Neue Erkenntnisse über metallische Schmelzen

Die Doktorandin Sri Wahyuni Basuki, Erstautorin der Kieler Studie, im Labor vor der Diffusionsapparatur, mit der nun erstaunliche Forschungsergebnisse erzielt wurden. Foto/Copyright: Elisabeth Gill
Die Doktorandin Sri Wahyuni Basuki, Erstautorin der Kieler Studie, im Labor vor der Diffusionsapparatur, mit der nun erstaunliche Forschungsergebnisse erzielt wurden.
Foto/Copyright: Elisabeth Gill

Was Einstein nicht ahnte

Hart wie Keramik, leitfähig wie Metall, formbar wie Plastik: Metallische Gläser haben faszinierende Eigenschaften, die für die Industrie hochinteressant sind. Wie genau sie entstehen, ist aber noch weitgehend unbekannt. Mit ihrer neuen Entdeckung sind Wissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) nun nahe dran, das Geheimnis zu lüften, was passiert, wenn flüssige Metalllegierungen zu Glas erstarren. Damit erweitern sie eine über einhundert Jahre alte Theorie Albert Einsteins über Viskosität und Diffusion. „Das Metall der Zukunft“ – damit werben Firmen für die extrem harten, elastischen und korrosionsbeständigen Metalllegierungen. Sie sind besonders in der Medizin, in der Raumfahrt und bei Sportausrüstung wie Golfschlägern gefragt. Die Herstellung dieser metallischen Gläser, die erstmals 1954 in Deutschland entdeckt wurden, ist jedoch sehr aufwendig und teuer, da umfassende wissenschaftliche Grundlagenerkenntnisse bisher fehlen – trotz zurzeit intensiver Erforschung.

Diffusionsmechanismen im Festkörper, der komplexen Schmelze und der einfachen Schmelze Copyright: Alexander Vahl
Diffusionsmechanismen im Festkörper, der komplexen Schmelze und der einfachen Schmelze
Copyright: Alexander Vahl

Insbesondere die Übergangsphase von der Schmelze bis zum Glas stellt die Forscherinnen und Forscher vor große Rätsel. In kristallinen Festkörpern ist jedes einzelne Atom wie in einem Käfig an seinem Ort gefangen, denn die Teilchen sind dicht und regelmäßig „gepackt“. Völlig anders verhalten sie sich hingegen in sogenannten einfachen Schmelzen. Das sind Stoffe in der flüssigen Phase, die nur aus einem Element bestehen. In diesem Zustand haben die Atome mehr Platz (= mehr freies Volumen), um sich gleichzeitig zu bewegen. Dadurch stoßen sie auch aneinander und ändern fortwährend ihre Richtung. Albert Einstein beschrieb dieses Verhalten bereits 1905 in einer Gleichung: In einer einfachen Schmelze bestimmt demnach die Größe der Atome deren Geschwindigkeit. Bei etwa gleicher Atomgröße – so erkannte der Physiker – sollten sich alle Atome nahezu gleich schnell bewegen.

Forschungsgegenstand Vitreloy 4: Kieler Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben neues Grundlagenwissen über metallische Schmelzen geschaffen. Foto/Copyright: Elisabeth Gill
Forschungsgegenstand Vitreloy 4: Kieler Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben neues Grundlagenwissen über metallische Schmelzen geschaffen.
Foto/Copyright: Elisabeth Gill

Überraschendes förderte jetzt ein Kieler Forschungsteam um Professor Franz Faupel und Professor Klaus Rätzke mit Kolleginnen und Kollegen vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Köln zu Tage: Mit Experimenten an Vitreloy 4 (Marke der Liquidmetal Technologies), einer Legierung aus Zirconium, Titan, Kupfer, Nickel und Beryllium – also einer komplexen Schmelze aus mehreren Elementen – wiesen sie nach, dass sich komplexe Schmelzen von glasbildenden Legierungen nicht wie einfache Schmelzen verhalten.

„Schon mehrere hundert Grad vor dem Einsetzen der Erstarrung stellten wir fest, dass sich unterschiedliche Atomspezies unterschiedlich schnell bewegten“, erklärt Faupel die Untersuchungsergebnisse, „Und dass, obwohl die verschiedenen Atome fast gleich groß sind.“ Die Forschenden hatten zuvor Zirkon- und Cobalt-Atome radioaktiv markiert und beobachteten, dass die Zirkon-Atome bis zu viermal langsamer durch die Schmelze schleichen als die restlichen Atome. „Sie bewegen sich nicht frei, sondern spüren sogar oberhalb der Glasübergangstemperatur das Energiepotential anderer Zirkon-Atome und formen zeitweilig sogar Bindungen mit ihren Nachbarn“, führt Faupel weiter aus.

Diese Erkenntnisse, jüngst erschienen in der renommierten Fachzeitschrift „Physical Review Letters“, bestätigen nicht nur jüngste Theorien in diesem Forschungsfeld, welche davon ausgehen, dass die Glasbildung durch das Einfrieren der Bewegung bei bestimmten Temperaturen bedingt ist. Sondern sie könnten auch dazu führen, dass metallische Gläser zukünftig günstiger und gezielter hergestellt werden können.

