geburtsland fordert, während Eingewanderte eine Erwerbstätigkeit oder ehrenamtliches Engagement für wichtiger halten. „Das heißt für uns: Die Bemessung und Anerkennung der Zugehörigkeit zur deutschen Gesellschaft macht spätestens dann Halt, wenn Kriterien ins Spiel kommen, die nur schwer erfüllbar sind“, so Zick.

Gleichheit: Die Rechte der Deutschen sind gleicher?

Der Widerspruch setzt sich fort, wenn das Prinzip der Gleichheit in den Fokus rückt. Laut der Studie sind sich rund 86 Prozent der Befragten einig, dass alle Menschen über die gleichen Rechte verfügen sollten. Ausgehebelt wird dieser Grundsatz jedoch, sobald bisherige Privilegien und Vorrechte der deutschen Mehrheitsgesellschaft abgegeben werden müssen, um die gleichen Rechte auch für alle etablieren zu können. So sinkt die Zustimmung zum Gleichheits-Prinzip drastisch, wenn die Teilhabe aller auch einen Verzicht auf bisherige Vorrechte erforderlich macht. So zeigt sich, dass nahezu ein Drittel aller Befragten (30,9 Prozent) zwar gleiche Rechte für Neuhinzugekommene unterstützt, jedoch gleichermaßen meint, man müsse „sich erst einmal mit weniger zufrieden geben“, wenn man später hinzukommt (32,4 Prozent). Etwa 18,0 Prozent der Befragten hält es darüber hinaus beispielsweise für selbstverständlich, dass den ‚Neuen‘ „genauso viel zusteht wie allen anderen auch“, erkennt ihnen allerdings gleichzeitig das Recht ab, „Ansprüche zu erheben“ (19,8 Prozent).

Plädoyer für mehr Toleranz und mehr Vielfalt

„Die mehrheitliche Zustimmung zur zunehmenden Vielfalt in Deutschland zeigt, dass der richtige Weg eingeschlagen ist. Damit chancengleiche Teilhabe aller und ein gesamtgesellschaftlicher Zusammenhalt aber tatsächlich gelingen kann, müssen wir uns noch mehr für die Selbstverständlichkeit sprachlicher, kultureller und weltanschaulicher Vielfalt einsetzen“, resümiert Winfried Kneip, Geschäftsführer der Stiftung Mercator.

Ressentiments gegen Minderheiten bremsen Zugehörigkeit und Gleichwertigkeit

Eine Abwertung und Feindlichkeit gegenüber ethnischen und kulturellen Minderheiten zeigt sich insbesondere mit Blick darauf, dass sich Ressentiments gegenüber Sinti und Roma, Asylbewerbern und Muslimen halten. Mehr als jeder Fünfte äußert gegenüber diesen Personengruppen starke Vorurteile und Ablehnung. Auch antisemitische und rassistische Agitation finden immer noch Anklang in der deutschen Bevölkerung; mindestens jeder zehnte Bürger stimmt einer natürlichen Hierarchie zwischen Völkern zu und unterstellt Juden, sie würden von der Holocaust-Vergangenheit profitieren wollen.

Je größer die Ablehnung von Diversität und Integrationskultur, desto stärker fällt auch die allgemeine Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit aus. Das heißt gleichzeitig, ein „Ja“ zur Integration und zur Vielfalt bedeutet ein „Ja“ zur generellen Anerkennung verschiedenster Gruppen, die keinesfalls nur auf die Akzeptanz kultureller oder ethnischer Gruppen beschränkt bleibt. Das heißt: Personen, die Vorurteile gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund haben, lehnen gleichzeitig auch häufig andere Minderheitengruppen in Deutschland ab, wie beispielsweise wohnungs- oder arbeitslose Gruppen. Der Anteil der Befragten, der der Aussage zustimmt, dass Migranten in die Heimat zurückkehren sollten, wenn die Arbeitsplätze knapp werden (Zustimmung 8,1 Prozent), ist nahezu identisch mit dem Anteil der Befragten, die Homosexualität unmoralisch finden (8,6 Prozent) oder die meinen, Frauen sollten sich auf ihre traditionelle Rolle besinnen (8,8 Prozent). Diese Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit bremst Versuche der Öffnung und des positiven Miteinanders aus.

