Er ist ein überragendes spätmittelalterliches Kunstwerk und gleichsam Zeitzeuge prägender Leipziger Ereignisse im vergangenen Jahrhundert. „Die Rückkehr des Paulineraltars aus der am 30. Mai 1968 gesprengten Universitätskirche St. Pauli an den Augustusplatz ist ein Ereignis von höchster stadt- und universitätsgeschichtlicher Bedeutung“, betont Prof. Dr. Rudolf Hiller von Gaertringen, Kustos der Kunstsammlung der Universität Leipzig.
Der prächtige Altar war 1993 als Leihgabe der Universität Leipzig in der Thomaskirche aufgestellt worden. Nach seinem Umzug an den ursprünglichen Ort steht nun das erste Holzobjekt im Andachtsraum des Paulinums. Die Universitätsgemeinde wird den Paulineraltar künftig im Rahmen ihrer Gottesdienste wieder liturgisch nutzen.
Am neuen Standort tritt der über 500 Jahre alte Altar in einen spannungsreichen Dialog mit der zwar gotisch inspirierten, zugleich aber unverkennbar modernen Architektur. „Der Paulineraltar, geschaffen wohl um 1490 für das einstige Leipziger Dominikanerkloster und 1543 in den Besitz der Universität gelangt, ist das bedeutendste mittelalterliche Altarwerk der Stadt, welches noch heute in einen liturgischen Zusammenhang eingebunden ist“, erklärt Hiller von Gaertringen. Er freue sich sehr, dass es wieder an seinen ursprünglichen Standort im Herzen Leipzig und vor allem der Universität aufgestellt wurde. „Für die Universität kehrt nicht nur das Hauptwerk ihrer Kunstsammlung auf den Campus zurück, auch im regionalen Umfeld sucht der Altar seinesgleichen“, weiß Hiller.
Glücklich über den „Neuzugang“ im Paulinum, in dem auch mehrere Epitaphien bereits aufgehängt sind, ist auch der 1. Universitätsprediger der Universität Leipzig Prof. Dr. Peter Zimmerling. „Die Universitätsgemeinde freut sich sehr darüber, den Paulineraltar ab kommendem Jahr bei den Universitätsgottesdiensten wieder liturgisch nutzen zu können“, sagt er. „Am neuen alten Ort wird er sogar noch besser zur Geltung kommen als in der alten Paulinerkirche. Der Neubau ist heller und schmuckloser. So wird der Altar zum dominierenden Blickfang für den ganzen Raum werden.“ Getreu dem Geist des Paulinums – Aula/Universitätskirche St. Pauli insgesamt werde auch der historische Paulineraltar eine Verbindung mit den neu konzipierten und mit modernen Materialien gefertigten Prinzipalstücken von Altartisch, Taufstein und Lesepult eingehen. Ebenso seien die neuen Behänge für Altar und Lesepult von einem zeitgenössischen Künstler ungegenständlich entworfen worden.
Bei dem Altar-Kunstwerk handelt es sich um einen besonders monumentalen und qualitätsvollen spätgotischen Flügelaltar mit zweifacher Wandlung. Die Maße betragen bei geöffnetem Zustand zirka 4,90 x 4,80 Meter. Auf der geschlossenen Außenseite sind zwei Szenen aus dem Leben des Apostels Paulus zu sehen, dem die Ordenskirche geweiht war. Die immer sichtbare sogenannte Predella zeigt die Bekehrung des Paulus im Zusammenhang mit seinem Damaskuserlebnis, die Alltagsseite die Passion Christi in Form von acht Tafelgemälden, die Festtagsseite schließlich in zentraler Position die Statue des Apostels mit Schwert und Buch, flankiert von acht Reliefs mit einem sogenannten „Jesus-Maria-Zyklus“.
„Ein besonderes Augenmerk der rekonstruierten bildlichen Botschaft liegt also auf dem Apostel Paulus“, erläutert Hiller von Gaertringen. „Die Predigertätigkeit und das Martyrium des Heiligen zieren in die beiden hochformatigen Bildtafeln der Altaraußenseite, er bildet zugleich die zentrale Bildnisstatue der besonders bedeutsamen Festtagsseite.“ Die Wirkung des Paulus als Verkündiger der christlichen Botschaft sei für die auch als Predigerorden bezeichneten Dominikaner vorbildhaft gewesen. „Außerdem hatte sich das Leipziger Kloster unter sein Patrozinium gestellt. So ist die Rückkehr des Altars an den Ort der einstigen Paulinerkirche auch vor diesem Hintergrund historisch sinnvoll“, so der Kustos.
Der Altar ist im Laufe seiner Geschichte mehrfach umgestaltet und vor etwa 100 Jahren sogar in einen Gemälde- und einen Skulpturenaltar getrennt worden. Seine heutige Form, welche die ursprüngliche Zusammensetzung zu rekonstruieren sucht, ist das Ergebnis der jüngsten Restaurierung zwischen 1983 und 1993 unter Aufsicht des Instituts für Denkmalpflege in Dresden, dem heutigen Landesamt für Denkmalpflege Sachsen (LfDS). Auch die Werkstätten der Dombauhütte Meißen sowie der Leipziger Restaurator Arne Hüthel waren an dieser Restaurierungskampagne beteiligt. Diplom-Restaurator Manfried Eisbein vom LfDS hat damals in der Thomaskirche wie heute im Paulinum Auf- und Abbau geleitet.