Originalpublikation
Decoupling of Component Diffusion in a Glass-Forming Zr46.75Ti8.25Cu7.5Ni10Be27.5 Melt Far above the Liquidus Temperature
Sri Wahyuni Basuki, Alexander Bartsch, Fan Yang, Klaus Rätzke, Andreas Meyer and Franz Faupel. PhysRevLett.113.165901 (DOI: 10.1103)
Link zum Online-Artikel: http://journals.aps.org/prl/abstract/10.1103/PhysRevLett.113.165901

Streithähne zum Reden bringen

Eine neutrale dritte Person, die in Mediationstechniken ausgebildet wurde, kann zwischen Konfliktparteien vermitteln. Die Uni Kiel bietet nun wieder einen berufsbegleitenden Kurs an. Foto/Copyright: ktylerconk/flickr CC by 2.0
Eine neutrale dritte Person, die in Mediationstechniken ausgebildet wurde, kann zwischen Konfliktparteien vermitteln. Die Uni Kiel bietet nun wieder einen berufsbegleitenden Kurs an.
Foto/Copyright: ktylerconk/flickr CC by 2.0

Manche Konflikte scheinen unüberbrückbar und festgefahren zu sein. In solchen Fällen können Mediatorinnen und Mediatoren helfen, Lösungen zu finden. Die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) bildet nun wieder Menschen aus, die professionell Streitpositionen klären wollen. Alle Fragen zum Zertifikatskurs beantwortet eine Informationsveranstaltung am Montag, 10. November, 18:00 Uhr bis 20:30 Uhr in der Leibnizstraße 1 auf dem Universitätscampus.

Angeboten wird das berufsbegleitende Präsenzstudium von der Wissenschaftlichen Weiterbildung der CAU und Advanced Studies (AS-A), einer Weiterbildungseinrichtung am Institut für Pädagogik. Der Kurs beginnt im Januar 2015 und endet im Juni 2016 mit dem universitären Zertifikat zur Mediatorin und zum Mediator. Der kostenpflichtige Kurs ist anwendungs- und praxisorientiert. Im Mittelpunkt steht das intensive Training der Gesprächsstrategien und der Moderationstechniken, die notwendig sind, um einen Mediationsprozess erfolgreich zu gestalten. Eigens von den Teilnehmerinnen und Teilnehmer in der Praxis durchgeführte Mediationen werden durch Feedback des Trainerteams sowie kollegiale Begleitung in Arbeitsgruppen unterstützt.

„Mit dem Angebot sollen insbesondere Berufstätige in pädagogisch-psychologischen, psycho-sozialen und wirtschaftlichen Arbeitsfeldern angesprochen werden. Aber auch Personen im Personalwesen, in lehrenden, leitenden, begleitenden und beratenden Tätigkeiten sind herzlich willkommen“, sagt Annekatrin Mordhorst, Leiterin der Wissenschaftlichen Weiterbildung. Voraussetzungen sind eine (Fach-)Hochschulzugangsberechtigung oder mehrjährige Berufserfahrung.

Weitere Informationen zum Angebot im Internet unter http://www.weiterbildung.uni-kiel.de/de/berufsbegleitende-weiterbildungsangebote/zertifikate.

Neue Planktonart trägt päpstliche Scheitelkappen

Neu entdeckter Bewohner der Kieler Förde: Pileolosphaera longistirpes, die „kugelige Zelle aus päpstlichen Scheitelklappen mit langen Stängeln“ Foto/Copyright: K.J. Sebastian Meier
Neu entdeckter Bewohner der Kieler Förde: Pileolosphaera longistirpes, die „kugelige Zelle aus päpstlichen Scheitelklappen mit langen Stängeln“
Foto/Copyright: K.J. Sebastian Meier

Dr. K.J. Sebastian Meier, Paläontologe von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU), hat gemeinsam mit Kollegen aus Odense und London eine neue bemerkenswerte einzellige Planktonart entdeckt. Das Besondere daran: Die Zellen sind jeweils mit winzigen Kalkplättchen bedeckt. Diese erinnern stark an das Scheitelkäppchen des Papstes (den sogenannten Pileolus, lateinisch für „kleine Mütze“). Die eigentlich kleine Kordel (der Stirpes, lateinisch für „Stängel“) in der Mitte ist beim Plankton aber vergrößert. Pileolosphaera longistirpes tauften die Wissenschaftler daher die neue Art aus der Kieler Förde, was so viel bedeutet wie „kugelige Zelle aus päpstlichen Scheitelkappen mit langen Stängeln“.