Hier knüpft die Studie an eine langjährige Studienreihe des Instituts an, die immer wieder belegte, wie schwerwiegend und stabil Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit Integrationsbemühungen entgegensteht.

Die Studie „ZuGleich – Zugehörigkeit und Gleichwertigkeit“

Die Studie „ZuGleich – Zugehörigkeit und Gleichwertigkeit“ ist als Nachfolgeprojekt der Untersuchung Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit (GMF; 2002 – 2011) angelegt. Im Fokus stehen die wesentlichen Kernfragen zur Integrationsgemeinschaft, die Anerkennung einer allgemeinen Gleichwertigkeit und die Zugehörigkeit zur deutschen Gesellschaft. Die Studie „ZuGleich“ ist eine wissenschaftliche Umfragestudie und basiert auf einer anonymen und repräsentativen Querschnitts-Befragung von insgesamt 2.006 volljährigen Personen zwischen November 2013 und Januar 2014 in Deutschland. Das Projekt wurde von Prof. Dr. Andreas Zick (Leiter des IKG) sowie MA Soz. Madlen Preuß (IKG) durchgeführt. Teile des Projektes basieren auf dem beendeten Projekt Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit (GMF), das in der Reihe „Deutsche Zustände“ (Suhrkamp) veröffentlicht wurde.

Die Stiftung Mercator
Die Stiftung Mercator ist eine private Stiftung, die Wissenschaft, Bildung und Internationale Verständigung fördert. Sie initiiert, entwickelt und finanziert gezielt Projekte und Partnergesellschaften in den Themenbereichen, für die sie sich engagiert: Sie will Europa stärken, Integration durch gleiche Bildungschancen für alle verbessern, die Energiewende als Motor für globalen Klimaschutz vorantreiben und kulturelle Bildung in Schulen verankern. Dem Ruhrgebiet, der Heimat der Stifterfamilie und dem Sitz der Stiftung, fühlt sie sich besonders verpflichtet.

Quelle/Text/Redaktion: www.uni-bielefeld.de

Wissen, ob es einen Markt für eine Immobilie gibt

Wer eine Immobilie besitzt, möchte wissen, was diese Wert ist und ob es einen geeigneten Käufer gibt – zumindest, wenn er sie vermarkten möchte. Eine einfache und unkomplizierte Lösung für diese Frage hat nun die Garcia & Co Immobilien GmbH geschaffen. Mit dem „Käuferfinder“ bekommen Immobilienbesitzer in weniger als einer Minute einen ersten Überblick über den Markt und die Preise in den verschiedenen Gemeinden des Kreises Olpe – ohne einloggen, registrieren und aufwändige Datenabfragen.

„Wir möchten einen leichten Einstieg schaffen“, erklärt Pedro Garcia, Inhaber und Geschäftsführer von Garcia & Co Immobilien. Gefragt werden die Nutzer beim „Käuferfinder“ lediglich nach sechs Information zur Immobilie: Nach der Objektart (Haus, Wohnung, Gewerberäume, Grundstück), nach der Art der Vermarktung (Verkauf oder Vermietung), nach dem Ort, der Größe, der Anzahl der Zimmer und optional nach dem gewünschten Preis. „Das dauert nicht mal eine Minute“, so Garcia. Auf Basis dieser Informationen wird dann unter mehreren Hundert aktuellen Anfragen, die das Immobilienunternehmen im Kreis Olpe regelmäßig erreichen, die prall gefüllte Datenbank durchsucht und in wenigen Sekunden ein anonymisierter Überblick über mögliche Kaufinteressenten gegeben.

„Wer den ‚Käuferfinder‘ nutzt, spart sich Zeit, Kosten, jede Menge Recherchearbeit und einen Maklervertrag und hat ruckzuck einen Überblick darüber, wie marktgängig die eigene Immobilie ist. Daraus lassen sich viele Schlüsse ziehen, die spätere Entscheidungen rund um den Verkauf, die Vermarktungsstrategie und den ungefähr zu erwarteten Erlös erleichtern und kalkulierbar machen“, verdeutlicht der Immobilien-Profi seine Idee. Der Immobilienbesitzer bekomme so im Minimalfall einen wertvollen Wissensvorsprung, im Idealfall gleich einen passenden, geprüften und solventen Käufer.

