Galaxien wachsen, indem sich in ihnen weitere Sterne bilden. Die „Geburtenrate“ war während der Entwicklung des Universums jedoch nicht gleichmäßig: Für besonders schwere Galaxien folgte auf einen frühen Boom kurz nach dem Urknall rasch eine Stagnation, wie ein internationales Forscherteam unter Beteiligung der Universität Bonn nun herausfand. Anschließend nahmen diese Schwergewichte unter den Galaxien dennoch weiter zu, allerdings nicht mehr durch eigenen Nachwuchs, sondern quasi als kosmische Räuber, die sich kleinere Zusammenballungen von Sternen einverleiben. Im „Astrophysical Journal“ werden die Ergebnisse nun vorgestellt.
Der Blick in den Nachthimmel zeigt es: Die Sterne sind nicht gleichmäßig verteilt, sondern bilden zahlreiche Galaxien, die zum Teil wie etwa die Andromeda-Galaxie mit dem Fernglas zu erkennen sind. Die Ansammlungen aus Sternen, Planetensystemen sowie Gas- und Staubwolken haben sich seit dem Urknall vor etwa 13,7 Milliarden Jahren jedoch nicht kontinuierlich entwickelt. „Wir sehen im sehr frühen Universum vor zehn bis elf Milliarden Jahren bereits sehr massereiche und kompakte Galaxien, die ihr rapides Wachstum rasch beendet haben“, sagt Dr. Alexander Karim vom Argelander-Institut für Astronomie der Universität Bonn. Die Wissenschaft rätselte bislang darüber, wie diese frühen Galaxien entstanden sind und wie sie sich weiterentwickelt haben.
Eine Antwort auf diese Frage gibt nun die Studie eines internationalen Forscherteams aus Dänemark, England, USA, Schottland, Belgien, der Schweiz und Frankreich. Vom Argelander-Institut für Astronomie der Universität Bonn waren Dr. Benjamin Magnelli, Dr. Karim und Dr. Vernesa Smolcic beteiligt, die nun an der Universität Zagreb (Kroatien) forscht. Zur Rekonstruktion der Galaxienentwicklung nutzten die Wissenschaftler die Aufzeichnungen von rund einem Dutzend der weltweit führenden Teleskope einschließlich des Hubble-Weltraumteleskops. Sämtliche Teleskope fokussierten einen bestimmten Himmelsauschnitt: das sogenannte COSMOS-Feld. „Mit zusätzlichen Teleskop-Messungen konnten wir dort sogar besonders tief ins Verborgene des frühen Universums blicken“, sagt Dr. Karim.
Ein „Daumenkino“ zeigt die verschiedenen Entwicklungsstadien
Was auf den ersten Blick wie ein wildes Durcheinander verschiedener Himmelstrukturen aussieht, lösten die Forscher in einzelne Bilder auf, die jeweils die Galaxien in einem bestimmten Abstand zur Erde zeigen. Dabei gilt: Je weiter eine Galaxie entfernt ist, desto länger war auch ihr Licht zu uns unterwegs, so dass jede Galaxie für die Astronomen stets ein Fenster zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Vergangenheit des Universums darstellt. Anhand der Teleskopaufzeichnungen untersuchten die Astronomen jeweils die Struktur, die Entfernung und das Alter der Galaxien und ordneten sie verschiedenen Entwicklungsstadien zu. „Wenn wir diese Einzelbilder aus unterschiedlichen Epochen des Universums hintereinander betrachten, können wir die Entwicklung der Galaxien wie in einem Daumenkino nachvollziehen“, berichtet Dr. Karim.
Auf die Boom-Phase folgte rasch die Stagnation
Dabei zeigte sich, dass es rund eine bis anderthalb Milliarden Jahre nach dem Urknall tatsächlich genügend Galaxien gab, die in der Lage waren, in einer kosmisch kurzen Zeitspanne von ein bis zwei Milliarden Jahren so große Mengen an Sternen zu gebären, dass sie sich anschließend in die massereichen und kompakten Galaxien auswachsen konnten. Diesen „kosmischen Babyboom“ führen die Astronomen darauf zurück, dass es in dieser frühen Phase kollisionsreiche Begegnungen jeweils zweier sehr gas- und staubreicher Galaxien gab.
„Während solcher kosmischer Elefantenhochzeiten herrschen ideale Voraussetzungen für die Geburt von Sternen“, sagt der Forscher des Argelander-Instituts für Astronomie der Universität Bonn. Auf die Boom-Phase folgte offenbar rasch die Stagnation: Die „Geburtenrate“ in diesen frühen Galaxien ließ stark nach. Die schon schweren, aber noch kompakten Galaxien sind aber im Lauf der Jahrmilliarden erwachsen geworden. Auch heute noch befinden sich viele dieser nach wie vor größten aller Galaxien im Wachstum – allerdings nicht mehr vorrangig durch eigenen Nachwuchs. „Diese inzwischen passiv gewordenen großen Galaxien verleiben sich kleinere Galaxien ein und werden durch diese »kosmischen Raubzüge« immer größer“, sagt Dr. Karim.
Publikation: Sub-millimeter galaxies as progenitors of compact quiescent galaxies, Astrophysical Journal, DOI: 10.1088/0004-637X/782/2/68