Die neu entdeckte Planktonart ist dem Pileolus, der kleinen Mütze des Papstes, sehr ähnlich. Foto/Copyright: Stahlkocher - Eigenes Werk. Lizenziert unter Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 über Wikimedia Commons Foto zum Herunterladen: www.uni-kiel.de/download/pm/2014/2014-338-2.jpg
Die neu entdeckte Planktonart ist dem Pileolus, der kleinen Mütze des Papstes, sehr ähnlich.
Foto/Copyright: Stahlkocher – Eigenes Werk. Lizenziert unter Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 über Wikimedia Commons
Foto zum Herunterladen:
www.uni-kiel.de/download/pm/2014/2014-338-2.jpg

Der winzige Fördebewohner ist nur wenige hundertstel Millimeter groß und wird zum so genannten Nannoplankton gezählt. Zahlreiche Proben aus der Ostsee untersuchten die Forschenden gezielt am Rasterelektronenmikroskop und wurden mit dessen Entdeckung belohnt: „In der Kieler Förde herrscht eine ungeahnte Formenvielfalt von kalkigem Nannoplankton vor“, sagt Meier, der das Labor für Rasterelektronenmikroskopie am Kieler Institut für Geowissenschaften leitet. Nun wollen die Wissenschaftler den bisher unbekannten Organismus besser kennen lernen: Stammesgeschichtliche Entwicklung, Ökologie, Evolution und Anpassung an die besonderen Umweltbedingungen in der Kieler Förde gilt es dabei aufzuklären.

Die Erforschung des Nannoplanktons hat in Kiel eine lange Tradition und geht auf Hans Lohmann zurück. Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts studierte er die Wasserlebewesen und beschrieb einzelne Kalkalgen. Vertreter des kalkigen Nannoplanktons sind seit der oberen Trias (etwa 220 Millionen Jahre vor unserer Zeit) bekannt und spielen für die Deutung der jüngeren Klimageschichte eine große Rolle.

Originalpublikation
Meier, K. J. S., Kinkel, H. and Young J. R. 2014. A note on calcareous nannoplankton from the Kieler Förde (Baltic Sea). Journal of Nannoplankton Research 33(1), 29-37.

Telemedizin ist vielen angehenden Medizinern ein Rätsel

Die jüngst eingeführte elektronische Gesundheitskarte ist ein bekanntes Beispiel für Telemedizin. Der Begriff steht für den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien in der Versorgung von Patientinnen und Patienten. Doch obwohl Telemedizin künftig eine stärkere Rolle spielen dürfte, kennen sich die meisten angehenden Ärzte mit dem Thema kaum aus. Das zeigt eine Studie der Universität Bielefeld. Vier Fünftel der befragten Medizinstudierenden geben an, dass sie sich im Rahmen ihres Studiums gar nicht oder unzureichend über Telemedizin informiert fühlen. Gleichzeitig geben ebenfalls vier Fünftel der Befragten an, dass sie davon ausgehen, dass Telemedizin in Zukunft an Bedeutung gewinnt.

Christoph Dockweiler fordert, dass Ärzte und Patienten stärker als bislang über die Chancen und Grenzen von Telemedizin aufgeklärt werden. Foto: Universität Bielefeld
Christoph Dockweiler fordert, dass Ärzte und Patienten stärker als bislang über die Chancen und Grenzen von Telemedizin aufgeklärt werden. Foto: Universität Bielefeld

Deutschlandweit wurden an den medizinischen Fakultäten 524 Studierende der Humanmedizin zu ihren Einstellungen zur Telemedizin befragt. Die Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Universität Bielefeld begleitet die Entwicklung telemedizinischer Systeme vor allem mit Blick auf deren Bedarfsgerechtigkeit und die Akzeptanz der Technik. Einer der Autoren der aktuellen Studie ist Christoph Dockweiler von der Fakultät für Gesundheitswissenschaften. „Telemedizin kann sich nur dann durchsetzen, wenn die Ärzte die Behandlungsmöglichkeiten, die Diagnose- und Therapieeffizienz, die die Telemedizin ermöglicht, positiv einschätzen“, sagt Dockweiler. „Wir sehen jedoch, dass der Grad der Informiertheit einen nicht nur zufälligen Einfluss auf die Einschätzung der zukünftigen Ärztinnen und Ärzte hat. Telemedizin ist für viele von ihnen noch eine Black-Box.“

Der Untersuchung zufolge scheint das Studium als wichtigste Informationsquelle in der Ausbildung den Informationsbedarf der angehenden Mediziner bisher nicht angemessen zu decken. „Insgesamt müssen wir mehr in Information und Aufklärung über die Potenziale, aber auch die Grenzen neuer Technik investieren. Dies gilt nicht nur für die zukünftigen Generationen von Ärztinnen und Ärzten, sondern für alle Nutzerinnen und Nutzer“, folgern die Autoren der Studie.

Telemedizin soll zukünftig die Qualität der Behandlung verbessern, Kosten reduzieren und die Autonomie der Nutzerinnen und Nutzer steigern. Die Speicherung und Vernetzung von Gesundheitsdaten auf der elektronischen Gesundheitskarte ist nur ein Beispiel für den Einsatz von Telemedizin. Weitere Beispiele sind Diagnosen per Videokonferenz oder E-Mail, außerdem die Überwachung des Insulinspiegels, des Blutdrucks oder der Herzfrequenz mit speziellen elektronischen und vernetzten Geräten in der häuslichen Umgebung.

Quelle/Text/Redaktion: www.uni-bielefeld.de

Related Posts Plugin for WordPress, Blogger...