Der „Käuferfinder“ kann von jedermann ohne sich zu registrieren oder persönliche Daten einzugeben genutzt werden. Zu finden ist der Service unter www.garcia-immobilien.de unter dem Menüpunkt Eigentümer. Dort gibt es auch weitere Informationen rund um die Immobilie, deren Vermarktung und Bedeutung für Vermögen und Vorsorge sowie die Auszeichnungen und Qualitätsrichtlinien der Garcia & Co Immobilien GmbH.

Krieg der Spermien

Warum brauchen männliche Tiere täglich Millionen Spermien, um sich fortzupflanzen? Und warum gibt es überhaupt zwei Geschlechter? Um diese und verwandte Fragen geht es in der neuen Ausgabe des Forschungsmagazins „Molecular Human Reproduction“. Der Evolutionsbiologe Steven Ramm von der Universität Bielefeld hat das Themenheft zur Spermienkonkurrenz zusammengestellt.

Dr. Steven Ramm von der Universität Bielefeld hat ein Themenheft zur Konkurrenz von Spermien zusammengestellt. Foto: Universität Bielefeld
Dr. Steven Ramm von der Universität Bielefeld hat ein Themenheft zur Konkurrenz von Spermien zusammengestellt. Foto: Universität Bielefeld

In der Natur ist es nicht ungewöhnlich, dass ein Weibchen kurz hintereinander von mehreren Männchen begattet wird – das gilt zum Beispiel für Schimpansen. „Die Spermien der verschiedenen Männchen konkurrieren dann in dem Weibchen um die Befruchtung der Eier“, sagt Ramm. „Ganz generell gilt, dass sich das beste Sperma durchsetzt. Dabei spielt die Schnelligkeit oder auch die Menge der Spermien eine Rolle. Nützlich kann es dann auch sein, wenn die Samenflüssigkeit zähflüssig ist. So kann sie sich im Geschlechtsorgan der Weibchen festsetzen und damit anderes Sperma abhalten.“

Wenn die Spermien eines Männchens mit denen von anderen konkurrieren, müssen die je-weiligen Samenzellen für diesen „Kampf um das Ei“ vorbereitet werden. „Das passiert bei der Bildung der Spermien im männlichen Körper, der Spermatogenese“, erklärt Ramm. Mit diesem Thema befasst er sich in einem eigenen Artikel, zusammen mit drei Kollegen der Universitäten Basel (Schweiz) und Münster. Spermien gelten als der vielgestaltigste Zelltyp im ganzen Tier-reich. Die Forscher beschreiben, wie unterschiedlich Samenzellen bei Fliegen, Fadenwürmern und Wirbeltieren gebildet werden. Auch zeigen sie, dass nicht nur die Menge an Spermien eine Rolle spielt, sondern ebenfalls deren Gestalt. „Schon die Größe der einzelnen Samenzelle kann einen Wettbewerbsvorteil bedeuten“, sagt Ramm. Neben den menschlichen Spermien, die winzig sind und sich mit einem Schwanz fortbewegen, gibt es beispielsweise kugelrunde und kriechende oder auch Riesenspermien, die größer sind als die Männchen, die sie produzieren.

Evolutionsbiologen untersuchen, wie sich Lebewesen im Lauf von Jahrmillionen entwickelt haben. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, wie sie sich an ihre Umwelt angepasst haben. „In unserem Themenheft geht es uns vor allem darum zu zeigen, warum die Fortpflanzung bei den Tieren so abläuft, wie sie abläuft“, sagt Ramm. „Diese Erkenntnisse können zum Beispiel auf lange Sicht Fortpflanzungsbiologen helfen, Spermien genetisch so zu verändern, dass die Chance der Befruchtung steigt. Solche Methoden könnten zum Beispiel genutzt werden, um gefährdete Tierarten zu erhalten.“

Dr. Steven Ramm forscht seit 2012 an der Fakultät für Biologie der Universität Bielefeld. In der Arbeitsgruppe Evolutionsbiologie befasst er sich unter anderem mit der Frage, wie sich die bei männlichen Tieren die Merkmale entwickeln, die die Zeugungsfähigkeit ermöglichen. 2006 promovierte Ramm an der University of Liverpool (England), an der er bis 2009 als Wissenschaftler tätig war. Darauf folgten Forschungsaufenthalte an der Universität Innsbruck (Österreich) und der Universität Basel. Ramm verantwortet das Projekt „Funktionelle und evolutionäre Genetik der Samenflüssigkeit“, das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert wird. Außerdem ist er für das EU-Forschungsprojekt „SpermEvolution“ zuständig.

Spermien gibt es in den unterschiedlichsten Formen und Größen: Die Samenzelle des Plattwurms „Macrostomum lignano“ (Bild) besitzt einen Vorderfühler (rechts) und zwei seitliche Borsten, mit denen er sich im weiblichen Geschlechtsorgan festsetzen kann. Foto: Universität Bielefeld
Spermien gibt es in den unterschiedlichsten Formen und Größen: Die Samenzelle des Plattwurms „Macrostomum lignano“ (Bild) besitzt einen Vorderfühler (rechts) und zwei seitliche Borsten, mit denen er sich im weiblichen Geschlechtsorgan festsetzen kann. Foto: Universität Bielefeld

Originalveröffentlichungen:
Steven A. Ramm, Sperm competition and the evolution of reproductive systems (Editorial). Molecular Human Reproduction, http://dx.doi.org/10.1093/molehr/gau076, erscheint am 16.10.2014

Steven A. Ramm, Lukas Schärer, Jens Ehmcke, Joachim Wistuba, Sperm competition and the evolution of spermatogenesis. Molecular Human Reproduction, http://dx.doi.org/10.1093/molehr/gau070, erscheint am 16.10.2014

Quelle/Text/Redaktion: www.uni-bielefeld.de

Eine heiße Alternative zum elektrischen Strom

Die Physiker der Universität Bielefeld experimentieren mit Nanoschichten auf Chipträgern (Bild). Die Schichten bestehen aus magnetischen Isolatoren, also Material, das keinen oder nur wenig elektrischen Strom leitet. Foto: Universität Bielefeld
Die Physiker der Universität Bielefeld experimentieren mit Nanoschichten auf Chipträgern (Bild). Die Schichten bestehen aus magnetischen Isolatoren, also Material, das keinen oder nur wenig elektrischen Strom leitet. Foto: Universität Bielefeld

Die Fakultät für Physik der Universität Bielefeld ist künftig an vier statt drei Projekten des Schwerpunktprogramms „Spin Caloric Transport“ (SpinCaT) der Deutschen Forschungsgemeinschaft beteiligt. Die Wissenschaftler der Universität Bielefeld arbeiten an den physikalischen Grundlagen, um magnetische Signale mit Wärme zu erzeugen. Langfristig könnten auf der Basis zum Beispiel energiesparende Computer entwickelt werden. 2011 startete das Schwerpunktprogramm SpinCaT, das jetzt in die zweite Förderungsphase geht. Die SpinCaT-Forschung in Bielefeld wird mit insgesamt 800.000 Euro gefördert. Angesiedelt ist sie am „Center for Spinelectronic Materials and Devices“ (CSMD, Zentrum für Spinelektronische Materialien und Geräte).

Dr. Timo Kuschel ist zuständig für eines der neuen Projekte im Schwerpunktprogramm „SpinCaT“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Foto: Universität Bielefeld
Dr. Timo Kuschel ist zuständig für eines der neuen Projekte im Schwerpunktprogramm „SpinCaT“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Foto: Universität Bielefeld

Elektronen besitzen einen Eigendrehimpuls, der sich Elektronenspin nennt. Dieser sorgt dafür, dass sich Elektronen wie kleine Magnete verhalten. Auch wenn sie ihre Position beibehalten, können sie ihren Elektronenspin an benachbarte Elektronen weitergeben.

Neuerdings kann der Transport dieser Elektronenspins gezielt mit Wärme ausgelöst werden. „Wärme fällt oft als Abfallprodukt an – zum Beispiel als Betriebsabwärme im Computer“, sagt Professor Dr. Günter Reiss. „Wir wollen Verfahren entwickeln, die Wärme nutzen, um Elektronenspins gezielt zu steuern“. Reiss leitet die Arbeitsgruppe „Dünne Schichten und Physik der Nanostrukturen“ im CSMD, die in vier von insgesamt rund 30 Projekten des Schwerpunktprogramms „SpinCaT“ forscht.

Moderne Elektronik basiert auf Elektronentransport, der durch elektrische Spannung erzeugt wird. Beim elektrischen Strom bewegen sich die Elektronen also durch einen elektrischen Leiter, etwa einen Kupferdraht. Die Bielefelder Physiker wollen aber den Elektronenspin verwenden und nicht den Transport der Elektronen selber, um neuartige Schaltungen zu bauen, die vielleicht sogar durch Wärme betrieben werden können. Der Transport von Elektronenspins geschieht, ohne dass die Elektronen sich selber bewegen.

Nur der Eigendrehimpuls wird von Elektron zu Elektron weitergegeben. Da also kein elektrischer Strom für so einen „Spinstrom“ nötig ist, können diese magnetischen Signale auch in Material erzeugt und weitergegeben werden, das keinen oder nur wenig elektrischen Strom leiten kann. „So entsteht ein reiner Spinstrom, bei dem Elektronenspins ohne elektrischen Strom übermittelt werden können“, sagt Reiss. Die Physiker nutzen dafür magnetische Isolatoren. Zu ihnen gehören zum Beispiel ultradünne Schichten, die aus Nickelferrit oder Eisengranat bestehen.

Dieses Prinzip kann verwendet werden, um beispielsweise Computerdaten zu übertragen. Computer nutzen die Werte „0“ und „1“ als Zahlensystem, um zu rechnen und Daten zu speichern. Der Eigendrehimpuls des Elektrons kann ebenfalls zwei bestimmte Richtungen haben. Um Computerdaten also per Elektronenspin zu übermitteln, wird eine Drehimpulsrichtung als „0“ festgelegt und die andere als „1“. Weil die Elektronen sich selber in isolierenden Materialien nicht fortbewegen, verbraucht die Übertragung von Daten auf diese Art weitaus weniger Energie als der herkömmliche Elektronentransport. „Computer, die mit solchen Spin-Schaltkreisen arbeiten würden, sparen also von vornherein Energie. Sie könnten zudem nicht benötigte Wärme nutzen, um den Spin-Transport zu steuern“, sagt Dr. Timo Kuschel. Der Physiker gehört zur Arbeitsgruppe von Günter Reiss und leitet mit dem Professor und seinen Bielefelder Kollegen Dr. Andy Thomas und Dr. Jan-Michael Schmalhorst Projekte im SpinCaT-Programm.

Die Wissenschaftler der Universität Bielefeld konzentrieren sich auf die Grundlagenforschung zur Erzeugung und Manipulation von Spinströmen mit Wärme. Dafür entwickeln sie extrem dünne Schichten, die sie als magnetische Isolatoren einsetzen. Diese Nanoschichten analysieren sie mit einem Synchrotron, einer besonderen Art von Teilchenbeschleuniger. Dafür besuchen sie Forschungseinrichtungen in Hamburg, Berlin, Grenoble (Frankreich) und Berkeley (USA). Für die Forschung in den SpinCaT-Projekten kooperieren sie zudem mit Arbeitsgruppen aus München, Regensburg, Braunschweig, Greifswald, Alabama (USA) und Sendai (Japan). Auf Einladung der Fakultät für Physik diskutierten Anfang Oktober rund 20 Physiker aus vier Ländern auf einer Tagung in der Universität Bielefeld über ihre Messungen und Analysen zu thermisch generierten Spinströmen.

Quelle/Text/Redaktion: www.uni-bielefeld.de

Weitere Informationen:
www.spincat.info

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